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Die Welt debattiert über Drogen

Matthias von Hein11. April 2016

Seit über 40 Jahren führen viele Regierungen einen "Krieg gegen Drogen". Doch Erfolge bleiben aus, die menschlichen Kosten steigen. Vom 19. April an diskutieren die Vereinten Nationen über die Zukunft der Drogenpolitik.

Mexiko Marijuana Plantage mit Soldat (Photo: Susana Gonzalez/ dpa)
Bild: picture alliance/dpa/S. Gonzalez

Drogen sind allgegenwärtig: Legale wie Alkohol, Kaffee, Nikotin und zahlreiche Psychopharmaka. Illegale wie Cannabis, Heroin, Chrystal Meth. Drogen sind ein Riesengeschäft - legale sowieso, aber besonders die illegalen, weil das Verbot die Preise hochtreibt und viele Menschen sie sich beschaffen. Nach UN-Angaben waren es im Jahre 2014 rund 250 Millionen Konsumenten. Das wäre jeder Zwanzigste im Alter zwischen 16 und 64 Jahren.

Diese Nachfrage schafft einen riesigen Schwarzmarkt, der das organisierte Verbrechen nährt - nach Schätzungen, ebenfalls der UN, mit rund 330 Milliarden US-Dollar im Jahr. Wo so viel Geld ist, sind Korruption und Gewalt nicht fern - zum Teil in einem Ausmaß, das ganze Staaten bedroht.

Trotz Verfolgung: Die Zahl der Drogennutzer steigt

Deshalb ist Drogenpolitik wichtig: Sie steht im Zusammenhang mit Entwicklung, weil in manchen Weltregionen die Produktion illegaler Drogen eine zentrale Rolle im Wirtschaftsgeschehen und bei der Existenzsicherung von Kleinbauern spielt. Sie steht im Zusammenhang mit Gesundheit, weil in vielen Ländern Drogenkranke als Kriminelle im Gefängnis landen statt in Behandlung oder weil sich mangels Spritzentauschprogrammen Tuberkulose und Aids ausbreiten.

Drogenpolitik berührt auch Sicherheitsfragen. Nicht nur, weil das Drogengeschäft ein knappes Drittel zum Gesamtumsatz des Organisierten Verbrechens in Europa beiträgt, wie Europol Anfang Mai berichtete. Sondern auch, weil sich manche Terrororganisationen über Drogengeschäfte Geld beschaffen, wie Europol im gleichen Bericht besorgt mitteilte.

Lateinamerikanische Initiative

In New York wird jetzt erstmals seit 18 Jahren wieder auf hoher internationaler Ebene über Drogenpolitik geredet: Die Vereinten Nationen haben am 19. April zu einer Sondersitzung der Generalversammlung zum Weltdrogenproblem (UNGASS) eingeladen. Die Initiative für diese dreitägige Konferenz ging von Mexiko, Guatemala und Kolumbien aus. Sie sehen den seit einem knappen halben Jahrhundert mit wachsender Intensität geführten "Krieg gegen die Drogen" kritisch - wegen mangelnder Erfolge und hoher menschlicher und sozialer Kosten.

Don Winslow kennt die Welt der mexikanischen Drogenkartelle - und schreibt darüberBild: picture-alliance/dpa/A. Estevez

Für den US-amerikanischen Schriftsteller Don Winslow, der jahrelang über die mexikanischen Drogenkartelle recherchiert hat, ist das keine Überraschung: "Diese Länder bezahlen mit Blut den Preis für die Prohibitionspolitik", also das Drogenverbot, erklärt Winslow im DW-Gespräch. In Mexiko beispielsweise sind weit über 100.000 Menschen umgekommen, seit der frühere Präsident Felipe Calderón 2006 das Militär in den Kampf gegen die Kartelle schickte. Eine Studie der renommierten Johns Hopkins Universität in den USA kommt zu dem Schluss, infolge des Drogenkriegs sei in einigen mexikanischen Bundesstaaten die Lebenserwartung um fünf Jahre gesunken.

Der frühere kolumbianische Präsident César Gaviria war in seiner Amtszeit Anfang der 1990er Jahre ein Verfechter des "Kriegs gegen Drogen". Jetzt plädiert er für einen neuen Ansatz. Im DW-Interview erinnert Gaviria daran, dass Kolumbien in den vergangenen 20 Jahren Polizei, Militär und Justiz gestärkt habe und nun über die größte Armee in Lateinamerika verfüge. "Trotz alledem ist Kolumbien immer noch ein Drogenumschlagplatz", hält der Ex-Präsident fest und ergänzt: "Wir haben alles versucht. Gebracht hat es nichts. Jetzt muss die Welt die Kriminalisierung des Drogenkonsums beenden!"

2013 hat Uruguay Neuland betreten und Marihuana legalisiertBild: Pablo Porciuncula/AFP/Getty Images

Eine alternative Politik

1998 hatten die UN noch die Losung ausgegeben: "Eine drogenfreie Welt - wir können das schaffen." Das war unter dem früheren Generalsekretär Kofi Annan. Auch der hat seine Haltung geändert. Im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" forderte Annan Ende Februar eine weitgehende Legalisierung des Drogenkonsums. In seinem Essay schrieb Annan weiter, der Krieg gegen die Drogen sei längst ein Krieg gegen die Menschen geworden. "Drogen haben viele Menschenleben zerstört - aber falsche Maßnahmen seitens der Regierungen haben noch viel mehr Elend angerichtet", so seine Bilanz. Das Ziel einer drogenfreien Welt sei eine Illusion.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler wird die deutsche Delegation in New York anführen. Sogar sie gesteht im DW-Interview zu, dass eine drogenfreie Welt nur schwer erreichbar sei.

Alternativen zum repressiven Ansatz gibt es. Immer mehr Staaten experimentieren mit Modellen zur Entkriminalisierung des Drogenkonsums. Sie wollen dem Problem mit einem gesundheitspolitischen Ansatz begegnen, nicht mehr mit einem strafrechtlichen. In Uruguay hat den Konsum, einen begrenzten Handel und den kontrollierten Anbau von Cannabis sogar vollständig legalisiert. Kanada will folgen. Die UN-Versammlung wird zeigen, welchem Weg die Weltgemeinschaft folgen wird.

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