Die Welt nimmt Abschied vom Papst: "Grazie, Francesco"
26. April 2025
"Er ist wie unser Vater, er ist alles für uns. Deshalb sind wir hier, wegen unserer Liebe für ihn." Barbara Quarante steht am Rande des Petersplatzes. Als Gruppe von 13 Personen sind sie am Vortag angereist und verbrachten die Nacht hier im Freien. Zum Abschied von Papst Franziskus, dem Oberhaupt der Katholischen Kirche, der an Ostermontag im Alter von 88 Jahren verstorben war. "Wir wissen, dass er bei Jesus ist. Und er kann für uns beten. Wir fühlen uns vereint mit ihm", sagt Quarante der DW.
Zu ihren Füßen räkeln sich noch einige der heranwachsenden Kinder in Schlafsäcken. Quarantes Freundin Caterina Longordo fügt hinzu: "Der Papst hat die Jugendlichen erreicht. Sie wollten hierhin". Er habe viel für die jungen Leute getan, "hat die ökologische Lage und soziale Themen angesprochen". Für sie sei der Argentinier mit den Vorfahren aus dem norditalienischen Piemont immer auch ein wenig ein italienischer Papst gewesen.
Mehr als 250.000 Trauergäste in Rom
Wenig später ist die kleine Gruppe aus Kalabrien fast verschwunden in der Menschenmenge. Mehr als 250.000 sind es nach Vatikan-Angaben schließlich, die sich auf dem Petersplatz und in den umliegenden Straßen drängeln. Noch sechs Tage zuvor, am Ostersonntag, hatte der von Krankheit gezeichnete Franziskus von der Loggia den feierlichen Segen "Urbi et Orbi" (Der Stadt und dem Erdkreis) gespendet. 20 Stunden später war er tot. Nun steht sein verschlossener Sarg vor der Altarinsel.
In seinen gut zwölf Jahren als Papst war Franziskus ein in der Weltpolitik gefragter Mann. Aber vor allem empfanden ihn viele als außergewöhnlich nahbaren Papst. Er wollte als Seelsorger wirken. Nun steht da diese Holzkiste. Und hier und da gibt es Spruchbänder "Grazie, Francesco" (Danke, Franziskus).
Myrna Domingo aus den Philippinen schwärmt im DW-Gespräch, wie sie ihn mal im Petersdom erlebt habe. Die 72-Jährige arbeitet seit 42 Jahren im gleichen römischen Haushalt. Sie wolle "Franziskus danke sagen". In jeder Adventszeit feiere die große philippinische Community Roms ihr Fest "Simbang Gabi", ein Festreigen heimatlicher Kultur in der Adventszeit. Franziskus habe erlaubt, dass sie im Petersdom feiern dürften. Und einmal sei er überraschend sogar selbst hinzugekommen.
Papstbegräbnis statt Heiligsprechung Carlo Acutis
"Ich will ihm Goodbye sagen. Das ist alles, was ich sagen kann", so Luthbert Sunjo. Seit einem Jahr studiert der 29-Jährige aus Kamerunin Rom und will katholischer Priester werden. Drei Mal habe er den Papst gesehen, "aber immer auf Distanz". Nun darf er bei der Trauermesse helfen, die Eucharistie auszuteilen. "Ein ganz großer Tag für mich", sagt er.
Der 21-jährige Anthony DiCastro aus Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin studiert Psychologie in Rom. "Ein großer Mann", sagt er. "Er ist in so vielfacher Hinsicht ein Pionier der katholischen Führung." Zuletzt sah DiCastro den Papst an Ostersonntag. "Gerade mal sechs Tage her." Nun kam er mit Freunden zur Abschiedsfeier.
Das sind einige Gesichter und Geschichten aus der großen Menge. Sie ist geprägt von vielen ausgesprochen jungen Gesichtern. Denn eigentlich wollte der Papst an diesem Sonntag mit hunderttausend jungen Leuten einen neuen katholischen Heiligen feiern: Carlo Acutis (1991-2006), einen jungen Italiener, der früh an Leukämie starb und sich so sehr in seinem kurzen Leben für Glauben und heiliges Leben begeisterte.
Die Repräsentanten aus rund 150 Ländern - Staatsoberhäupter, Könige und Politiker - wirken in der Menge lediglich wie eine größere Gruppe vorne neben dem Altar. Im Mittelpunkt steht für die Menschen auf dem Platz dieser Papst, der irgendwie allen gehörte, aber nicht die Prominenz.
Und das, obwohl der Vatikan seit der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. (Pontifikat 1978-2005) nicht mehr so viele Gäste da hatte. Viele Großen der Welt sind da: Antonio Guterres (UN), Donald Trump (USA) und Wolodymyr Selenskyi (Ukraine), Emmanuel Macron (Frankreich) und Ursula von der Leyen (EU), Javier Milei (Argentinien) und Luiz Inácio Lula da Silva(Brasilien), Frank-Walter Steinmeier (Deutschland) und Felix Tshisekedi (Kongo). Trump und Selenskyi reden, wie nach der Feier bekannt wird, sogar miteinander im leeren Petersdom.
Spürbar für alle predigt Giovanni Battista Re. Ihm kommt als derzeitigem Kardinaldekan des Kardinalskollegiums die besondere Rolle zu, den Trauergottesdienst zu leiten. "Er war ein Papst, der mitten unter den Menschen war und für alle ein offenes Herz hatte", würdigt der 91-jährige Re den verstorbenen 88-Jährigen. Zudem sei dieser Papst achtsam gewesen "für das Neue, das in der Gesellschaft aufkam, und für das, was der Heilige Geist in der Kirche weckte".
Das passt den jüngeren Leuten wie den hohen Gästen gleichermaßen. Und gilt gewiss auch den über 150 versammelten Kardinälen, von denen 135 in rund zwei Wochen zur Wahl des nächsten Papstes zusammenkommen. Auch wenn sie jetzt allesamt Franziskus hoch loben und trauern - der ein oder andere der eher sehr konservativen Kardinäle hat ihn still ertragen. Das Rätseln über den Nachfolger hat längst begonnen. Der Kampf darum auch.
Papst Franziskus nahm römisches Bischofsamt ernst
Und da der Papst stets auch der Bischof von Rom ist, lagen ihm die Römer am Herzen. Seit dem 17. März 2013, seinem ersten Sonntag im Amt, schloss Franziskus jedes sonntägliche Mittagsgebet am Petersplatz in italienischer Sprache mit den Worten "Vergesst nicht, für mich zu beten. Guten Sonntag. Und: Guten Appetit." Das gefiel den Römern, ob sie was mit der Kirche zu tun hatten oder nicht.
Vielleicht schwoll auch deshalb seit dem Bekanntwerden der Todesnachricht die mit Franziskus-Wehmut gepaarte Trauer immer mehr an. Während der knapp dreitägigen Aufbahrung des offenen Sarges war der Petersdom schließlich fast rund um die Uhr geöffnet. Etwa 250.000 Menschen warteten bis zu sechs Stunden auf Einlass für einen letzten Blick.
Sehr römisch wird auch der Schlussakkord dieses Tages und damit des irdischen Weges von Papst Franziskus. Als erster Papst seit knapp 150 Jahren wollte er nicht im wie steingewordene Macht wirkenden Petersdom begraben werden und entschied sich für eine andere Kirche: die Basilika Santa Maria Maggiore unweit vom römischen Hauptbahnhof. Ein Gotteshaus mit einer alten Mariendarstellung, die Franziskus sehr am Herzen lag. Über 130 Mal fuhr er hier vorbei, auch vor und nach jeder Auslandsreise.
So startet Minuten nach der Trauermesse aus dem Vatikan ein langer Konvoi durch das sonst pulsierende Herz Roms. Im Mittelpunkt rollt ein umgebautes Papamobil mit dem Sarg. Vorbei an der typisch römischen Mischung aus Kirchen- und Weltgeschichte, durch das Forum Romanum, vorbei am Kolosseum.
Viele zehntausend Menschen stehen am sechs Kilometer langen Fahrweg. Polizisten salutieren. Hunderte halten ihre Smartphones hoch und filmen, andere klatschen. Eine - sieht man vom Helikopter-Lärm ab - ungewohnt leise Stadt.
An Santa Maria Maggiore verschwindet der Sarg bald zur Beisetzung im Gotteshaus. Politiker und offizielle Gäste sind nun nicht mehr dabei, der Kreis bei der eigentlichen Grablegung bleibt klein. Aber einige Obdachlose, ausgegrenzte Menschen und Kinder durften mit hinein, sie lagen dem Papst am Herzen.
An den Absperrungen bleiben Tausende, die gelegentlich klatschen. Ein, zwei Straßen weiter pulsiert hupend und laut römischer Samstagsbetrieb. Irgendjemand bindet ein kleines Plakat an fünf, sechs Luftballons und lässt sie aufsteigen: "Papa Francesco, SANTO SUBITO" - der Wunsch nach einer raschen Heiligsprechung. Gegenüber der Kirche hängt ein auffallendes Transparent: "Grazie, Francesco".
Hier hat nun Franziskus seine ewige Ruhe. Doch mit der Ruhe wird es bald vorbei sein. Dann öffnen wieder täglich um acht Uhr die Türen dieses Gotteshauses. Und der Stadtteil hat eine neue große Attraktion.