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Die Weltfinanzordnung vor einem Neuanfang

Henrik Böhme z.Zt. London2. April 2009

Klare Ansage beim G20-Gipfel von London: Dem Weltfinanzsystem werden Zügel angelegt. Die Zeiten exorbitanter Gewinne sind vorbei. Und den Steueroasen geht es an den Kragen.

Der britische Premierminister Brown vor dem Plakat des G20-Gipfels in London (Foto: AP)
Er durfte die Ergebnisse verkünden: der britische Premier BrownBild: AP

Nach einem langen, harten Winter ist in London der Frühling ausgebrochen. Gleichsam als Symbol für den Weltfinanzgipfel, mit dem die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder den Ausweg aus der tiefgreifenden Krise finden wollen, in der sich die Welt befindet. Seit dem ersten Treffen dieser Art vor gut viereinhalb Monaten in Washington hatten die Unterhändler der Staaten eine lange Liste von Maßnahmen abzuarbeiten. Nun in London mussten die Chefs die letzten Brocken aus dem Weg räumen auf dem Weg hin zu einer neuen Weltfinanzordnung. Das Ziel: Eine Krise, wie sie die Welt derzeit durchmacht, soll sich nicht wiederholen können. Der Weg: mehr Kontrolle, mehr Regulierung, weniger riskante Zockereien auf dem sensiblen Finanzmarkt. Im Abschlussdokument vom Donnerstag (02.04.2009) finden sich nun deutliche Formulierungen und konkrete Pläne, mit denen man dieses Ziel erreichen will.

Kanzlerin sieht "fast historischen" Gipfel

Der britische Premierminister Brown begrüßt Kanzlerin MerkelBild: AP

Zu denen, die auf weitreichende Vereinbarungen gedrängt hatten, gehörte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Entsprechend zufrieden äußerte sich die Kanzlerin nach den Beratungen. Sie, sonst eher zurückhaltend, nannte den Gipfel "fast historisch" und "einen Sieg für die globale Zusammenarbeit". Und es sei zudem ein Sieg der Vernunft, "wie sich Dinge, die uns in eine Krise gestürzt haben, so einfach nicht wiederholen werden".

Merkel verwies darüber hinaus auf die großen Schwellenländer wie China und Indien. Diese - obwohl sie selber gar nicht die Bankenkrise verursacht haben - hätten ebenfalls auf einer neuen Finanzordnung bestanden, "weil es natürlich auch für sie eine Absicherung ist, dass bestimmte Dinge in der Zukunft nicht wieder stattfinden".

Hilfe auch für arme Länder

Die unterschiedlichen politischen Positionen waren schwieriger zu vereinen als ihre Vertreter auf diesem FotoBild: AP

Dabei waren die Staats- und Regierungschefs zu Beginn des Treffens mit zum Teil deutlichen Differenzen in die Verhandlungen gegangen. Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy forderten konkrete Ergebnisse. US-Präsident Obama und Großbritanniens Premier Brown dämpften vorsorglich allzu hohe Erwartungen. Afrikaner und Indonesier mahnten: Vergesst die Armen dieser Welt nicht. Um eben diesen Eindruck zu vermeiden, beschlossen die Gipfelteilnehmer, die gigantische Summe von 1000 Milliarden Dollar zur Ankurbelung des Welthandels und zur Stützung der ärmsten Länder aufzubringen. Damit soll unter anderem der zunehmende Kapitalabfluss aus diesen Ländern gebremst werden.

Jörn Kalinski von der Nichtregierungsorganisation OXFAM sieht in den Ergebnissen des Londoner Gipfels einen "ganz wichtigenSchub auch für die ärmsten Länder." Viel war in den Abschluss-Pressekonferenzen der Staatsführer von einer "neuen Weltordnung" die Rede. "Aber diese neue Weltordnung", so Kalinski, "die muss auch für 192 Länder funktionieren und nicht nur für acht oder für 20."

Riskante Finanzgeschäfte werden reguliert

Harte Zeiten brechen demnächst für Hedgefonds und Rating-Agenturen an. Wenn sie auch nicht die alleinige Ursache für die Krise sind, so sollen sie doch deutlich strenger unter die Lupe genommen werden. Jedes Produkt, von dem eine Gefahr für das Finanzsystem ausgehen kann, soll künftig registriert und unter Aufsicht gestellt werden. Managergehälter sollen sich künftig an langfristigen Zielen und nicht an kurzfristigen Gewinnen orientieren. Hier hat offenbar der Druck von Deutschen und Franzosen bewirkt, dass sich dies in deutlichen Worten in der Abschlusserklärung wiederfindet.

Äthiopische Demonstranten protestieren am Rande des G20-Gipfels gegen die Regierung ihres LandesBild: AP

Ungemütlich wird es in Zukunft auch für Steuerparadiese. Wer bestimmte Standards nicht einhält, der findet sich ab sofort auf einer schwarzen Liste wieder. Den deutschen Finanzminister Peer Steinbrück faszinierte vor allem ein Satz in der Abschlusserklärung. Dort steht auf Englisch: "The era of banking secrecy is over" (Die Ära des Bankgeheimnisses ist vorbei). Steinbrück beinahe euphorisch: "Wenn Sie mich vor wenigen Monaten gefragt hätten, ob G20 zu einem solchen Ergebnis kommt, dann hätte ich Sie gefragt, ob sie träumen."

5.000.000.000.000 Dollar

Kein Thema war auf dem Treffen ein möglicher Streit um neue Konjunkturprogramme. Insgesamt 5000 Milliarden Dollar werden für solche und andere Stimulus-Programme bereit gestellt. Dies dürfte nach einer Schätzung des IWF im kommenden Jahr für einen deutlichen Wachstumsschub ausreichen. Dass dies alles nur mit einem ungehinderten, freien Welthandel funktionieren kann: Auch diese Einsicht findet sich am Ende im Abschluss-Dokument von London wieder. Wie es um die Umsetzung der Pläne bestellt ist, dass will man beim nächsten Treffen der G20 überprüfen - im September in New York.

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