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Not am Nil

Kersten Knipp6. Juli 2013

Politisch hat Ägypten einen neuen Weg eingeschlagen - wirtschaftlich wird sich zunächst wenig ändern. Dafür sind die Probleme des Landes zu groß. Um sie zu lösen, braucht es zunächst eine neue politische Kultur.

Die ägyptische Börse in Kairo, 25.6. 2012 (Foto: GettyImages)
Bild: AFP/Getty Images

Es war der Rausch einer Nacht, die Stunde eines kaum erhofften Triumphs: Der ungeliebte Präsident würde das Land ab sofort nicht mehr regieren, sein für den Geschmack seiner Gegner religiös zu unduldsames Programm hatte ein abruptes Ende genommen. Mursis Gegner hoffen, dass es nun mit dem Land endlich wieder voran.

Aber politisch ist die Zukunft des Landes ungewiss - wirtschaftlich ist sie düster. Zumindest haben die Ägypter eine lange Durststrecke vor sich. Denn ökonomisch waren die vergangenen zweieinhalb Jahre für Ägypten verloren. Schlimmer noch: Das Land hat eine Wegstrecke hinter sich, die nur in eine Richtung wies - nach unten.

Zu großzügige Subventionen

Husni Mubaraks Sturz eröffnete eine Zeit politischer Unsicherheit, in deren Folge ausländische Investoren kaum mehr Geld in Ägypten anlegen wollten. Das Wirtschaftswachstum begann zu straucheln, die Arbeitslosigkeit stieg. Zugleich vergrößerte sich das Heer der Armen von knapp 22 auf über 25 Prozent. Um sie zu unterstützen, erhöhte der Staat die Subventionen, insbesondere für Energie und Nahrungsmittel. Fast 20 Milliarden Dollar - rund ein Drittel des gesamten Staatshaushalts - wendet die Regierung für Energie- und Nahrungshilfen auf. Die sind allerdings nicht auf die ärmsten Schichten des Landes beschränkt, sondern erreichen auch die mittelständischen und wohlhabenden Teile der Bevölkerung.

Anti-Mursi Proteste in AlexandriaBild: picture alliance/AA

Diese Politik wiederum belastete das Staatsbudget: Das Defizit steigt in diesem Jahr auf voraussichtlich 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gleichzeitig verlor der Außenwert des ägyptischen Pfunds. Um seinen Fall aufzuhalten, griff Ägypten auf seine Dollarreserven zurück. Doch diese Strategie ging nur eine Zeitlang auf, erläutert Oliver Masetti, Nordafrika-Analyst der Deutschen Bank. Die Devisenreserven seien massiv zurückgegangen. "Das hat letztes Jahr dann dazu geführt, dass die Zentralbank nicht mehr in der Lage war, den Wechselkurs des Landes einigermaßen konstant zu halten. Dadurch kam es dann zu einer teils sehr starken Abwertung. Insgesamt hat das ägyptische Pfund seit Ende 2012 etwa 15 Prozent an Wert verloren."

Wirtschaftliche Zumutungen

Diese Entwicklung machte sich auch auf dem heimischen Markt bemerkbar: Die Ägypter mussten erleben, dass sie für ihr Geld immer weniger bekamen. Trotz der Subventionen stiegen die Preise insbesondere für Brot, Gas und Benzin. "Genau diese Produkte werden von der ärmeren Bevölkerung in großem Stil konsumiert. Das hat dazu beigetragen, die Unruhen auszulösen, die wir gerade erleben", so Masetti im Gespräch mit der DW. Genau das hatte die Regierung Mursi eigentlich verhindern wollen.

Die Ware des Händlers: für viele schwer erschwinglichBild: Getty Images

Das Thema der Subventionen ist auch ein Grund, warum die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Beistandskredit von 4,8 Milliarden Dollar noch nicht abgeschlossen sind. Der IWF fordert eine Reform der Subventionen, um den Staatshaushalt zu entlasten, dies könnte allerdings zu einer weiteren Erhöhung der Preise für Lebensmittel und Energie führen.

Meister der Verschwendung

Die Abwärtsfahrt konnten auch Beistandskredite befreundeter Länder - allen voran Katars - nicht aufhalten. Da sie zudem nicht mit Reformforderungen verbunden sind, besteht die Gefahr, dass ihre Wirkung versickert. Manche ägyptische Geschäftsleute sehen freundschaftliche Zuwendungen von außen darum nicht ohne Sarkasmus. Sein Land brauche keine Milliarden-Hilfen, erklärt etwa der ägyptische Unternehmer Saleh Diab, geschäftsführender Vorsitzender der überwiegend im Energie- und Landwirtschaftsbereich tätigen PICO-Gruppe und zudem Eigentümer der Tageszeitung "Al masry al youm". "Dollars von außen wären innerhalb eines Monats wieder aufgebraucht, denn wir haben erhebliche Übung darin, Dollars wieder zu verlieren." Solange Ägypten keine klare Vorstellung von der Zukunft habe, seien Finanzhilfen sinnlos. "Was wir brauchen, ist ein Modell, ein Rezept, dem wir folgen können."

Konsumtempel: Kaufhaus in KairoBild: Khaled Desouki/AFP/Getty Images

Ägypten ist also gefordert. Und die Zeit drängt. Derzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei 13 Prozent. Und Jahr für Jahr, erläutert Masetti, strömten in Ägypten mehr Menschen neu auf den Arbeitsmarkt. Allein um die Arbeitslosigkeit konstant zu halten, bräuchte es demnach jährlich 700.000 neue Arbeitsplätze. "Studien zufolge wäre dafür ein Wirtschaftswachstum von ungefähr sieben Prozent pro Jahr nötig. Im Moment rechnen wir aber mit einem Wachstum von gerade mal drei Prozent für das kommende Jahr."

Großes Zukunftspotenzial

Und doch: Ägypten habe Potenzial, meint Masetti. Die Wirtschaft sei diversifiziert, und mit seinen 82 Millionen Einwohnern sei das Land ein interessanter Markt. "Außerdem spricht als weiterer Faktor die strategisch sehr günstige Lage für Ägypten. Das Land besitzt den Suezkanal und liegt an der Schnittstelle zwischen Europa, Afrika und Asien." Dass sich dieses Potenzial entfalten könne, setze natürlich politische Stabilität voraus.

Verkehrsachse zwischen den Kontinenten: der SuezkanalBild: AFP/Getty Images

Ob die neue Regierung Stabilität gewährleisten kann, ist für die Politologin Maha Azzam vom englischen Forschungsinstitut Chatham House allerdings noch nicht ausgemacht. Zwar könne das Militär zunächst den Eindruck erwecken, das Land sei stabiler und sicherer geworden. "Aber unter der Oberfläche werden die Spannungen groß sein. Es wird ein erhebliches Maß an politischer Polarisierung geben, die jederzeit explodieren kann." Vermindern ließen sich diese Spannungen nur durch die politische Befriedung des Landes. Erst wenn die demokratischen Institutionen dauerhaft gesichert wären, kämen auch wieder Investoren ins Land, so Azzam. Bevor es dem Land also wirtschaftlich wieder besser geht, stehen zunächst einmal politische Aufräumarbeiten an.

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