Die Wochen der Heuschrecke
6. Mai 2005Beliebt sind drastische Sprachbilder. Franz Müntefering ist ein solches gelungen. "Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter", hat der SPD-Vorsitzende gesagt, schon vor drei Wochen. Doch der interessante Griff ins Insektenleben hat erst jetzt im politischen Berlin seine volle Wirkung entfaltet. Man könnte sagen, die Heuschrecke ist dieser Tage hier in aller Munde.
"Zum Kotzen"
Bloß weiß man sie, im Unterschied zu Afrika oder Asien, meistens noch nicht als Leckerbissen zu schätzen. Besonders in Kreisen der Wirtschaft ist ein regelrechter Würgereiz zu verzeichnen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt findet "zum Kotzen" was derzeit in Deutschland ablaufe in Sachen Kapitalismuskritik. Wer Investoren mit Schädlingen vergleiche, die ganze Ernten vernichteten, gefährde den Standort Deutschland. Das findet auch der alerte FDP-Chef Guido Westerwelle, der das ungeliebte Insekt mit kräftigem Schlag in Richtung politischer Gegner verscheuchte: Gewerkschaftsfunktionäre seien die wahre Heuschreckenplage der Marktwirtschaft.
Tierschützer
Besorgt hat sich der Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion eingeschaltet und vor Diffamierung gewarnt. Die heimische Heuschrecke habe im Ökosystem eine wichtige Funktion und deute auf intakte Lebensräume hin. Ob er den bekanntermaßen sensiblen Finanzinvestoren damit die Angst nehmen kann, ist ungewiss. Industrieverbandschef Jürgen Thumann fürchtet sich vor einer Rückkehr der SPD zum Klassenkampf im Zeichen des Grünen Heupferds. Eine Warnung, die nicht übertrieben scheint. Eingeweihte wissen schließlich, dass es die Gespenstheuschrecke (lat. Phasmatida), gibt. Und wie beginnt doch gleich das Kommunistische Manifest ...?