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Die Zeit drängt: Bau von LNG-Terminals

Dirk Kaufmann mit Agenturen
28. April 2022

Moskau dreht im Streit über die Bezahlung von Energielieferungen Polen und Bulgarien das Gas ab. Berlin sieht die Versorgung Deutschlands noch gesichert. Die Regierung forciert nun den Ausbau von LNG-Kapazitäten.

Gas Transmission Operator I LNG-Terminal
Bild: Gas Transmission Operator GAZ-SYSTEM S.A.

Nach dem Stopp russischer Gaslieferungen an Polen und Bulgarien sieht die Bundesregierung die Versorgung deutscher Kunden zunächst nicht in Gefahr. "Derzeit ist die Versorgungssicherheit hier gewährleistet", hatte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch mitgeteilt. Die Gasflüsse seien alles in allem stabil.

Wichtigste Verbindung zwischen Russland und Deutschland ist die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, die Polen und Belarus umgeht. Deutschland deckte im vergangenen Jahr 55 Prozent seines Gasbedarfs in Russland und arbeitet mit Eile daran, die Abhängigkeit zu verringern.

LNG-Terminal in Planung in Brunsbüttel (Computeranimation) Bild: German LNG Terminals

Latente Rezessionsgefahr

In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Bundestag vom Mittwoch ist allerdings die Rede von einer "akuten Gefahr, dass die Situation weiter eskaliert und russische Gaslieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen".

Die Bundesregierung will nicht sofort auf Erdgas aus Russland verzichten, weil sie weitreichende Folgen unter anderem für die Wirtschaft befürchtet. Kanzler Olaf Scholz hat mehrfach deutlich gemacht, dass aus Sicht Berlins in einem solchen Fall ganze Industriezweige in Deutschland bedroht seien. Das Wirtschaftsministerium rechnet bei einem Lieferstopp mit einer Rezession.

Russland in absehbarer Zeit aus dem Geschäft

Inzwischen liege der Anteil russischer Lieferungen bei 35 Prozent, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Auch die Speicher füllten sich seit März langsam. Der Netzagentur zufolge sind die Füllstände der Speicher mit dem Frühjahr 2017 vergleichbar und höher als etwa im Frühjahr vergangenen Jahres.

In den Niederlanden gibt es bereits LNG-Terminals - hier verlässt gerade ein Flüssiggastanker den Rotterdamer HafenBild: Lex van Lieshout/ANP/AFP/Getty Images

Nach früheren Angaben soll der Anteil russischen Gases bis zum Jahresende auf etwa 30 Prozent gesenkt werden, vor allem durch den Ankauf von verflüssigtem Erdgas (LNG). Man arbeite mit Hochdruck daran, LNG-Terminals zu errichten, sagte Habeck. Bis Sommer 2024 soll der Anteil auf zehn Prozent zurückgehen.

Flüssiges Gas

Die zentrale Rolle für den Ersatz russischen Pipeline-Gases soll demnach Flüssiggas per Tanker aus anderen Regionen der Erde einnehmen. Wirtschaftsminister Habeck ist bereits unter anderem nach Katar, Dubai und Norwegen gereist, um entsprechende Vereinbarungen zu verhandeln.

Die Bundesregierung setzt auf sogenannte Floating-Terminals. Hierbei bringen - vereinfacht gesagt - Spezialschiffe das Gas vor den Hafen und pumpen es über kurze Leitungen an Land. Die Schiffe selbst können das Flüssiggas bereits wieder in seinen Grund-Zustand versetzen. Deutschland hat sich drei dieser auch weltweit knappen und entsprechend teuren Spezialschiffe gesichert.

Drei Terminals in Planung

Ein Engpass sind jedoch Terminals, mit denen das Gas angelandet und wieder in Gas-Form gebracht werden kann. Die europäischen Kapazitäten sind knapp, Deutschland hat überhaupt kein solches Terminal. Mit staatlicher Hilfe soll nun in Wilhelmshaven und Brunsbüttel je eines innerhalb eines Jahres gebaut werden. Ein drittes in Stade bei Hamburg ist im Gespräch.

Das Projekt in Brunsbüttel unterstützen die staatliche Förderbank KfW, der Essener Energieriese RWE und der niederländische Versorger Gasunie. Für Wilhelmshaven macht sich der Düsseldorfer Kraftwerksbetreiber Uniper stark. Das dritte Projekt in Stade westlich von Hamburg läuft bislang ohne Unterstützung der Bundesregierung. Hier haben sich der belgische Netzbetreiber Fluxys und der Chemiekonzern Dow mit dem Schweizer Finanzinvestor Partners Group sowie dem Hamburger Hafen- und Schiffahrtslogistiker Buss Group zusammengetan.

Drehscheibe Wilhelmshaven

Die ersten Arbeiten für ein Terminal in Wilhelmshaven sollen in der kommenden Woche beginnen. Mit einem ersten Rammschlag soll ein bestehender rund zwei Kilometer langer Anleger nahe dem Tiefseewasserhafen Jade-Weser-Port so ausgebaut werden, dass künftig eine sogenannte FSRU, eine schwimmende Anlande- und Speicherplattform für LNG, dort festmachen kann. Spätestens ab Anfang 2023 soll der LNG-Import über Wilhelmshaven beginnen.

Zum Baubeginn am kommenden Donnerstag wird auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Wilhelmshaven erwartet. Habeck, so das Energieministerium in Hannover, will mit Landesenergieminister Lies (SPD) eine Vereinbarung über die Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) in Wilhelmshaven unterzeichnen.

Schon im kommenden Jahr sollen auch LNG-Schiffe im Wilhelmshavener Jade-Weser-Port entladen werdenBild: picture-alliance/dpa/Ingo Wagner

Darüber hinaus wollen beide Minister eine Absichtserklärung unterzeichnen, Wilhelmshaven "zu einer Drehscheibe für saubere Energie für Deutschland" auszubauen. Damit soll festgehalten werden, dass Wilhelmshaven mit einer landseitigen Infrastruktur für die Anlandung, Verarbeitung und Weiterleitung von grünen Gasen wie etwa Wasserstoff zur Verfügung steht.

Speichern und Sparen

Die Bundesregierung will außerdem das Energie-Sicherheitsgesetz reformieren. Es sieht im Notfall Enteignungen von systemrelevanten Firmen vor. Es erläutert auch genauer, wer nach einem Stopp noch Gas bekommen kann. Dem Gesetzentwurf muss das Parlament noch zustimmen - möglichst noch im Mai, hofft die Bundesregierung. Detaillierte Pläne arbeitet die Bundesnetzagentur aus, sie stellt derzeit umfassende Daten zum Gasverbrauch von Gasnetzbetreibern und Unternehmen zusammen.

Eine wichtige Rolle spielen auch die Speicher. Damit sie anders als vor dem vergangenen Winter gut gefüllt sind, ist ein Speichergesetz bereits beschlossen. Demnach müssen die Speicher Anfang November zu mindestens 90 Prozent gefüllt sein. Sollte ein Speicher dies nicht sein, können die Kapazitäten notfalls vom Staat enteignet und indirekt befüllt werden.

Wirtschaftsminister Habeck dringt zusätzlich auf mehr Einsparungen beim Gas-Verbrauch. Durch die hohen Preise ist hier allerdings das kurzfristige Potenzial schon weitgehend ausgeschöpft. Kohlekraftwerke sollen - obwohl klimaschädlicher - zunächst verstärkt Gaskraftwerke ersetzen. Zudem soll der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt und Gebäude verstärkt über elektrische Wärmpumpen beheizt werden. Diese Vorhaben brauchen allerdings Zeit, um ihre Wirkung entfalten zu können.

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