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Politik

Die zerstörten Träume von Simbabwe

Privilege Musvanhiri ehl
17. April 2020

Die Zeremonie zum 40. Jahrestag der Unabhängigkeit fällt Corona zum Opfer - aber nach Feiern ist in Simbabwe sowieso fast niemandem zumute. Das Land ächzt unter der Wirtschaftskrise, dabei hätte es so viel Potenzial.

Zimbabwe | Emmerson Mnangagwa | Eternal Flame of Freedom
Archivbild: Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa bei den Unabhängigkeitsfeierlichkeiten 2018Bild: Getty Images/AFP/J. Njikizana

Was ihre Unabhängigkeit eigentlich wert ist, wissen viele Simbabwer heute nicht mehr so genau. Am 18. April sind es 40 Jahre, seitdem Großbritannien seine damalige Kolonie Rhodesien in die Selbstverwaltung entließ. Heute finden nicht wenige, die Verheißungen der Unabhängigkeit hätten sich nicht erfüllt: Die Befreier von damals hätten sich mehr und mehr selbst zu Unterdrückern gewandelt.

In diesem Jahr hätten die Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit erstmals nicht in der Hauptstadt Harare stattfinden sollen, sondern in der zweitgrößten Stadt Bulawayo. Wegen der Corona-Pandemie wurden sie letztlich abgesagt.

Gut gestartet

Ganz in der Nähe von Bulawayo befindet sich in einem Nationalpark das Grab von Cecil Rhodes, einem britischen Kolonialunternehmer, der in einem dubiosen Handel mit einem lokalen Chief einig wurde. Damit läutete er die von 1888 bis 1980 andauernde Periode weißer Fremdherrschaft ein und gab der britischen Kronkolonie sogar seinen Namen: Rhodesien. Als Mitte des 20. Jahrhunderts viele Kolonien unabhängig wurden, nahm in Rhodesien die Unterdrückung durch die weiße Regierung unter Ian Smith noch zu. Es folgte ein zäher Bürgerkrieg, in dem schwarze Milizen schließlich die Oberhand gewannen und das Ende der letzten britischen Kolonie Afrikas besiegelten.

Das "Grab des unbekannten Soldaten" steht für all die, die während des Unabhängigkeitskampfes gestorben sindBild: DW/P. Musvanhiri

Simbabwes Unabhängigkeit weckte große Hoffnungen bei der schwarzen Mehrheit. In den ersten Jahren danach ging es wirtschaftlich bergauf, und es schien, als würde sich Simbabwe hin zu politischer Toleranz, zu einer liberalen Demokratie mit Werten wie Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung entwickeln. Im Ausland genoss Simbabwes erster Premierminister und späterer Präsident Robert Mugabe einen guten Ruf, er galt einigen als Gegenentwurf zum Apartheidsregime im benachbarten Südafrika. Mugabe wurde für Wirtschaftswachstum, ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem gelobt, aber über die Jahre wandelte sich das Bild.

Ein Regime verewigt sich

Schon Mitte der 1980er-Jahre verübten Mugabes Truppen Massaker an der Zivilbevölkerung rund um die Heimat seines politischen Rivalen Joshua Nkomo. In einer hektisch durchgeführten und gewaltsamen Landreform um die Jahrtausendwende vertrieb er Tausende weiße Farmer und zerstörte die Produktivität einer bis dahin florierenden Branche. Je älter Mugabe wurde, desto offener agierte er als ruchloser Diktator. Viele sagen, am schlimmsten sei die Gewalt 2008 gewesen, als Mugabes Partei Zanu-PF inmitten einer Wirtschaftskrise offensichtlich die Wahl verlor: Nach wochenlanger Gewalt im ganzen Land ließ der eigentliche Wahlsieger Morgan Tsvangirai sich auf eine von Mugabe geführte Einheitsregierung ein.

Mugabe hielt an der Macht fest, solange es ging - erst 2017 musste er 93-jährig zusehen, wie das Militär ihn entmachtete. Für kurze Zeit hoffte die Bevölkerung, dass sein Nachfolger Emmerson Mnangagwa den Abwärtstrend des Landes stoppen würde, doch die wirtschaftlichen Probleme und auch Repressionen gegen Kritiker weiteten sich aus. Auch deshalb bleiben die nach der Landreform verhängten westlichen Sanktionen gegen einzelne simbabwische Politiker und Unternehmen nach wie vor bestehen.

Wirtschaft in Not, Bürger ohne Hoffnung - Regierung zufrieden

Heute leidet Simbabwe unter der schlimmsten Wirtschaftskrise der jüngeren Vergangenheit. Zur jahrelangen Misswirtschaft kommt eine Dürre hinzu, für viele Bürger sind Essen, Wasser und Energie kaum aufzutreiben. "Die Regierung hat sich nicht zuständig gefühlt, bestimmte Fehler zu korrigieren", sagt der politische Analyst Alexander Rusero der DW. "Man kann nicht von Unabhängigkeit sprechen, wenn sie nicht über eine Nationalhymne und eine Flagge hinausgeht. Es gibt keine gleichwertigen Zugänge zu den nationalen Ressourcen."

Lange Warteschlangen für frisches Trinkwasser: Selbst die Grundversorgung ist ein täglicher KampfBild: DW/P. Musvanhiri

Für die Regierungsparty Zanu-PF, die seit 40 Jahren ununterbrochen an der Macht ist, genügt die Freiheit von den Kolonialherrschern als Grund, das Jubiläum zu feiern. Im DW-Interview sagt der Sprecher der Zanu-PF, Tafadzwa Mugwadi: "Das Land hat in den vergangenen 40 Jahren viele Bedrohungen von außen überstanden. Es gab viele internationale Probleme, aber es ist ein Sieg, dass wir uns gegen alle äußeren und inneren Bedrohungen behauptet haben - das macht das 40. Jubiläum denkwürdig."

Simbabwes Generationenkonflikt

Die einstigen Helden der Befreiung erhalten sich bis heute ein Anspruchsdenken auf die Herrschaft im Land - Kritiker sagen, gegen genau dieses Anspruchsdenken hätten sie einst gekämpft, als die  Kolonialherren noch an der Macht waren. Viele Jüngere, die in einem unabhängigen Simbabwe groß geworden sind, sagen, die Alten verhinderten den Fortschritt im Land.

Auf der einen Seite des Generationenkonflikts steht die alte Garde, die, wie Analyst Rusero es ausdrückt, "eine Art von Überlegenheit und Heldentum verspürt angesichts ihrer Taten im Befreiungskampf". Auf der anderen Seite stehen die Jüngeren: "Jemand, der 1980 geboren wurde, hat bis zu seinem 40. Geburtstag vergeblich auf die Annehmlichkeiten des modernen Lebens gewartet", sagt Rusero.

Aus Sicht der Opposition trägt das Anspruchsdenken der alten Generation zu Streitigkeiten rund um die Wahlen bei, bei denen Zanu-PF notorisch vorgeworfen wird, die Ergebnisse zu manipulieren. Der Vorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei MDC, Nelson Chamisa, schrieb anlässlich des Jahrestags, es handele sich um einen "Traum, der von den Schmerzen der Tyrannei, Gewalt, Korruption und geraubten Wahlen zerstört wurde".

Nach vorne blicken

Viele von Simbabwes Bürgern glauben, die Probleme des Landes lägen weniger an den Machthabenden als am System. Anstatt das Unterdrückungsregime ihrer Vorgänger zu perfektionieren, müssten sie etwas daran ändern. "Das Land muss geheilt und geeint werden", sagt der 30-jährige Digitalentwicker Alexander Gusha. "Es gibt viel Spaltung, die die Einheit der Nation untergräbt. Wir müssen an die zukünftigen Generationen denken und Egoismen überwinden."

Jahrzehnte hielt sich die ZANU PF an der Macht - die Opposition beklagte WahlbetrugBild: DW/P. Musvanhiri

Vielleicht liegt in der tiefen Krise, in der sich das Land 40 Jahre nach seiner Unabhängigkeit befindet, auch eine Chance zum Neuanfang: "Der Befreiungskampf hatte freie, faire und glaubwürdige Wahlen zum Ziel", sagt Ostallos Siziba, der sich in der Oppositionspartei MDC um die Parteijugend kümmert. "Eine Generation junger, technologieaffiner Leute kann die Entwicklung des Landes voranbringen. Wir würdigen die Leistungen der Befreier, aber man kann nicht in zwei Epochen ein Held sein", sagt Siziba im Gespräch mit der DW.

Versöhnung und die Aussprache über Ungerechtigkeiten der Vergangenheit könnte Simbabwe nach vorne bringen und die Träume der jungen Generationen in greifbare Nähe rücken. Das Land hat großes Potenzial, wenn seine Ressourcen zum Wohl aller Simbabwer eingesetzt werden.

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