Die Zukunft des Segelsports?
26. September 2013Der America's Cup ist zu Ende - und nachdem er zunächst zu einem Großereignis irgendwo zwischen Langweiler und Farce zu werden schien, ist er durch die Art und Weise, wie der Titelverteidiger Team Oracle sich in die Konkurrenz zurückgekämpft hat, doch noch zu einem hoch spektakulären Wettbewerb geworden. Danach sah es lange Zeit nicht aus - ganz im Gegenteil.
Ellison verprellt die Konkurrenz
Zwei Jahre lang hatte Oracle-Eigner und Multi-Milliardär Larry Ellison die Geduld seiner Konkurrenten und die der Segelfans auf eine harte Probe gestellt. Der US-Amerikaner veränderte den traditionsreichen Wettbewerb nach seinen Vorstellungen und schreckte dabei vor keinem Mittel zurück: Seine Gegner zog er in langwierige Gerichtsprozesse, die Regeln veränderte er so, dass es sich kaum noch ein Konkurrent leisten konnte, überhaupt am America's Cup teilzunehmen. Schließlich blieben mit Italien, Schweden und Neuseeland nur drei Herausforderer für die Qualifikationsrennen übrig. Im Mai überschattete der Tod des britischen Seglers Andrew Simpson, der bei einem Trainingsunfall des schwedischen Bootes ums Leben kam, den Wettbewerb. Das schwedische Boot fiel wochenlang aus. Wegen technischer Probleme und Startboykotts fuhr bei den Qualifikations-Wettfahrten oft nur ein einsames Schiff durchs Wasser.
Für einen weiteren negativen Höhepunkt sorgten ausgerechnet die US-Amerikaner selbst: Bei den Vorrennen beschwerten sie ihr Schiff mit Blei, um es schneller zu machen. Die Wettkampf-Jury belegte den Titelverteidiger mit einer Geldstrafe von 250.000 US-Dollar und der Sperre von drei Oracle-Team-Mitgliedern. Außerdem musste die Crew mit zwei Minuspunkten in die Best-of-17-Serie gegen das Herausforderer-Team New Zealand starten. Der America's Cup war zur Farce geworden.
Zu wenig Wind kostet Gesamtsieg
Bei den für das Finale zugelassenen Booten hatte sich Ellison auf die Bootsklasse "AC72" festgelegt: Hightech-Katamarane, auf messerscharfen Rümpfen, 22 Meter lang und 14 Meter breit mit einem starren, 40 Meter hohen Flügel als Hauptsegel, ein Bauteil größer als die Tragfläche einer Boeing 727. Mit klassischem Segeln, so die Stimmen vieler Kritiker, habe das nichts mehr zu tun.
"Ich denke, wir sind dichter am Fliegen als am Segeln", sagte Deutschlands erfolgreichster Segler Jochen Schümann im DW-Interview. "Wenn das Boot schnell genug wird, hebt es aus dem Wasser ab, es verbleiben nur noch die Flügel im Wasser, der Rest des Bootes fliegt." Ausgerechnet Ellisons Team kam mit dem riesigen Boot zunächst nicht gut zurecht. Das Team New Zealand um Skipper Dean Barker gewann Wettfahrt um Wettfahrt und führte bald scheinbar uneinholbar mit 8:1. Sieben Matchpunkte für den Herausforderer, der mit viel kleinerem Budget in den Cup gestartet war - Oracle und Ellison schienen geschlagen.
Dass aus dem Langweiler in der Bucht vor San Francisco dann wider Erwarten doch noch ein echter Thriller wurde, war aus Ellisons Sicht betrachtet reines Glück. Nachdem zuvor zwei Renntage wegen zu starken Windes abgesagt werden mussten, führte das Team New Zealand bei der nächsten Wettfahrt mit großem Vorsprung und musste nur noch ins Ziel segeln, um den Cup mit nach Hause nehmen zu dürfen. Allerdings spielte der Wind erneut nicht mit: Er blies zu schwach. Die "Kiwis" überquerten die Ziellinie erst, nachdem das Zeitlimit von 40 Minuten abgelaufen war. Das Rennen wurde annulliert, Oracle war wieder im Wettbewerb und witterte Morgenluft. Den Neuseeländern dagegen zog der verpasste Sieg den Zahn.
Glücksgriff Ben Ainslie
Es folgte eine beispiellose Aufholjagd der US-Amerikaner, angeführt von ihrem australischen Skipper Jimmy Spithill und Taktiker Ben Ainslie. Der 36-jährige Ainslie war das Gehirn hinter dem spektakulären Comeback im Showdown mit Herausforderer Team New Zealand. Der Engländer ist viermaliger Olympiasieger, holte elf WM-Titel und gilt als einer der besten Segler der Geschichte. In der Szene wird er nur "Big Ben" oder "King Ben" gerufen.
Die unglaubliche Aufholjagd und der Sieg beim 34. America's Cup sind nun die Krönung seiner erfolgreichen Laufbahn. Seit der Engländer den US-Amerikaner John Kostecki als Taktiker abgelöst hat, fuhr das Team fast nur noch Siege ein und schaffte es, die Rennserie zu drehen. Aus einem 1:8-Rückstand wurde doch noch ein 9:8-Cup-Sieg.
Kein zurück
Der America's Cup ist zu Ende - und steht nun wieder vor einer ungewissen Zukunft. Oracle-Eigner Ellison muss bis zur Ausschreibung des 35. Cups beweisen, dass er aus den Fehlern der 34. Ausgabe gelernt hat. Mit einer Rückkehr zum klassischen Segeln, mit einrumpfigen Yachten, wie es viele Segel-Traditionalisten bevorzugten, ist allerdings kaum zu rechnen. "Ob das richtiges Segeln ist, ist fragwürdig", sagte Schümann der DW und ließ dabei durchklingen, was er sich für die Zukunft des America's Cups wünschen würde. "Ich denke, normales Segeln findet mit weichen Segeln statt, die man setzen und bergen kann und wo manches ein bisschen langsam geschieht. Ob Geschwindigkeit das ultimative Charakteristikum ist für das Segeln, stelle ich mal infrage."
Doch trotz aller Kritik und aller negativen Zwischenfälle muss sich Ellison bestätigt sehen. Unter dem Strich hat er es geschafft, eine begeisternde Match-Race-Serie auf AC72-Katamaranen zu organisieren. "Das ist die Zukunft des Segelsports", sagte der österreichische Segel-Olympiasieger Hans-Peter Steinacher im Fernsehinterview bei "ServusTV". "Ich glaube nicht, dass man diese Entwicklung noch einmal zurückdrehen kann." Das sieht auch Ellison so: "Diese Regatta hat das Segeln für immer verändert", sagte er. "Es war ein atemberaubendes Spektakel auf dem Wasser. Viele Menschen haben sich nicht für Segeln interessiert - doch sie tun es jetzt."
Große Bühne
Nach seinem Triumph deutete der Software-Unternehmer an, dass er nicht unbedingt an den Regeln und Rahmenbedingungen des 34. America's Cups festhalten wolle: "Wir werden uns zusammensetzen und darüber sprechen, welche Boote wir einsetzen werden, um voranzukommen", sagte er und räumte gleichzeitig ein: "Es ist kein Geheimnis, dass die Boote teuer sind und dass wir sehr gerne nächstes Mal mehr Länder dabei hätten. Wir müssen sehen, wie wir es hinkriegen, dass die Boote so spektakulär bleiben, aber mehr Teams dabei sind."
Vielleicht wird es für Ellison aber gar nicht so schwierig werden, Gegner zu finden. Die futuristischen Segel-Ungetüme, die mit über 80 Stundenkilometern über das Wasser rasen und dabei das Wasser nur noch mit ihren Flügeln, den Foils berühren, haben spektakuläre Bilder auf einer großen Bühne erzeugt. Davon wollen in Zukunft mit Sicherheit auch andere profitieren. Die Büchse der Pandora ist geöffnet.