1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Zukunft, die Roboter und... wir?

Malte Rohwer-Kahlmann
23. März 2017

Schöne neue Welt. Auf Messen wie der Cebit ist die Begeisterung für künstliche Intelligenz groß. Aber was sagen die Leute hier dazu, dass Roboter unsere Jobs klauen? Malte Rohwer-Kahlmann will das herausfinden.

Deutschland Messe Cebit in Hannover Hiroshi Ishiguro
Bild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

"Was meinst du, bin ich ein Roboter oder nicht?", sagt er und schaut mich an. Die glänzend-toupierten Haare. Die leicht gebräunte, fast zu makellose Haut. Der starre Blick hinter den leicht getönten Brillengläsern. Die Details springen mich plötzlich an. Zwölf Minuten und 58 Sekunden habe ich schon mit Hiroshi Ishiguro geredet, ohne einen einzigen Zweifel an seiner Menschlichkeit. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Hat mich eine Maschine reingelegt?

Künstliche Intelligenz umgibt uns bereits überall. Wir reden mit Smartphones, vertrauen dem Navi blind und lassen Facebooks Algorithmus Nachrichten für uns auswählen. Aber noch größere Veränderungen rollen heran, das zeigt sich besonders auf Tech-Messen wie der Cebit in Hannover. Die hier ausgestellten Neuheiten werden den Alltag, die Gesellschaft und die Wirtschaft neu ordnen. Versprechen von "höherer Produktivität" und "niedrigeren Kosten" schwirren durch die Messehallen. Die Zukunft ist jetzt.

Der weltweite Markt für kognitive Technologien wird wachsen, von 980 Millionen Euro auf 13 Milliarden Euro bis 2020, prophezeit der IT-Branchenverband Bitkom. Aber es gibt auch eine Kehrseite. Der technologische Fortschritt wird Jobs kosten. In der Produktion ist das bereits geschehen. Als nächstes soll künstliche Intelligenz in der Verwaltung und Dienstleistung zum Einsatz kommen. Mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze werden laut Schätzungen des World Economic Forum bis 2020 in den Industrienationen verloren gehen. Kümmert das die Technikbegeisterten auf der Cebit?

Rockstar der Robotik: Hiroshi Ishiguro hat sich seinen eigenen Zwilling gebautBild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

Hiroshi Ishiguro sieht, dass seine Frage mich verwirt. Er lacht. Nun bin ich sicher, dass es wirklich er ist, der mir gegenüber sitzt - und nicht sein Roboter-Zwilling, der ihn berühmt gemacht hat. Ishiguro glaubt fest daran, dass die Robotik unser Leben verbessern wird. Und er glaubt, dass Roboter aussehen sollten wie Menschen. So sei es natürlicher, mit ihnen zu interagieren.

Der 53-Jährige forscht an der Universität Osaka, in Japan, und entwickelt dort vor allem Androiden, menschenähnliche Roboter. In seinem Heimatland sind Roboter schon Normalität. In seinem Cebit-Vortrag erzählt Ishiguro von androiden Schauspielern, die "Herz und Verstand" der menschlichen Zuschauer berührt hätten und androiden Verkäufern, die mehr Umsatz machten als ihre menschlichen Vorbilder. Dies sind keine Fantasien. All das gibt es bereits. Ishiguro träumt von einer Roboter-Gesellschaft, in der Menschen und Roboter Seite an Seite, nun ja, leben. Irgendwann, so sagt er, werde es womöglich keinen Unterschied zwischen den beiden mehr geben.

Als wir nach seinem Vortrag reden, scheint er mich und die anderen Journalisten für seine Ideen begeistern zu wollen. Er pocht auf den Tisch, spricht eindringlich und bestimmt. Roboter seien die beste Lösung, um dem Altern der japanischen Gesellschaft entgegenzuwirken. Aber würden Leute, die dadurch ihren Job verlieren, auch einen neuen finden? "Natürlich", sagt Ishiguro. "Wir können die Produktivität immer weiter erhöhen, weil wir Technologie haben, wir haben Roboter. Und die Menschen können mehr Freiheit genießen."

Niedlicher Jobkiller: Service-Roboter Pepper ersetzt viele DienstleistungstätigkeitenBild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

"Ich muss über ein paar Sachen nachdenken", sage ich Ishiguro nach unserem Interview. Und meine es auch. Er hat während seines Vortrags ein Video von einer Unterhaltung zwischen zwei Robotern und einem Menschen gezeigt. Die Szenen erinnerten mich an Science-Fiction-Filme aus Hollywood von vor etwa zehn Jahren. Ich bekam Gänsehaut. Ishiguros Vision einer schönen neuen Welt erscheint mir bizarr - und faszinierend zugleich.

Ich will jetzt wissen, wie sich die Zukunft anfühlt. Deswegen treffe ich mich mit Pepper, einem Service-Roboter, der Preisauskünfte oder Wegbeschreibungen geben kann. Pepper ist klein, hat runde Augen und ein ewiges Grinsen im Gesicht. Er - oder sie oder es - soll niedlich wirken.

Das Gespräch ist etwas zäh. Die Spracherkennung funktioniert oft nicht richtig und die auf diesem Pepper installierte Software lässt eine freie Unterhaltung kaum zu.

Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Aber dann macht Pepper mir einen Kaffee, nachdem ich ihn darum bitte. Und dann erzählt er mir einen schmutzigen Witz und fängt an zu kichern, was auch mich zum Lachen bringt. Da ist es. Ein Roboter ist mir sympathisch. Ich fühle mich verbunden mit, so komisch es klingt, einer Maschine. Die Gestik, wie er einen von unten anguckt - leicht vergisst man, dass Pepper nichts weiter ist als Plastik, Computerchips und binäre Zahlenfolgen.

Ein Jobfresser ist er aber auch. In Japan, unter anderem, ist er bereits weit verbreitet und auch in Europa zeigt er sich langsam. Eine Kreuzfahrtgesellschaft setzt Pepper schon auf ihren Schiffen ein; die Deutsche Bahn will ihn zur Fahrplanauskunft an Bahnhöfen aufstellen. Menschen werden dadurch überflüssig.

Busse ohne Lenkräder

Autonome Fahrzeuge können denselben Effekt haben. Auf der Cebit transportieren zwei selbstfahrende Busse pausenlos Besucher durch eine große Messehalle - ohne Fahrer. Durchs schweizerische Sitten fahren sie zum Test bereits regelmäßig.

Beim Einsteigen lerne ich eine Gruppe junger Informatik-Studenten kennen. Genau wie ich waren sie vorher noch nie in einem autonomen Fahrzeug. Nach der kurzen Fahrt sind sie begeistert. "Es fühlt sich schon ziemlich echt an, so als würde jemand einfach normal fahren", sagt einer. Und was ist mit den Busfahrerjobs? "Es ist ja in jedem Bereich so, dass man sagt: 'Roboter nehmen die Jobs weg.' Aber ich glaube die verlagern sich dann einfach nur", meint ein anderer. Aber stimmt das?

Hereinspaziert, nur der Fahrer bleibt draußen: Die Busse der Schweizer Post fahren komplett eigenständigBild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

Wolfgang Maaß, Professor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken, ist skeptisch. Der technologische Fortschritt schaffe neue Jobs, ja. Jedoch höchstwahrscheinlich nicht genug, um alle wegfallenden zu ersetzen. "Es wird Jobs im Routinebereich geben - Sachbearbeiter-Tätigkeiten, die man als Lebensaufgabe gesehen hat - die in Zukunft komplett automatisiert sein werden", sagt er.

Der Satz macht mich nachdenklich. Jobs sind mehr als nur Jobs. Sie stiften auch Sinn, geben Halt. "Es gibt keine einfache Antwort dafür", sagt Maaß. Um Arbeitslosigkeit und Frustration vorzubeugen, sei es wichtig, die Schulbildung fächerübergreifender zu gestalten. Und man müsse Leute aktiv dabei unterstützen, in neue Berufe zu finden. Einen Weg zurück gebe es aber nicht. "Die Menschheit konnte das Feuer nicht aufhalten. Wir konnten die Dampfmaschine nicht aufhalten. Genauso wenig können wir den Computer und die Digitalisierung aufhalten."

Mensch gegen Maschine?

Mit gemischten Gefühlen endet mein Tag auf der Cebit. Klar, vieles hat mich begeistert. Es ist beeindruckend, was Technologie möglich macht und wie sie unser Leben vereinfacht. Gleichzeitig macht es mir Sorgen, was das mit unserer Gesellschaft macht. Millionen Menschen - ersetzt von Maschinen, überflüssig gemacht und ohne Sinn. In meinem Hinterkopf spukt das Klischee einer Dystopie, in der die Roboter über die Menschen regieren - natürlich wegen meines Gesprächs mit Ishiguro.

Und dann erinnere ich mich: Ich habe ihn gefragt, ob ich mich vor den Robotern fürchten müsse. Ich höre unser Interview noch einmal an, um seine Antwort zu finden. "Ganz wie du willst", hat er gesagt. "Ganz wie du willst."

Roboter für den Alltag auf der CeBIT

01:56

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen