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Politik

Dienstreise im Zeichen der Flüchtlingshilfe

20. Juni 2018

Jordanien und der Libanon haben den höchsten Pro-Kopf-Anteil an Flüchtlingen weltweit. Beim Besuch von Kanzlerin Merkel wird die Flüchtlingshilfe das zentrale Thema sein. Beide Länder verfolgen unterschiedliche Ansätze.

Jordanien | Angele Merkel zu Besuch in Amman
Bild: Getty Images/AFP/A. Abdo

Diskussionen mit Studenten in Jordanien, mit Schülern im Libanon und Gespräche mit dem jordanischen König Abdullah II. und dem libanesischen Präsidenten Saad Hariri - nur ein paar Programmpunkte von Angela Merkels zweitägiger Reise in beide Länder. Neben Bildung, Investitionen und Forschung wird sich ein Thema wohl wie ein roter Faden durch Merkels Dienstreise ziehen: die Flüchtlingsfrage.

Beide Länder tragen seit dem Bürgerkrieg in Syrien eine große Last. Die politisch weitgehend stabilen Länder haben viele Menschen aufgenommen. So ist laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Libanon mittlerweile jeder sechste Einwohner ein syrischer Flüchtling, in Jordanien jeder Elfte. In absoluten Zahlen bedeutet das: Im Libanon leben - je nach Schätzung - zwischen einer und 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. In Jordanien waren es laut UNHCR im vergangenen Jahr fast 700.000 Syrer.

Man kennt sich: König Abdullah II. bei einem Besuch in Berlin (2016)Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Die Flüchtlinge gelten in beiden Ländern als eines der zentralen Probleme", sagt Bente Scheller, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut. Beide Länder fühlten sich alleine gelassen, diese Herausforderungen zu bewältigen. "Das werden sie mit der Kanzlerin thematisieren", vermutet Scheller.

Zwei Länder, zwei Ansätze

Während die Flüchtlinge in Jordanien zum größten Teil in großen Lagern untergebracht werden, gibt es solche Zeltstädte offiziell im Libanon nicht. "Es gibt nur informelle Ansiedlungen, das sind häufig selbst gebaute Zelte oder die Flüchtlinge kommen in Bauruinen unter - irgendwo, wo sie ein Plätzchen finden und deshalb sehr wenig Sicherheit haben", sagt Scheller. Während in Jordanien die Versorgung von Flüchtlingen deshalb weitestgehend zentral koordiniert vonstatten geht, gestalte sich das im Libanon schwieriger. Dennoch kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auch die Lage der Flüchtlinge an der syrisch-jordanischen Grenze als "katastrophal". Es fehle an Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Unterkünften.

Jordaniens größtes Flüchtlingslager Zatari Bild: picture-alliance/dpa/J. Nasrallah

Im Libanon leben nach UN-Angaben rund drei Viertel der Haushalte syrischer Flüchtlinge unterhalb der Armutsgrenze, mehr als die Hälfte ist in überfüllten Gebäuden und extrem dicht besiedelten Stadtvierteln untergebracht. Auch hat der Libanon die internationale Flüchtlingskonvention nicht anerkannt. Das sorge dafür, dass Flüchtlinge im Libanon in einer prekären Situation lebten, sagt Scheller. Seit 2016 habe die libanesische Regierung dem UNHCR auch untersagt, Flüchtlinge zu registrieren. Erst vor kurzem sorgte der libanesische Außenminister für Aufruhr, als er sagte, er wolle die Visa für UNHCR-Mitarbeiter nicht verlängern. Das sei ein klares politisches Signal des libanesischen Staates gewesen, analysiert Scheller. "Sie werden auf Dauer die Flüchtlingspräsenz nicht hinnehmen, sie wollen mehr Unterstützung und eine Lösung dafür", sagt die Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung.

Arbeit mit Hindernissen

In Jordanien können sich Flüchtlinge mittlerweile für einen Job in bestimmten Bereichen bewerben. Dafür hat sich auch die deutsche Außenpolitik eingesetzt. Dennoch gibt es seitdem Kritik, daran, dass die oft besser ausgebildeten und auf jeden Fall billigeren Syrer den Jordaniern die Arbeit wegnähmen.

Ähnlich ist die Situation auch im Libanon. Hier arbeiteten viele Flüchtlinge illegal, weil die Versorgung durch die Vereinten Nationen nicht ausreiche, um sich über Wasser zu halten, berichtet Scheller. "Es sind häufig Jobs, die keiner machen möchte: Müllabfuhr, Putzkräfte. In diesem Bereich findet ein Verdrängungsprozess statt." Menschen, die schon vor dem Bürgerkrieg in Syrien sehr arm gewesen seien, würden noch tiefer in die Armut gedrückt. Amnesty International beobachtet eine "zunehmend feindselige und fremdenfeindliche Stimmung" im Land gegenüber den Flüchtlingen. Wenn man sich aber die Dimensionen der Migration in die beiden Länder ansehe, "finde ich es beachtlich, dass es sehr wenige Ausschreitungen gibt", fasst Scheller zusammen.

Deutsche Hilfen gefragt

Seit dem Syrienkrieg ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte bilaterale Geldgeber in beiden Ländern. Zwischen 2012 und 2017 wurden für Jordanien insgesamt 1,8 Milliarden Euro bereitgestellt. Für den Libanon waren es im Syrien-Kontext insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro.

Vor allem im Bildungsbereich sei auch viel geschehen, berichtet Bente Scheller. "Kinder bekommen viel häufiger Schulunterricht. Das war in den ersten Jahren nicht so, weil die Idee war: Sie können schnell wieder zurückgehen." Insgesamt sei es aber immer schwieriger, Geld für die Flüchtlingshilfe aufzutreiben. Nach Jahren des Konflikts gebe es eine Art "Spendenmüdigkeit", sagt Scheller. Deutschland gehört zu den zuverlässigsten Geldgebern, heißt es beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Dennoch warnt die Organisation regelmäßig, dass die Gelder immer knapper würden. Pro Kopf erhielten Flüchtlinge vom Welternährungsprogramm monatlich zwischen 25 Euro in Jordanien und 22 Euro im Libanon.

Bente Scheller, seit 2012 Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in BeirutBild: Stephan Röhl

Bei Merkels Gesprächen mit Politikern wird es deshalb wohl auch darum gehen zu klären, was Deutschland noch bereit ist zu investieren. Denn je schwieriger die Situation für Flüchtlinge ist, desto vernünftiger könnte es einem Syrer erscheinen weiterzuziehen, sagt Scheller. Es sei aber wichtig, darauf hinzuweisen: "Jordanien liegt geografisch in einer nachteilhaften geografischen Position und aus dem Libanon kommen keine Boote". Die Flüchtlinge kämen über die Türkei.

Deutschland müsse dennoch ein großes Interesse daran haben, dass die beiden Staaten weiterhin politisch weitestgehend stabil blieben, betont Scheller. Deshalb sollte es im deutschen Interesse liegen, die Staaten, "die all das stemmen, weitestgehend zu unterstützen". Denn sollte sich etwas an der Stabilität ändern, dann würden sich "viele Fragen ganz neu stellen."

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