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Diese Viren könnten die nächste Pandemie auslösen

Gudrun Heise
14. Juni 2024

In den USA breitet sich die Vogelgrippe unter Rindern aus, es gibt eine neue Coronavirus-Variante - aber besteht tatsächlich Grund zur Sorge? Internationale Experten analysieren, welche Viren Pandemiepotenzial haben.

Grippevirus
Das Grippevirus ist eines der gefährlichsten VirenBild: Novartis Vaccines

An der Spitze der Viren, die Potenzial für eine neuerliche Pandemie haben, stehen Influenza-Viren, so das Ergebnis einer internationalen Studie. 79 Prozent der für die Studie befragten Experten stuften sie als die Erreger ein, die am besorgniserregendsten sind.

Grundlage für die Studie war eine Liste von Erregern, die im "Aktionsplan für Forschung und Entwicklung (F&E) zur Verhütung von Epidemien" der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen. Dieser Plan konzentriert sich auf die wichtigsten Infektionskrankheiten und diente als Grundlage für die Studie.

Die Hauptfaktoren für die Einschätzungen der Experten: "Wie wird die Krankheit übertragen? Wie ist die Prävalenz? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Wie ist das evolutionäre Potenzial?" fasst Hauptautor Jon Salmanton-García von der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Köln zusammen.

Insgesamt wurden 187 Antworten aus 57 Ländern abgegeben und ausgewertet. Erschienen ist die Studie im Fachmagazin "Science Direct". Hinter der Untersuchung steckt "Vaccelerate", ein von der EU finanziertes Netzwerk von etwa 500 klinischen Versuchsstandorten. Sie sollen zukünftigen Pandemien vorbeugen und die Impfstoffentwicklung optimieren.

Übertragungswege sind entscheidend

Mehr als 500 Millionen Menschen infizieren sich weltweit jedes Jahr mit dem Influenza-Virus. Zwischen 290.000 und 650.000 Personen sterben daran, so die Schätzungen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und der WHO

Grippeviren werden durch Tröpfcheninfektion übertragenBild: picture-alliance/dpa/PA/Jordan

Die Viren verbreiten sich durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, etwa beim Niesen, beim Husten oder auch beim Sprechen. Die Symptome reichen von einer laufenden Nase über starken Husten bis hin zu Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost und hohem Fieber.

"Jeden Winter haben wir eine Influenza-Saison. Man könnte sagen, dass es jeden Winter kleine Pandemien gibt", erklärt  Salmanton-García. "Diese kleinen Pandemien sind aber mehr oder weniger unter Kontrolle, da die verschiedenen Stämme nicht virulent genug sind, also nicht ansteckend genug."

Influenza-Viren können auch verheerende Pandemien auslösen. Das hat sich in der Vergangenheit schon oft gezeigt: Die Spanische Grippe (1918 - 1919), verursacht durch H1N1, forderte 50 Millionen Menschenleben. Und der Hongkong-Grippe (1957 - 1958) fielen ein bis zwei Millionen Menschen zum Opfer. Sie wurde durch das Virus H3N2 ausgelöst.

Erreger mit nachweisbarem Pandemiepotenzial

An zweiter Stelle der gefährlichsten Erreger platziert fast die Hälfte der Experten die "Krankheit X", also eine unbekannte Erkrankung.

"Es gibt sehr viele seltene Viren. Deswegen ist die nächste Pandemie nicht notwendigerweise ein Virus, das in den Top 10 einer Liste auftaucht, sondern einer der vielen Erreger, die es nicht in die Top 10 geschafft haben. Das heißt aber nicht, dass diese Viren unbekannt sind", sagt Richard Neher von der Universität Basel.

Corona stellt noch immer eine Bedrohung dar

Das Corona-Virus stellten die Experten auf den dritten Platz. Für 40 Prozent von ihnen birgt SARS-CoV-2 noch immer eine große Gefahr. "Das SARS-CoV-2-Virus zirkuliert nach wie vor und verändert sich ständig", erklärt Neher. "Da wir aber jetzt nahezu alle eine Grundimmunität durch Impfung, Infektion oder beides haben, sind die Verläufe bei weitem nicht mehr so schlimm."

Direkt hinter SARS-CoV-2 rangiert SARS-CoV, das bereits im November 2002 in der südchinesischen Provinz Guangdong ausgebrochen war und 2003 zu einer globalen Pandemie in über 25 Ländern führte. China und andere asiatische Länder waren am schlimmsten betroffen.

Die beiden Coronaviren SARS-CoV-2 und das bereits früher entdeckte SARS-CoV verursachen zwar ähnliche Krankheiten, haben jedoch verschiedene epidemiologische und virologische Eigenschaften.

Das Ebola-Virus als möglicher Auslöser einer Pandemie

Auch das Ebola-Virus steht auf der Liste möglicher Pandemieauslöser. Entdeckt wurde es 1976. Seitdem hat es nahezu 30 pandemische Ausbrüche gegeben, die meisten davon in der Demokratischen Republik Kongo. Dort ist das Virus zum ersten Mal aufgetaucht und es kommt auch heute noch immer wieder zu Infektionen, genauso wie in der Republik Kongo, in Gabun, in Uganda und im Südsudan.

Zwischen 2014 und 2016 war die sogenannte Westafrika-Epidemie, der größte Ebola-Ausbruch in der Geschichte. Rund 28.600 Fälle wurden damals gemeldet. Die Zahl der Toten betrug mehr als 11.300. Betroffen waren Guinea, Liberia und Sierra Leone.

Das Virus kann hämorrhagisches Fieber auslösen, und es kommt zu inneren und zu äußeren Blutungen. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung enden 30 bis 90 Prozent der Fälle tödlich.

Viren mit eher geringem Pandemiepotenzial

Das Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus MERS-CoV stuften 14 Prozent der Forschenden als potenziell pandemieauslösend ein.

Ähnliche Einschätzungen gaben die Experten auch für das Zika-Virus (12 Prozent) ab, das Krim-Kongo-Fieber (10 Prozent) und das Marburg-Virus (9 Prozent). Hantavirus, Lassa-Virus, Nipah-Virus und Henipavirus gehörten der Studie zufolge zu den Viren mit geringem Pandemiepotenzial.

In den USA weitet sich die Vogelgrippe immer mehr ausBild: Soumyabrata Roy/NurPhoto/picture alliance

Wie gefährlich ist die Vogelgrippe?

Die Vogelgrippe ist in der Liste von "Vaccelerate" nicht berücksichtigt, obwohl sich in den USA seit geraumer Zeit der Vogelgrippe-Virustyp H5N1 immer weiter ausbreitet. Unter anderem sind Milchviehherden befallen.

Nach Angaben der WHO haben sich seit 2003 mindestens 889 Menschen in 23 Ländern mit H5N1 infiziert, 463 davon starben. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde bislang nicht dokumentiert.

"Infektionen von Menschen mit dem Virustyp H5N1 sind nach wie vor selten und hängen mit dem Kontakt zu infizierten Tieren und der Umgebung zusammen", heißt es seitens der Weltgesundheitsorganisation. Richard Neher hat eher Bedenken.

"Die Ausbreitung von H5N1 in Milchkühen ist in der Tat besorgniserregend. Es scheint in den USA mittlerweile recht weit verbreitet zu sein. Andere Tiere auf den Höfen wie Katzen oder Vögel sowie vereinzelt Menschen stecken sich an. Die Ausbreitung des Wirtsspektrums auf Tiere mit so viel Kontakt zum Menschen macht den aktuellen H5N1 Ausbruch natürlich um einiges gefährlicher", so Neher.

Vorsorge ist besser

Vor dem Hintergrund der Ausbreitung des Vogelgrippevirus bei Rindern in den USA hat eine Gruppe europäischer Länder vorsorglich 665.000 Impfdosen gegen die H5-Viren bestellt. Die EU-Beschaffungsbehörde hat im Auftrag von 15 Staaten einen entsprechenden Vertrag mit dem britischen Pharma­unternehmen Seqirus unterzeichnet. Die ersten Impfdosen sind demnach für Arbeiter auf Geflügelfarmen in Finnland bestimmt.

Die nun vereinbarten Impfstofflieferungen können in den kommenden vier Jahren laut Vertrag um bis zu 40 Millionen zusätzliche Dosen ausgeweitet werden.

Bestimmte Regeln gelten für jede Art von Pandemie

Es wird auch weiterhin Pandemien geben. Man könne zwar nicht in die Zukunft blicken, so Salmanton-García, aber sich vorbereiten. "Meine größte Sorge im Moment ist, dass wir vergessen, was wir gelernt haben: Die Hände gut waschen, keinen engen Kontakt mit Menschen, die wir nicht kennen, in den Ellbogen husten und nicht in die Hände. So können wir eine aktive Rolle bei der Kontrolle von Infektionen spielen."

 

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