Auch Berlin bekommt nun Diesel-Fahrverbote. Nach Hamburg, Stuttgart und Frankfurt hat ein Verwaltungsgericht die Hauptstadt dazu verurteilt, elf besonders belastete Straßen für Dieselautos zu sperren.
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Diesel-Fahrverbote in Berlin
01:49
Berlin muss für mehrere Straßen bis Mitte 2019 ein Diesel-Fahrverbot verhängen. Das Verwaltungsgericht der Hauptstadt verpflichtete die Senatsverwaltung, bis zum 31. März 2019 einen verschärften Luftreinhalteplan mit den entsprechenden Vorschriften zu erlassen. Die Fahrverbote für mindestens elf Straßenabschnitte müssen dann spätestens Ende Juni 2019 verwirklicht werden. Sie gelten für Fahrzeuge mit Motoren der Abgasklassen Euro 1 bis Euro 5.
Mit der Sperrung von elf besonders belasteten Abschnitten großer Straßen soll erreicht werden, dass der Grenzwert für den Schadstoff Stickstoffdioxid eingehalten wird. Dieselautos sind ein Hauptverursacher für schlechte Luft in Städten. Die vom Gericht verfügten Fahrverbote betreffen Diesel-Pkw und Diesel-Lkw. Darunter sind Teile der wichtigen Leipziger Straße und der Friedrichstraße im Zentrum Berlins. Für weitere Abschnitte mit einer Gesamtlänge von weiteren 15 Kilometern muss das Land Berlin außerdem Fahrverbote prüfen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Was macht die Bundesregierung?
"Zwingend notwendige Maßnahmen" dürften nicht mit der Begründung hinausgezögert werden, dass die Ergebnisse weiterer Untersuchungen abgewartet werden sollen, argumentierte der Vorsitzende Richter. Der Berliner Senat hatte bereits Maßnahmen für bessere Luft auf den Weg gebracht, zum Beispiel Tempo-30-Zonen. Richter Ulrich Marticke sagte zugleich, ein Diesel-Fahrverbot für die gesamte Umweltzone, die große Teile der Innenstadt umfasst, sei allerdings nicht zwingend erforderlich. Denn an vielen Orten in der Umweltzone würden die Grenzwerte eingehalten. Geklagt hatte wie in vielen anderen deutschen Städten die Deutsche Umwelthilfe, die ursprünglich ein Diesel-Fahrverbot in der Berliner Umweltzone durchsetzen wollte. Nur mit einem Verbot in einer Gesamtzone ließe sich vermeiden, dass der Verkehr auf andere Straßen ausweiche, in denen dann die Belastung steige.
Die Frage ist nun, ob die Entscheidung den Kurs der Bundesregierung in der Dieselkrise verändert. Das Bundesverkehrsministerium verweist auf die geplanten zusätzlichen Maßnahmen für sauberere Luft in Städten. Die bisherigen Gerichtsurteile beruhten auf älteren Luftreinhalteplänen der Kommunen, sagte ein Ministeriumssprecher. "Das Urteil zeigt einmal mehr: Wir brauchen aktualisierte Luftreinhaltepläne, die alle vom Bund angebotenen Maßnahmen ausschöpfen."
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von einem "guten Tag für saubere Luft." Geschäftsführer Jürgen Resch sagte, die Verbote müssten nun vom Berliner Senat schnell umgesetzt werden. Die Bürger brauchten Planungssicherheit. Die Bundesregierung sei mit ihrem Diesel-Kompromiss gescheitert. Die große Koalition hatte sich für 14 besonders belastete Städte auf Maßnahmen wie Kaufanreize für neue Autos geeinigt - Berlin ist in dieser Liste aber nicht enthalten. Resch forderte einen erneuten "Dieselgipfel" der Bundesregierung, bei dem auch Umweltverbände mit am Tisch sitzen müssten. Die DUH hatte vor Gericht für Fahrverbote geklagt. Resch bedauerte, dass es nicht gelungen sei, Sperrungen für die gesamte Umweltzone, die die Berliner Innenstadt umfasst, zu erreichen.
Der Anwalt des Berliner Senats bezeichnete die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als "ausgewogenes Urteil." Frank Fellenberg sagte, die Deutsche Umwelthilfe habe ein flächendeckendes Fahrverbot im gesamten Innenstadtbereich verlangt. Das Gericht habe aber Sperrungen nur für einzelne Straßenabschnitte verhängt. Es habe außerdem den Zeitplan des Landes akzeptiert, bis zum März 2019 einen neuen Luftreinhalteplan zu beschließen.
Das planen fünf deutsche Städte für bessere Luft
Wie kann die Luft in Deutschlands Städten sauberer werden? Und vor allem: Geht das auch ohne Fahrverbote für Diesel? Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen wollen es ausprobieren. Und zwar so.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch
Schneller mit dem Drahtesel unterwegs
So wie in Kopenhagen planen Reutlingen und Essen Radschnellwege durch die Stadt einzurichten. Der Ausbau des Fahrradstraßennetzes ist eh "überfällig", meint Experte Christian Hochfeld von der Agora-Verkehrswende. "Wir merken, dass die Menschen aufs Fahrrad umsteigen, aber der öffentliche Raum ist nicht fair verteilt: Gerade parkenden Pkws wird zu viel Raum gegeben."
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Günstig von A nach B
Vier von fünf Städte setzen auf billigen Nahverkehr. In Bonn und Reutlingen soll es Klima-Jahrestickets nach Vorbild Wiens für 365 Euro geben, also für 1 Euro pro Tag. Mannheim und Herrenberg planen Preissenkungen bei Einzel-, Mehrfahrten- und Zeitkarten. Zustimmung von Experte Hochfeld: "Günstiger ÖPNV ist der richtige Weg nach vorne, allerdings muss die Qualität trotzdem gesichert sein."
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Weniger lang warten
Wie schön ist es, wenn man zur Bushaltestelle geht - und zack, kommt auch schon der nächste Bus. So macht Nahverkehr Spaß. Bonn will daher bei vielen Buslinien den Takt verdichten, so dass die Wartezeiten an der Haltestelle kürzer werden. Analoges planen Reutlingen und Essen. Hochfeld: "Taktverdichtung ist die absolute Grundvoraussetzung, dass Menschen in den Innenstädten auf den ÖPNV umsteigen."
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Mehr Bushaltestellen
Wir alle kennen das: Ist die Bushaltestelle zu weit weg von der Wohnung oder nicht nah genug am Fahrtziel, greift man vielleicht doch lieber zum Auto. Daher plant Reutlingen ein neues Stadtbusnetz mit zehn neuen Buslinien und hundert (!) neuen Haltestellen.
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Kein Warten für Busse
Zusätzliche Busspuren sollen in Herrenberg Menschen zum Busfahren animieren: Im Bus fährt man dann an allen wartenden Autos vorbei und freut sich. Auch Grünschaltungen für Busse sind so ein Mittel. "Das führt dazu, dass die Menschen den ÖPNV als schneller und bequemer wahrnehmen", kommentiert Hochfeld. "Wenn 40 Leute im Bus sitzen, sollten die Vorrang haben vor einem einzigen Menschen im Pkw."
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Grüne Welle
Stop-und-Go ist nicht nur eine Belastung für die Nerven der Autofahrer, sondern auch für die Umwelt. Beim Anfahren verbraucht ein Auto besonders viel Sprit und stößt viele Abgase aus. Herrenberg plant eine dynamische Steuerung von Ampeln, so dass Autofahrer auf der grünen Welle reiten können. Statt der Sekunden bis zur nächsten Rotphase soll angezeigt werden, bei wieviel km/h freie Durchfahrt ist.
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Pakete kommen mit dem E-Bike
Mannheim errichtet einen "Micro-Hub": einen Umschlagsplatz, auf dem Pakete von den Lastwagen auf E-Bikes verladen werden. Dadurch sollen weniger Lieferwagen in die Innenstadt fahren. "Eine gute Ergänzung", meint Christian Hochfeld. Allerdings: "Wollen wir weiter zulassen, dass Menschen kleinste Einheiten online bestellen, die dann einzeln geliefert werden?" Hier sieht der Experte Nachholbedarf.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase
Hybridbusse
In Köln und vielen anderen Städten fahren sie bereits umher: Hybridbusse, die den Schadstoffausstoß reduzieren sollen. Mannheim will jetzt auch schadstoffarme Euro-6-Hybridbusse für die Innenstadt beschaffen. Vor allem Fahrradfahrer, die oft hinter Bussen herfahren müssen, wird das freuen.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka
Go digital
Nützt zwar nichts gegen Abgase, ist aber gut für's coole image von Bus und Bahn: Viele deutsche Städte bieten bereits Apps an, mit denen sich ganz schnell und papierlos eTickets für den Nahverkehr kaufen lassen. Mannheim will das eTicket jetzt stark ausbauen. Herrenberg plant eine Stadt-Mobility-App, in der sich auch Leihfahrräder und CarSharing einfacher organisieren lassen.