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Dieselautos: Verbieten oder Nachrüsten?

Dirk Kaufmann
17. Juli 2017

In dieser Woche entscheidet sich vorläufig, wie der Luftverschmutzung in den Städten begegnet werden soll: Mit neuen Autos oder mit Fahrverboten? Das wäre nicht so einfach. Sicher ist nur: Schnell wird das nicht gehen.

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Bild: picture-alliance/dpa/Jörg Loeffke

Die Straße "Am Neckartor" in Stuttgart gilt als eine der gefährlichsten Straßen Deutschlands. Dort werden Stickstoffoxid-Konzentrationen von 82 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Als Grenzwert hat der Gesetzgeber eine Konzentration von 40 Mikrogramm festgelegt. Da muss gehandelt werden, und nicht nur, weil einige Anwohner in Stuttgart geklagt haben.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat eine Klage vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht angestrengt, die ab Mittwoch (19.07.2017) verhandelt wird. Das Ziel der Kläger: Die als besonders  schmutzig verrufenen Diesel-PKW sollen aus dem innerstädtischen Verkehr Stuttgarts verbannt werden. Eine Entscheidung wird noch für diesen Monat erwartet.

Der Stadt sitzen aber nicht nur die Kläger im Nacken, sie muss auch bereits geltende EU-weite Regeln und Grenzwerte für die Emission von Schadstoffen einhalten. Gelingt das nicht, werden Strafzahlungen fällig. Sogenannte Blaue Briefe hat es aus Brüssel bereits gegeben: Es besteht also, wie ein Politiker sagen würde, Handlungsbedarf.

Am Neckartor: Zu diesem Zeitpunkt ist wenig Verkehr, aber tagsüber haben die Messgeräte mehr als genug aufzuzeichnen.Bild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

Druck aus Brüssel, keine Hilfe aus Berlin

Am 2. August soll in Berlin ein "Nationales Forum Diesel" zusammentreten. Dabei wollen Politiker von Bund und Ländern mit Vertretern der Automobilindustrie darüber beraten, wie dem Problem zu begegnen ist. Kurz zusammengefasst geht es um die Alternative: Fahrverbote oder Nachbesserungen? Mit einem Innenstadtfahrverbot könnte man natürlich am schnellsten erreichen, dass die Belastung durch die gefährlichen Stickoxide (NOx) sinken. Laut DUH könnten auf diesem Wege auch die Grenzwerte für die Emission von Stickstoffoxiden (NO2) eingehalten werden.

Doch ist das Ganze nicht so einfach. Zunächst aus juristischen Gründen, denn generelle Fahrverbote können Kommunen nicht so einfach aussprechen - es fehlt dazu an den nötigen gesetzlichen Grundlagen.

Sie könnten über eine Erweiterung der bislang schon bestehenden Abgas-Klassifizierungen ein vergleichbares Ergebnis erzielen: Doch auch dazu mangelt es in Berlin am politischen Willen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat bereits erklärt, dass es mit ihm keine "blaue Plakette" geben werde. Die Plakettenfarbe wird entsprechend der Abgasklassifizierung vergeben und gewährt oder verhindert das Befahren von sogenannten Umweltzonen.

Diese sollte die bisher geltende Farbpalette von roten, gelben und grünen Plaketten um eine Farbe erweitern und nur für die Fahrzeuge vergeben werden, die die zurzeit strengste Abgasnorm Euro-6 erfüllen.

Sollte es, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber eher ein politisches Wunder wäre, doch zu einer blauen Plakette kommen und die deutschen Städte durch eine Neujustierung ihrer Umweltzonen die Möglichkeit bekommen, den ärgsten Dieselstinkern die Einfahrt zu verweigern: Auch diese Maßnahme braucht Zeit, bis sie umgesetzt werden kann.

Wenn schon - denn schon

Ein Fahrverbot zur Verbesserung der Luftqualität müsste aber nicht nur schnell kommen, es müsste auch umfassend sein. Denn es wäre völlig sinnlos, nur vereinzelte "Hotspots" von NOx und NO2 zu entlasten. Würde in Stuttgart etwa die Straße "Am Neckartor" für ältere Dieselfahrzeuge gesperrt, wichen deren Fahrer auf kleinere Straßen aus. Dort würde der Verkehr auf jeden Fall langsamer fließen. Die Autos wären länger unterwegs und pusteten im Stop-and-Go-Modus vor Ampeln oder im Stau noch mehr schädliche Abgase in die Luft. Das wäre dann eindeutig kontraproduktiv.

So könnte sie aussehen, die blaue Plakette. Wahrscheinlich werden wir sie auf keinem Auto zu sehen bekommen.Bild: picture alliance/dpaB. Weißbrod

Jetzt sind die Hersteller in der Pflicht

Da bleibt, wenn administrative Maßnahmen ausfallen und politische Hilfe nicht zu erwarten ist, die Industrie. Da ist Stuttgart, um das es in dieser Woche wegen der dort anhängigen Klagen geht, wieder ein gutes Beispiel. Aus der Schwaben-Metropole kommt ja die Technologie, die dem Menschen den motorisierten Individualverkehr beschert hat, und dort haben zwei der bekanntesten deutschen Autohersteller ihren Sitz: Daimler und die VW-Tochter Porsche.

Es wird wohl an die Adresse der Hersteller die Forderung gestellt: Baut saubere Autos! Und besonders auch Diesel, die weniger NO2 und NOx emittieren!

Vielleicht so saubere Autos, wie das VW in seinem zu satirischer Berühmtheit gelangten Reklamefilm vorgegaukelt hat: Da hält eine reizende ältere Dame ihren blütenweißen Schal an den Auspuff und beweist so: Mein Volkswagen-Diesel ist sauber.

Klar. So geht das - in Film und Fernsehen. Aber eben nicht im richtigen Leben. Da helfen auch keine Tricksereien mit Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung. Ein Auto, das nur auf dem TÜV-Prüfstand sauber ist, braucht kein Mensch und ganz bestimmt niemand "Am Neckartor" in Stuttgart.

Eine Herausforderung für die Volkswirtschaft

Sollte es dennoch dazu kommen, dass das "Nationale Forum Diesel" die Hersteller in die Pflicht nimmt und von ihnen Nachrüstungen verlangt, damit die Autos umweltverträglicher werden, erhebt sich die Frage: Warum "Nach"-rüstung? Wenn das Problem technisch lösbar ist, dann hätte es ja gar nicht erst entstehen müssen! Und wieder wären die Autobauer in Erklärungsnot: Warum schmutzige Autos bauen und verkaufen, wenn sauber auch schon möglich gewesen wäre?

Die Herren in den Konzernzentralen in Stuttgart und Wolfsburg sind im Formulieren vom Erklärungen und Entschuldigungen inzwischen einigermaßen geübt. Ihr Hauptargument aber, mit dem sie normalerweise jede ihrer Forderungen durchbringen, brauchen sie schon gar nicht mehr vorzubringen, weil es jedem Politiker in Deutschland in Fleisch und Blut übergegangen ist: Die deutsche Wirtschaft hängt von der Autoindustrie ab. Jede Beeinträchtigung dieser Industrie könnte katastrophale Konsequenzen für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland haben und die Exporterfolge ernsthaft gefährden.

Vor allem aber wären die Folgen am Arbeitsmarkt zu spüren: Denn bei den Autoschmieden und ihren Zulieferern arbeiten rund 850.000 Menschen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA), der seit vielen Jahren von einem ehemaligen Bundesverkehrsminister geführt wird, präsentiert sogar eine viel dramatischere Zahl: Dem VDA zufolge soll in Deutschland sogar jeder siebte Arbeitsplatz von Autoindustrie abhängen.

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