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Dieselgate: Reichen Software-Updates aus?

Brigitte Osterath
2. August 2017

In der Diskussion waren Fahrverbote oder technische Nachrüstungen - jetzt wird es nur ein Software-Update. Genügt das, um die Luft von gesundheitsschädlichen Stickoxiden frei zu halten?

Verbrennungsmotoren
Bild: picture-alliance/Chromorange/Bilderbox

Lange hatten Umwelt- und Verbraucherschützer auf eine Lösung gedrängt - und jubelten, als das Verwaltungsgericht Stuttgart letzte Woche urteilte, dass die Stickoxidbelastung in der Autostadt zu senken sei. Fahrverbote für Diesel-Autos - von der Autoindustrie und vielen Autobesitzern gleichermaßen gefürchtet - rückten plötzlich in greifbare Nähe.

Dass irgendetwas passieren muss, ist anscheinend inzwischen auch den Vertretern der Autobranche, der Bundesregierung und der betroffenen Länder klar geworden. An diesem Mittwoch verhandelten sie daher über die notwendigen Maßnahmen. Sie alle einte ein Ziel: Diesel-Fahrverbote zu vermeiden.

Minimallösung Software-Update

Bereits am Dienstag zeichnete sich ab, dass man sich auf ein Software-Update für ältere Dieselfahrzeuge einigen wird. Konkret bedeutet das: Die Hersteller bezahlen den Besitzern von fünf Millionen Dieselautos mit den Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 ein Software-Update und den dafür nötigen Werkstattbesuch.

Dieselgipfel in Berlin einigt sich auf Kompromiss-LösungBild: Reuters/A. Schmidt

Die Software regelt, wie viel Abgase wieder in den Motor zurückgeführt werden und wie viel in die Abgasanlage; diese reinigt die Abgase von Schadstoffen. Je mehr Abgase in den Motor zurückgeführt werden, desto weniger Stickoxide entstehen am Ende. Werden allerdings zu viele Abgase durch den Motor rezirkuliert, geht dieser irgendwann kaputt. Die Autoindustrie hat eine Software entwickelt, die diese Abgasrückführung optimiert und dadurch den Stickoxid-Ausstoß von älteren und emissionsreichen Euro-5-Dieseln senkt. Erreicht werde so ein "Euro-5+"-Niveau.

Hermann Koch-Gröber, Ingenieur und Professor an der Hochschule Heilbronn, hat ein Konzept erstellt, was so eine Software realistisch schaffen kann und muss. Seine Einschätzung: 250 Milligramm pro Kilometer im Stadtverkehr seien machbar. Bisher stoßen Dieselfahrzeuge der Euro-5-Norm im Mittel 907 Milligramm pro Kilometer aus. Die vielmals geforderten 80 Milligramm pro Kilometer hingegen seien bei Euro 5 "technisch nicht erreichbar", sagt er der Deutschen Welle.

Auf die Hälfte senken - oder doch nicht?

Aber nicht nur Euro-5-, sondern auch viele Euro-6-Diesel müssen nachgerüstet werden. Nach Messungen des Umweltbundesamts stoßen Euro-6-Diesel mehr als 500 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - sechs mal mehr als erlaubt. Das liegt laut Koch-Gröber daran, dass die Software so eingestellt ist, dass sie den Motor schont - und dafür eben die Umwelt belastet. "Viele Euro 6 sind nicht so gut, wie ein Dieselmotor sein kann."

Das Problem: Viele Autos sind nur auf dem Prüfstand umweltfreundlichBild: Holzmann/DUH

Durch eine großflächige Einspielung des Software-Updates in Deutschlands Dieselautos werde der Stickoxid-Ausstoß laut Verkehrsministerium im Schnitt um 40 bis 50 Prozent reduziert. Auch Koch-Gröber geht von 50 Prozent oder mehr aus. "Die Maßnahme ist wirksam und erfolgsversprechend."

50 Prozent seien viel zu hochgegriffen, kontern hingegen Umweltverbände. "Realistisch" seien 25 Prozent, äußerte sich das Umweltbundesamt gegenüber der Deutschen Welle.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert ein Software-Update als "unzureichend" und spricht von "illegalen Placebo-Updates". Es würde so nicht mal eine Reduzierung der städtischen Stickoxid-Werte um 25 Prozent erreicht. Denn die Industrie plane nur die Hälfte der Dieselfahrzeuge in Deutschland nachzubessern; auch werde nur ein kleiner Teil der Autohalter an dieser freiwilligen Maßnahme teilnehmen. "Wir gehen von deutlich weniger als 5 Prozent Verbesserungspotential der NO2-Belastung in unseren durch Dieselabgase vergifteten Städten aus", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Alternative: Hardware-Nachrüstungen

Technische Umrüstungen, etwa der Einbau von Abgasreinigungssystemen, kämen die Automobilindustrie sehr viel teurer als ein Software-Update. Genau solche Nachrüstprogramme für Euro-5- und Euro-6-Diesel fordert die Deutsche Umwelthilfe aber. Betroffen wären rund neun Millionen Pkw in Deutschland.

Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht von dem Software-Update lediglich als "ersten Schritt": "Das bringt was für die Luftreinheit, aber es reicht noch nicht aus. Wir brauchen in absehbarer Zeit Klarheit darüber, was die Automobilindustrie leisten kann, um die Autos als solche tatsächlich umzurüsten", sagte sie im ZDF-Interview.

Harnstoff-Zusatz AdBlue soll Abgase stickoxidfrei machenBild: DW/G. Rueter

Dazu gehört beispielsweise der Einbau von SCR-Katalysatoren. Das steht für: selective catalytic reduction = selektive katalytische Reduktion. Ein SCR-Katalysator reduziert die Stickoxide mit Ammoniak, das dem Abgas zugemischt wird. Der Autofahrer füllt dafür beispielsweise eine etwa 30prozentige Harnstofflösung - in Deutschland vermarktet als "AdBlue" - in einen separaten Tank. Ein Generator erzeugt daraus Ammoniak, welches ein Injektor nach Bedarf in den Abgasstrom spritzt.

Ein solches SCR-System kann bis zu 95 Prozent der beim Verbrennungsprozess entstandenen Stickoxide nachträglich aus dem Abgas entfernen, sagt Axel Friedrich vom Emissions-Kontroll-Institut, einer Einrichtung der Deutschen Umwelthilfe. Noch besser sei die gleichzeitige Kombination dieses Systems mit einem NOx-Speicherkatalysator, der die Substanzen zwischenspeichert und separat reduziert. Er mindere die Stickoxid-Emissionen zusätzlich um 30 bis 40 Prozent. "Ein Diesel kann das gleiche [Stickoxid-]Niveau wie ein Benziner erreichen", sagt Friedrich der DW. 

Bei Lkws ist die SCR-Abgasreinigung ab Abgasnorm Euro 4 bereits Standard. Um wie viel sich die Stickoxidbelastungen in den Städten durch technische Nachrüstungen an Pkws tatsächlich reduzieren würden - darüber liegen selbst dem Umweltbundesamt noch keine Zahlen vor. "Unsere Fachleute rechnen noch", heißt es dort.

Umweltverbände fordern Diesel-FahrverboteBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Doch Fahrverbote?

Auf Europas Straßen sind 35 Millionen Dieselfahrzeuge unterwegs, die zwischen 2011 und 2016 verkauft wurden. Lange Zeit wurden Diesel-Autos als umweltfreundlich vermarktet, denn sie verbrennen den Treibstoff um 20 Prozent effizienter als Benziner.

Allerdings heizt ein Diesel-Motor das Luft-Kraftstoff-Gemisch auf höhere Temperaturen hoch - "daher entsteht mehr NOx", sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei Greenpeace, im DW-Interview.

Im Jahr 2012 starben laut Europäischer Umweltagentur 75.000 Menschen in Europa frühzeitig aufgrund von Stickoxid-Emissionen. Die Substanzen schädigen die Atemwege, können zu Herzinfarkten und Lungenödemen führen.

Für Benjamin Stephan ist die Frage, wie man mit dem Dieselgate-Skandal umgehen soll, schnell beantwortet: "Diesel-Fahrverbote sind die schnellste und beste Maßnahme, wenn die Autos ihre Grenzwerte nicht einhalten", sagte er der DW. 

Hilfreich wären solche Fahrverbote aber nur, wenn sie auch jüngere Modelle, vor allem Euro-5-Diesel einbeziehen, sagte Graham Parkhurst vom Center for Transport and Society im Vereinigten Königreich.  Allerdings befürchtet er, dass es in diesem Fall zu großen Problemen mit den Autokäufern kommen könnte. Von einem Fahrverbot nur für alte Dieselautos (Euro 4 oder weniger) hält Graham nichts. Von diesen Wagen führen eh kaum noch welche rum.

 

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