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Politik

Digital gegen Corona

14. April 2020

Mit einem "Hackathon" haben tausende Tüftler versucht, digitale Lösungen im Kampf gegen das Coronavirus zu finden. Die besten Projekte wurden ausgezeichnet.

Indien Coronavirus infizierte auf Smartphone
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/SOPA Images/M. Rajpu

Fast 30.000 Menschen haben sich beteiligt. Mit einem solchen Andrang hatten die Organisatoren des spontan ausgerufenen Ideenwettbewerbs "Wir vs Virus" nicht gerechnet. "Wir waren schon bei den ersten 3000 Anmeldungen ganz aus dem Häuschen", sagt Mitorganisatorin Anna Hupperth der Deutschen Welle. Getroffen haben sich die digitalen Tüftler auf der Internet-Plattform Slack.

Vorbild war Estland. Das technologiefreundliche Land hatte kurz zuvor einen "Hackathon" abgehalten. "Mir und meinen Mitstreitern und Mitstreiterinnen war aufgefallen, dass es auch in Deutschland schon viele Ideen gibt. Der "Hackathon" hat also einen digitalen Raum geschaffen für Leute, die ohnehin schon an Lösungen arbeiteten", sagt Hupperth. 48 Stunden lang arbeiteten die Teilnehmer virtuell an 1500 Lösungsvorschlägen im Kampf gegen COVID-19. Ausgezeichnet wurden 20 Projekte, darunter eine Plattform, die 3D-Drucker einsetzen soll, eine Website, die Logistik koordiniert oder Jobs an Menschen vermittelt, die gerade in ihrem regulären Beruf nicht arbeiten können.

Hilfe für Deutsche im Ausland

Lorenz Schneidmadel hat seine Idee gemeinsam mit Mitstreitern von Vietnam aus entwickelt. Dort arbeitet er für ein Unternehmen, das ausländischen Studierenden den Einstieg in Deutschland erleichtert. Schon im Januar hatten er und seine Kollegen, die alle die chinesische Messenger-App WeChat nutzen, von einem neuartigen Virus gehört. Als er davon Freunden in Deutschland berichtete, taten die das noch als harmlose Grippe ab.

Während des Hackathons kommunizierten die Teams nur virtuell, wie hier das Team der App IDABild: IDA

Schneidmadel lebt seit anderthalb Jahren in Ho-Chi-Minh-Stadt. Er hat sich auf den E-Mail-Verteiler der deutschen Botschaft setzen lassen. Normalerweise passiere da wenig, sagt der 25-Jährige der Deutschen Welle. "Aber dann ging es Schlag auf Schlag. Es kamen täglich E-Mails, teils auch mit sehr relevanten Informationen, zum Beispiel, welche Krankenhäuser in Ho-Chi-Minh-Stadt den internationalen Standards entsprechen."

Was Schneidmadel aber auffiel: Wer sich neu in den Verteiler einträgt, bekommt die E-Mails, die zuvor gesendet wurden, nicht. Außerdem können Auslandsdeutsche in Vietnam wichtige E-Mails verpassen. Beim "Hackathon" haben er und seine Kollegen den Prototyp einer App entwickelt, die Eilmeldungen der Botschaften bündelt und auf der Deutsche im Ausland aktiv mit ihrem Konsulat kommunizieren können. Gerade in Zeiten einer beispiellosen Rückholaktion deutscher Staatsbürger ins eigene Land ist das eine wichtige Lösung.

Während des Hackathons haben Schneidmadel und seine Mitstreiter den Prototypen der App IDA entwickeltBild: IDA

Die Umsetzung steht aber noch am Anfang. "Wir haben noch keine offizielle Stellungnahme aus dem Auswärtigen Amt", sagt Schneidmadels Kollegin Laura Chiesa, die in Berlin lebt. "Die schnellste Umsetzung wäre, wenn uns die Botschaften mit in den E-Mail-Verteiler aufnehmen würden". Dann könne das Entwickler-Team die Informationen in die App einspeisen. Aber dafür ist eine offizielle Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt nötig, denn ohne die, auf eigene Faust, können die Botschaften nicht handeln.

Lösungen für Afrika

Auf bestehende Strukturen kann hingegen das Team von Matthias Schnippe setzen. Er arbeitet wie viele seiner Mitstreiter in der Entwicklungszusammenarbeit. Beim "Hackathon" wollten sie ein Tool entwickeln, das auch weniger privilegierten Menschen in abgelegenen Weltgegenden zugutekommt, die keinen Zugang zum Internet haben oder nicht lesen und schreiben können. Nach zwei Tagen Arbeit stand der Prototyp: eine Hotline, die Menschen in Afrika anrufen können und über die sie mit Hilfe einer automatisierten Sprachaufnahme über das Coronavirus informiert werden.

"Im Moment sind unsere Inhalte noch präventiv gedacht, also beispielsweise, welches Verhalten die Verbreitung verhindert. Wenn sich die Epidemie aber ausbreitet, können wir unsere Inhalte anpassen. Dann bekämen die Menschen zum Beispiel die Information, wo sie behandelt werden können", sagt Schnippe der DW.

Afrikanische Länder sind zunehmend vom Coronavirus betroffenBild: picture-alliance/AP Photo/T. Hadebe

Der Vorteil von Schnippe und seinem Team ist, dass das Unternehmen, für das Schnippe arbeitet, bereits bestehende Verträge mit Mobilfunkanbietern vor Ort hat. Darauf könne man aufbauen. "Wichtig ist, lokale Behörden mit einzubeziehen und die Inhalte an den lokalen Kontext anzupassen", sagt er. Die Inhalte sollen beispielsweise in verschiedenen Sprachen angeboten werden. Die Arbeit von Schnippe und seinen Kollegen könnte schon bald sehr viel wichtiger werden, denn das Coronavirus bereitet sich rasant in Afrika aus.

Informationen bündeln

Der Prototyp von Jan Riedel ist dagegen auf Deutschland zugeschnitten. "Digitales Wartezimmer" nennt es sich. Gemeinsam mit ehemaligen Kommilitonen, alle im Bereich IT unterwegs, meldete sich Riedel für den "Hackathon" an. "Wir durften nicht rausgehen und wollten etwas zur Lösung der Probleme beitragen", erklärt er seine Motivation. Das "digitale Wartezimmer" soll alle Informationen von den ersten Symptomen bis zur Genesung bündeln. "Uns ist aufgefallen, dass alle Informationen zum Coronavirus vorhanden sind, aber sehr verteilt auf allen möglichen Plattformen". Eine Finanzierung bräuchten Riedel und seine Mitstreiter nicht. Alle tüfteln in ihrer Freizeit an dem Projekt. Viele arbeiten Vollzeit als Software-Entwickler.

Dennoch könnte es für einige der Gewinner-Projekte des "Hackathons" eine Finanzierung geben. "Wir sind in Gesprächen mit der Bundesregierung, und es wird eine Crowdfunding-Aktion geben", sagt Organisatorin Hupperth. Das alles laufe aber jetzt erst an, die Projekte stünden erst am Anfang. Und die Organisatoren haben noch ein weiteres Ziel: blinde Flecken finden. Denn unter den 1500 Ideen war keine beispielsweise für das Problem der häuslichen Gewalt in Corona-Zeiten. Daran wolle man nun noch weiterarbeiten.

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