Diktator auf Sonderwegen - Zum 40. Todestag von Enver Hoxha
10. April 2025
Die meisten Menschen in Tirana und viele in Albanien kennen das Gebäude in der Ismail-Qemali-Straße - von außen. Es ist die sogenannte Vila 31, die Residenz des früheren Diktators Enver Hoxha. Vor wenigen Wochen wurde das Anwesen als Künstlerresidenz eingeweiht - nach langen Planungen und nachdem es jahrzehntelang verschlossen war und kaum genutzt wurde.
Nur rein zufällig fand die Einweihung kurz vor dem 11. April statt, dem 40. Todestag des paranoiden Diktators. Nicht zufällig ist hingegen, dass die Öffentlichkeit zu Hoxhas Anwesen noch immer keinen freien Zugang hat. Nur in Ausnahmefällen ist eine Besichtigung möglich.
Auch wenn die Vila 31 keine Geheimnisse hat, die es zu verbergen gilt, so zeigt ihre Sperrung für Besucher doch in symbolischer Weise, wie in Albanien mit der Diktatur-Vergangenheit umgegangen wird. Die herrschende Elite ist an einer umfassenden Aufarbeitung der Geschichte nicht interessiert, und die allermeisten Menschen im Land haben andere, vor allem ökonomische Sorgen.
Eine Million Bunker
Und so ist der 40. Todestag des Diktators Hoxha fast ein Tag wie jeder andere in Tirana und in Albanien. Dabei hatte Enver Hoxha das Land einst in eines der am meisten abgeschotteten totalitären Systeme verwandelt, die jemals existierten. Sein Name ist auch außerhalb Albaniens zum Begriff für eine Diktatur besonderen Typs geworden, die sich in paranoider Weise eingebunkert hat.
Statt Wohnungen ließ Hoxha überall im Land Bunker bauen, deren Spuren bis heute zu finden sind. Eine Million Stahlbetonbunker für etwas mehr als drei Millionen Einwohner. Sie wurden zum Symbol für den Wahnwitz eines Diktators, der den politischen Terror perfektioniert hatte. Hoxha stand für einen Kommunismus, den es so nirgendwo anders in dieser Form gab, und er war der kommunistische Diktator mit der längsten Amtszeit. Seinen Kult gründete Hoxha nicht nur auf seine kommunistische Gesinnung und seine diktatorische Führung, sondern besonders auch darauf, dass er ein Meister war, die Beziehungen mit Verbündeten abzubrechen.
Abschiede von den "Großen Brüdern"
Er brach mit Titos Jugoslawien, mit der Sowjetunion und am Ende auch mit China die Beziehungen ab und geißelte diese Staaten als Abtrünnige von der reinen Lehre des Stalinismus. Dadurch führte er die Albaner in die totale Isolation und in bittere Armut. Sein Sozialismus sollte ohne Unterstützung der Außenwelt funktionieren. Beobachter mutmaßten, dass seine Fremdenparanoia mit seiner fortschreitenden Diabetes-Erkrankung immer weiter zunahm.
Mit Unterstützung jugoslawischer Kommunisten hatte Hoxha im November 1941 die Kommunistische Partei Albaniens gegründet, deren Vorsitzender er zwei Jahre später wurde und bis zum seinem Tod auch blieb. Der Bruch mit Jugoslawien schien jedoch vorprogrammiert zu sein, da Hoxha für den von ihm erträumten Nationalstaat die Region Kosovo verlangte, während Tito von einer Balkan-Föderation mit Bulgarien und Albanien träumte - unter jugoslawischer und letztlich seiner eigenen Führung.
Später wagte Hoxha auch den Bruch mit dem "Großen Bruder", der Sowjetunion. Als Nikita Chruschtschow 1956 die Entstalinisierung einleitete, widersprach er. In Hoxhas Welt blieb Stalin bis zum Ende das Maß aller Dinge. Heute streiten Historiker darüber, ob dies nur ein Vorwand war, um die sowjetische Präsenz in Albanien zu beenden.
China folgte als nächster "Großer Bruder" Albaniens. Fünf Milliarden Dollar war das Bündnis mit dem winzigen Albanien den Chinesen wert. Nach Maos Tod brach Hoxha jedoch die Beziehungen zu Peking 1978 ab. Er sagte, man könne die neue Politik Chinas nicht mittragen. Der Bruch mit China zwang Albanien allerdings wirtschaftlich in die Knie.
Ungewöhnlicher deutscher Besucher
Um seine Macht zu festigen, hatte Enver Hoxha keine Scheu, auch nach einem "Großen Bruder" zu suchen, der ideologisch nicht ins Bild passte. Im August 1984 empfing er in Albanien den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, den er zuvor in den Medien noch als Revanchisten bezeichnet hatte. Strauß war zwar bekannt für seinen leidenschaftlichen Antikommunismus, fädelte aber trotzdem Milliardendeals mit kommunistischen Diktaturen ein. Dennoch war es für Albanien sehr ungewöhnlich, dass zwei Männer aus strikt entgegengesetzten politischen Lagern sich gegenüber saßen. Was sie damals besprachen, ist selbst heute noch nicht vollständig bekannt. Der Besuch wurde damals im Land streng geheim gehalten.
Außenstehende stellen sich immer wieder die Frage, warum die Albaner dem Regime überwiegend widerstandslos gefolgt sind. Eine Dissidentenbewegung wie in anderen osteuropäischen Staaten gab es bis zum Zusammenbruch des Systems 1990 nicht - und wäre von Hoxha niemals auch nur in Ansätzen geduldet worden. Das lag einerseits an der Stammesstruktur der bäuerlich geprägten Gesellschaft, in der es selbst in Städten keine Anonymität gab, andererseits an der extrem brutalen Repression, die nur in den schlimmsten Zeiten des Stalinismus in der Sowjetunion ihresgleichen fand.
Todesstrafe für Besitz der Bibel
Die bürgerliche Vorkriegselite ließ Hoxha erbarmungslos und nahezu vollständig ausrotten. Da er Albanien zum ersten atheistischen Staat der Welt machen wollte - und später auch dazu erklärte -, wurden Gläubige mit äußerster Härte verfolgt, besonders unter den Katholiken in Nordalbanien. Selbst der Besitz einer Bibel konnte mit der Todesstrafe geahndet werden. Tausende Menschen verschwanden spurlos, ihr Schicksal ist bis heute nicht aufgeklärt. Noch bis kurz vor seinem Tod leitete Enver Hoxha persönlich und äußerst konsequent Säuberungsaktionen, bei denen zahlreiche Menschen, zumeist missliebig gewordene Politiker und Intellektuelle, zum Tode verurteilt oder in die Verbannung geschickt wurden.
Andererseits gab es einen Hoxha-Personenkult, der ebenfalls nur dem Stalins und Maos gleichkam. Er schlug sich in allgegenwärtigen Spruchbändern und Plakaten nieder. Parolen wie "Es lebe Enver Hoxha" oder "Volk-Partei-Enver" wurden in Bergwände geschlagen, die kilometerweit sichtbar waren.
Schlechter Student aus gutem Hause
Enver Hoxha wurde als Sohn einer Mittelstandsfamilie am 16. Oktober 1908 in der südalbanischen Stadt Gjirokastra geboren. Nach dem Abitur am französischen Lyzeum in Korca studierte er mit einem Stipendium des Königs Zog 1930 Naturwissenschaften an den Universitäten von Montpellier und Paris, wo er mit kommunistischen Ideen in Berührung kam. Wie von seinen albanischen Kommilitonen immer wieder berichtet wurde, schloss er das Studium nicht ab. 1934 bis 1936 studierte er Jura in Brüssel und wurde Sekretär im albanischen Konsulat.
Nach seiner Rückkehr nach Albanien arbeitete er als Französischlehrer in seiner ehemaligen Schule in Korca, später betrieb er einen Tabakladen in Tirana. Kurz nach der Invasion Albaniens durch italienische Truppen 1939 ging Hoxha mit Gleichgesinnten in den Untergrund und kämpfte, mit Titos Partisanen verbündet, gegen italienische und deutsche Besatzer. Zwei Jahre später war er als Partisan Mitbegründer der Kommunistischen Partei Albaniens. Enver Hoxha war mit Nexhmije Hoxha verheiratet und hatte zwei Söhne und eine Tochter. Am 11. April 1985 starb er in Tirana im Alter von 76 Jahren an Herzversagen.
Was geschah nach Hoxhas Tod?
Nach Hoxhas Tod hofften viele Albaner auf eine Öffnung des Landes. Immerhin hatte in der Sowjetunion zu dieser Zeit schon die Perestroika begonnen. Hoxha wurde mit den höchsten Ehren bestattet. Viele Albanerinnen und Albaner trauerten und weinten in aller Öffentlichkeit. Ob das Ausdruck echter Gefühle war, ist im Nachhinein schwer zu beurteilen.
Erst einmal änderte sich mit Hoxhas Tod nichts. Es folgten noch fünf weitere Jahre der Isolation. Der Enver-Hoxha-Kult wurde von seinem Nachfolger Ramiz Alia weiter gepflegt, und es wurden immer mehr Denkmäler für Hoxha gebaut. Das größte stand im Zentrum der Hauptstadt Tirana. Am 20. Februar 1991 stürzten und zerstörten es tausende wütende Menschen und schleiften es durch die Straßen der albanischen Hauptstadt.
Heute scheinen die Szenen von damals wie aus einer fernen Vergangenheit. Hunderttausende Albaner emigrierten bereits in den 1990er Jahren in andere europäische Länder. Breite Debatten um die Vergangenheit fanden nach 1990 nicht statt. Die jüngere Generation kann daher mit dem Thema wenig anfangen. Und wenn die heutige politische Elite von einer "schwierigen und schmerzhaften Geschichte" spricht, geht es meistens darum, sie lieber ruhen zu lassen.