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PolitikEuropa

G20: Nichts bewegt sich

8. Juli 2022

Russland und der Westen machen sich gegenseitig Vorwürfe. Der Ukraine-Krieg verhindert gemeinsame Beschlüsse der G20 auf Bali. Gegen die Ernährungskrise sind keine Rezepte in Sicht. Eine Analyse von Bernd Riegert.

Indonesien | G20 Treffen Bali
Viele Blumen, wenig Harmonie im Tagungshotel auf Bali: G20 überschattet vom Ukraine-KriegBild: Getty Images

Wegweisende Beschlüsse gab es beim Außenministertreffen der G20 auf Bali nicht. Eine Abschluss-Erklärung, wie sonst nach den Ministerrunden der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt plus Europäischer Union üblich, wurde nicht veröffentlicht.

Zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gab es eine klare Verurteilung nur von den westlich orientierten G7-Staaten. Indien, China und andere Staaten im globalen Süden halten sich zurück mit Kritik an Russland. Die Gastgeberin des Treffens, Indonesiens Außenministerin Retno Marsudi, sagte nach den Arbeitssitzungen am Freitag, der Krieg in der Ukraine habe starke Auswirkungen auf die Preise und Lieferungen von Nahrungsmitteln und Energie weltweit. Viele Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass der Krieg schnell durch Verhandlungen beendet werden müsse.

"Immerhin saßen alle G20-Mitglieder in einem Raum zusammen. Wir haben uns um eine angenehme Atmosphäre bemüht, damit Brücken gebaut werden und nicht Mauern", meinte die indonesische Chefdiplomatin bei ihrer Erklärung vor der Presse. Fragen wurden den akkreditierten Pressevertretern allerdings nicht gestattet. Russland erwähnte Außenministerin Marsudi mit keinem Wort.

Lawrow verließ den Saal

Der russische Russlands Außenminister Sergej Lawrow konnte in der G20-Sitzung seine Sicht auf den Krieg in der Ukraine zum Besten geben. Er bestand darauf, dass Russland dabei sei, ethnische Russen in der Ukraine zu "befreien" und den Nachbarstaat zu "entnazifizieren".

Zwischen Saudi-Arabien und Mexiko platziert, verfolgt Sergej Lawrow die SitzungBild: Stefani Reynolds/AP Photo/picture alliance

Lawrow warf den westlichen Verbündeten der Ukraine vor, diese zu drängen ihre aus dem Westen gelieferten Waffen einzusetzen. Russland als Aggressor oder Besatzer darzustellen, passe nicht zu den Fakten im Land, behauptete Lawrow. Die Rede von Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock, die direkt nach ihm sprach, hörte sich Lawrow nicht an und verließ demonstrativ den Saal. Als die indonesische Gastgeberin ein Ende des Krieges in der Ukraine verlangte, las Lawrow nach Angaben von Diplomaten angestrengt in seinen Akten, ohne den Blick zu heben.

Baerbock sieht keine Chance für Dialog

Baerbock machte wie die übrigen G7-Staaten klar, dass Russland einen illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führe und jeden Tag unschuldige Menschen töte. Lawrow blieb auch den Ausführungen des US-Außenministers Anthony Blinken und der Video-Schalte mit dem ukrainischen Außenminister Dmitri Kuleba fern. Blinken wandte sich direkt mit scharfen Vorwürfen an die russische Delegation.

Annalena Baerbock: zurzeit kein Dialog mit Russland möglichBild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

Während drinnen getagt wurde, sagte Lawrow vor dem Mulia-Tagungshotel auf Bali, der Westen habe kein Interesse an einem Dialog mit der Regierung in Moskau. Bilaterale Treffen zwischen Lawrow und G7-Vertretern fanden nicht statt. Er werde diesen Treffen, normalerweise ein wesentlicher Teil der G20-Diplomatie, nicht hinterherlaufen, sagte der beleidigt wirkende Lawrow.

Die deutsche Außenminister attestierte nach dem Ende des Treffens auf Bali der russischen Seite, sie habe offenbar kein Interesse an einem "vernünftigen Dialog". "Dass der russische Außenminister einen großen Teil der Verhandlungen hier nicht im Raum, sondern außerhalb des Raumes verbracht hat, unterstreicht, dass es derzeit keinen Millimeter an Gesprächsbereitschaft der russischen Regierung gibt", bilanzierte Baerbock das Verhalten Lawrows.

Die Vertreter der G7-Staaten hatten vor dem Treffen entschieden, anzureisen, um Russland nicht die diplomatische Bühne in Bali zu überlassen, wo immerhin die Mehrheit der Weltbevölkerung repräsentiert war. US-Außenminister Blinken wird den G20-Rahmen für ein bilaterales Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi am Sonnabend nutzen, um die Beziehungen zwischen den Regierungen in Washington und Peking zu verbessern.

Wang hatte auf Bali bereits Lawrow getroffen. China hat den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt. Beide Länder sind durch ein Partnerschaftsabkommen eng verbunden.

"Weniger diplomatische Gesten, mehr Überzeugungsarbeit"

John Kirton ist Professor an der Universität von Toronto und beobachtet seit Jahren die G20-Treffen. Er findet es richtig, dass die westlichen Verbündeten der Ukraine bei der Sitzung auf Bali dabei waren und sie nicht boykottiert haben, wie zuvor etwa das Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) im April. "Der Nutzen des demonstrativen Verlassens des Verhandlungssaals wird immer kleiner. Das war noch ein klares Signal beim Finanzministertreffen in Washington. Da war das ein starkes Symbol, weil es zum ersten Mal nach dem Kriegsbeginn angewendet wurde. Wenn die Außenminister jetzt das gleiche gemacht hätten, wäre der Effekt nicht groß gewesen, weil wir ihre Gefühle gegenüber Russland ja bereits zur Genüge kennen", so Kirton.

Der G20-Experte empfiehlt weniger diplomatische Gesten und mehr Überzeugungsarbeit im globalen Süden; "Die Chance, Lawrows Erzählung zurückzuweisen, wurde genutzt. Die Darstellung der G7 zur Ukraine fand im globalen Süden nicht so großen Widerhall wie im Norden. Das Treffen auf Bali, im globalen Süden, bot die Chance, die Botschaft noch einmal klarer zu formulieren."

G20-Gipfel mit Putin?

Gastgeberin Retno Marsudi räumte ein, dass der Krieg in der Ukraine und seine globalen Folgen das Außenministerteffen auf der indonesischen Urlaubsinsel völlig bestimmt habe. "In fast allen der 23 bilateralen Treffen, die ich abgehalten habe, haben wir hauptsächlich darüber gesprochen", sagte Marsudi.

Überschattet wurde das G20-Treffen dann auch noch vom Anschlag auf Japans ehemaligen Premier Shinzo Abe und dem Rücktritt des britischen Premierministers Boris Johnson als Parteichef der Konservativen. Die japanische und die britische Delegation brachen ihre Zelte vorzeitig ab. "Manche mussten früher gehen, nicht gut für uns", sagte ein indonesischer Diplomat trocken.

Auf das übliche "Familienfoto" mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern verzichtete Marsudi. Viele Außenminister wollten nicht mit dem Russen Lawrow auf einem offiziellen Bild zu sehen sein. Die diplomatische Gratwanderung geht für den indonesischen Vorsitz der Gruppe der 20 weiter. Zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im November hat der indonesische Präsident sowohl den russischen Machthaber als auch den ukrainischen Präsidenten eingeladen.

Wer von den beiden Kriegsgegnern auf die Ferieninsel Bali kommen wird, in Person oder als Videoschalte, ist noch unklar. Ob der US-Präsident oder die übrigen G7-Vertreter mit Wladimir Putin, dem Kriegsverbrechen angelastet werden, in einem Raum tagen wollen, müssen die G20-Diplomaten in den nächsten Monaten aushandeln.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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