Unmut zwischen Frankreich und Ruanda
6. April 2014Frankreich ist an der Gedenkveranstaltung zu den Massenmorden im ostafrikanischen Ruanda an diesem Montag nicht mit einem Minister, sondern nur mit seinem Botschafter vertreten. Das teilte am Abend das Außenministerium in Paris mit. Grund für die Entscheidung sind neue Vorwürfe des ruandischen Präsidenten Paul Kagame. Er sagte in einem Interview mit der Zeitschrift "Jeune Afrique", Frankreich und Belgien hätten bei der "politischen Vorbereitung" der Massenmorde 1994 eine "direkte Rolle" gespielt. Französische Soldaten, die für einen humanitären Militäreinsatz in der früheren belgischen Kolonie stationiert waren, seien "Akteure" und "Komplizen" bei den Massakern gewesen. Die ruandische Außenministerin Louise Mushikiwabo legte am Sonntag nach: Frankreich müsse "der Wahrheit ins Auge sehen", sagte sie. Kigali könne die Vergangenheit zum Wohl guter Beziehungen zu Paris nicht einfach verdrängen.
Dem Völkermord in Ruanda waren rund 800.000 Menschen zum Opfer gefallen, die meisten gehörten der Minderheit der Tutsi an. Die dominierende Bevölkerungsgruppe der Hutu hatte nach dem tödlichen Anschlag auf Präsident Juvenal Habyarimana am 6. April 1994 einen wochenlangen Rachefeldzug gegen die Tutsi gestartet. Ein ruandischer Untersuchungsbericht kam 2008 zu dem Schluss, dass das französische Militär die für die Massaker verantwortlichen Milizen ausgebildet habe. Einige französische Soldaten sollen demnach sogar selbst gemordet haben.
Diplomatische Verrenkungen in Paris
Die französische Regierung weist die Vorwürfe seit jeher zurück. Am Samstag erklärte das Außenministerium, Frankreich sei von Kagames Äußerungen überrascht und bedauere, dass es nicht an dem Gedenken zum 20. Jahrestag des Genozids teilnehmen könne. Eigentlich wollte Justizministerin Christiane Taubira zu der Gedenkfeier in Kigali am Montag reisen. Am Sonntag ruderte das Ministerium zurück und teilte mit, Botschafter Michel Flesch werde Frankreich bei der Veranstaltung vertreten.
Belgien reagierte zurückhaltender: Außenminister Didier Reynders erklärte, er werde ungeachtet der Äußerungen Kagames nach Kigali reisen. Ziel sei es, den Opfern Anerkennung zu zollen und nicht einem Präsidenten und dessen Regierung. Dem Sender RTBF sagte der Minister am Sonntag, er verstehe die französische Reaktion, "weil Frankreich der aktiven Teilnahme am Völkermord beschuldigt wird, auch auf militärischer Ebene". In Belgien habe eine Untersuchungskommission die Vorgänge "lang und breit" untersucht und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Vorbereitung des Völkermordes "Extremistengruppen in Ruanda selbst zuzuschreiben" sei.
Im Februar 2010 hatte der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy bei einem Versöhnungsbesuch in Ruanda "schwere Fehleinschätzungen" eingeräumt. Frankreich und die internationale Gemeinschaft hätten nicht genug unternommen, "dieses abscheuliche Verbrechen zu verhindern und aufzuhalten". An den Gedenkfeiern in Ruanda wollen am Montag auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Washingtons UN-Botschafterin Samantha Power teilnehmen.
Papst mahnt zur Versöhnung
Papst Franziskus ermutigt das Volk von Ruanda, den eingeschlagenen Weg zu Versöhnung und Eintracht fortzusetzen. Franziskus bekundete nach dem Angelusgebet vor Zehntausenden von Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom seine "väterliche Nähe" zu den Menschen in dem afrikanischen Land. Entschlossen, hoffnungsvoll und ohne Furcht sollten sie mit der Versöhnung fortfahren, die bereits Früchte getragen habe. Es gehe um einen menschlichen und geistigen Aufbau des Landes. Bereits am Donnerstag hatte Franziskus das Land bei einer Audienz für ruandische Bischöfe zu "nationaler Versöhnung" aufgerufen. Die Vorurteile und ethnischen Spaltungen müssten überwunden werden.
kle/det (afp, dpa, kna)