Diplomatischer Marathon für Powell in Asien
25. Oktober 2004US-Außenminister Colin Powell hat im Rahmen seiner Asienreise auch Station bei der chinesischen Führung gemacht. Während seiner Gespräche mit seinem chinesischen Kollegen Li Zhaoxing, Präsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao kamen auch die drei wichtigsten politischen Themenkomplexe der Beziehungen zwischen Peking und Washington zur Sprache: der Menschenrechtsdialog, die Taiwan-Frage und die Sechsergespräche mit Nordkorea.
Die Powell-Reise stehe auch im Zeichen der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl, sagt Kai Möller, Asien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). "Die Nordkorea-Verhandlungen dürfen, so denkt die Bush-Administration, nicht Herausforderer John Kerry überlassen werden." Kerry setzt auf aktivere Verhandlungen und schließt im Gegensatz zur Bush-Regierung auch bilaterale Verhandlungen mit dem Regime in Pjöngjang nicht aus. Das verspricht höhere Erfolgsaussichten auf diesem auch innenpolitisch wichtigen internationalen Konfliktfeld.
Nordkorea hofft auf Kerry
Nun hat sich die chinesische Führung nochmals für eine Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche zwischen Nordkorea, China, Südkorea, den USA, Russland und Japan ausgesprochen. Ein für Ende September 2004 geplantes Treffen hatte Nordkorea abgesagt. Nun hofft Powell, dass bereits kurz nach der Wahl ein neues Treffen stattfinden wird. Die USA haben dafür versöhnliche Signale nach Nordkorea gesendet: Man wolle das Problem nicht vor den Weltsicherheitsrat bringen und hat beachtliche materielle Hilfe für den Fall in Aussicht gestellt, dass Nordkorea sein Atomprogramm aufgeben würde. Anfang Oktober 2004 hatte Präsident Bush Hilfe in Millionenhöhe für Nordkorea bewilligt. Asien-Experte Möller sieht Nordkorea jedoch in einer eher abwartenden Rolle. Man erhoffe sich bessere Verhandlungskonditionen unter einer Kerry-Administration.
Die Sechser-Gespräche begannen 2003 nach dem Angriff der US-Truppen im Irak. Bush hatte die Regierung um den Despoten Kim Jong Il auf der so genannten "Achse des Bösen" positioniert. China musste befürchten, dass direkt an der Peripherie ein weiterer militärischer Schauplatz entstehen könnte. Andererseits musste die US-Führung feststellen, dass der Krieg im Irak so schnell nicht beendet werden würde. "China wurde auch in die zentrale Vermittlerrolle gedrängt, die das Land jetzt einnimmt. In einer Art Junktim versprach die US-Führung, in der Taiwan-Frage der chinesischen Führung entgegenzukommen, wenn Peking sich dafür im Streit mit Nordkorea engagiert."
Zankapfel Taiwan
Die abtrünnige chinesische Provinz Taiwan nimmt in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen eine zentrale Rolle ein. Die Taiwan-Frage sei stets "die wichtigste und sensibelste Angelegenheit im Kern der Beziehungen zwischen China und den USA" gewesen, sagte Chinas Botschafter in den USA, Yang Jiechi, Anfang 2004 anlässlich des 25. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. China setzt in der Taiwan-Frage auf das Prinzip "ein Land, zwei Systeme": Demokratische Bestrebungen innerhalb Taiwans werden unterstützt, separatistische Tendenzen aber nicht toleriert. "Die Taiwanfrage gilt als das letzte ungelöste nationale Problem Chinas", erklärt Möller. Auf die Insel verzichten, werde China jedenfalls nicht, zumal Peking seine Legitimität unter anderem auf einen ausgeprägten Nationalismus stützt. Eine grundlegende Lösung des Problems sei deshalb nicht zu erwarten.
Für die USA besitzt die Insel Taiwan eine große strategische Bedeutung. Washington hat der Insel 1979 im "Taiwan Relations Act" vertraglich garantiert, im Falle eines Angriffs zu Hilfe zu kommen. Der "Act" galt als Ersatz für diplomatische Beziehungen, die in dem Moment abgebrochen werden mussten, als Washington Beziehungen zu Peking aufgenommen hatte. Nach Ansicht Möllers kommt den USA nun vor allem die Aufgabe zu, die Entspannung voranzutreiben: Taiwan zu einem Verzicht von Provokationen zu bewegen, um ein militärisches Eingreifen der Zentralmacht auszuschließen. Seit 1993 versucht Taiwan vergeblich, in die Vereinten Nationen aufgenommen zu werden, da die Anerkennung als eigener Staat ausbleibt. Damit fällt die UN als Konfliktvermittler aus.
Der problematische Partner
Die Menschenrechtslage in China überlagert die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Weltmächten. Die USA haben bis 2002 - zum Missfallen der Regierung in Peking - über Jahre hinweg regelmäßig einen Antrag zur Verurteilung von Chinas Menschenrechtspolitik bei der UN-Menschenrechtskommission in Genf eingebracht. Zwar sind die Resolutionen immer an den anderen UN-Mitgliedsländern gescheitert, das Thema aber wurde in die Öffentlichkeit getragen. Asienexperte Möller vermutet, dass die USA China einen weniger öffentlichen Dialog über Fragen der Menschenrechte anbietet. "Damit würden auch die USA hinter verschlossenen Türen verhandeln, so wie es die Europäer in der Regel handhaben." Möglicherweise könnte die neue chinesische Regierung nach der Phase der Konsolidierung "großzügiger werden und einige Neuerungen auf den Weg bringen, wofür es derzeit allerdings noch keine konkreten Anzeichen gibt".