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Diplomatisches Tauziehen um Krim

Bernd Riegert6. März 2014

Die NATO rüffelt Russland. Die EU bietet der Ukraine Milliardenkredite. In Paris traten die Gespräche mit Russland auf der Stelle. In der Krim-Krise soll weiter verhandelt werden, kündigte US-Außenminister Kerry an.

Russischer Außenminister Sergej Lawrow und US-Außenminister John Kerry mit weiteren Gesprächspartnern am Tisch (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen trat am Abend in Brüssel nochmals vor die Presse. Er hatte gerade die vierte Sitzung der NATO-Gremien zur Krim-Krise hinter sich. Sein Blick war ernst, die Miene versteinert. Entschlossen und militärisch knapp gab der Chef-Diplomat der Allianz die Ergebnisse des Treffens mit dem russischen Botschafter im NATO-Russland-Rat bekannt.

Da Russland weiter die Souveränität der Ukraine durch die faktische Übernahme der Krim verletze, werde die NATO alle Treffen auf der militärischen Arbeitsebene vorläufig aussetzen. Eine gemeinsame Marine-Mission zum Schutz des US-amerikanischen Schiffes, das im Mittelmeer syrische Chemiewaffen zerstören soll, werde abgesagt. Gleichzeitig soll das gemeinsame Beratungsgremium, der NATO-Russland-Rat, aber weiter arbeiten. Eine Tür zur Diplomatie solle offen bleiben, sagte Anders Fogh Rasmussen. "Wir senden ein klares Signal an Russland. Wir stellen die tagtägliche Zusammenarbeit ein, aber wir halten einen Gesprächskanal offen. So hoffen wir, zu einer politischen und diplomatischen Lösung beitragen zu können."

Die relativ milden diplomatischen Nadelstiche umschrieb Rasmussen mit den Worten, die NATO wolle "Druck auf ihren russischen Partner ausüben". Immerhin nannte er Russland also noch Partner. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel gab in Washington bekannt, dass er die Zahl amerikanischer Kampfflugzeuge in Polen und den baltischen Staaten erhöhen werde.

EU will Ukraine mit elf Milliarden beispringen

Tagsüber hatten die Botschafter der NATO und der Europäischen Union gemeinsam beraten, um die Politik beider Institutionen in Brüssel zu synchronisieren. Am Donnerstag kommen in Belgien die Staats- und Regierungschefs der EU zusammen, um über Hilfen für die Ukraine zu beraten und möglicherweise auch erste Sanktionen gegen Russland zu beschließen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte vor dem Gipfel ein Hilfspaket von elf Milliarden Euro für die Ukraine vorgeschlagen, die kurz vor dem Staatsbankrott stehen soll. Die Hilfskredite sind aber an Auflagen gebunden, die die Ukraine mit dem Internationalen Währungsfonds zügig aushandeln müsse, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Finanzspritze für die Ukraine: José Manuel BarrosoBild: John Thys/AFP/Getty Images

Klar sei aber, dass das Geld möglichst schnell fließen müsse, "denn die Ukraine braucht dringend Hilfe", so Barroso. "Die Ereignisse der letzten Tage haben uns alle schockiert. Sie erinnern uns daran, dass die Prinzipien wie Frieden, die wir hochhalten, nicht als selbstverständlich angesehen werden können", sagte der EU-Kommissionspräsident vor der Presse. Die alte Logik vom Gleichgewicht der politischen Blöcke sei gefährlich und falsch. "Wir müssen sie durch eine Logik der Kooperation und des Dialogs ersetzen."

EU-Beamte sind in Kiew bereits dabei, den Finanzbedarf zu ermitteln und zu prüfen, wie die Mittel sinnvoll ausgezahlt werden können, damit sie nicht in korrupten Kanälen versickern. Die EU will außerdem eine internationale Geberkonferenz für die Ukraine organisieren. Die USA hatten bereits eine Milliarde US-Dollar an Soforthilfen in Aussicht gestellt. Barroso kündigte an, er wolle prüfen, ob die Gasversorgung der Ukraine auch über Umwege über EU-Staaten sichergestellt werden kann, falls Russland nicht mehr liefern sollte. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk wird am EU-Gipfel teilnehmen und auch das NATO-Hauptquartier besuchen.

Ukraine kann der NATO irgendwann beitreten

NATO-Generalsekretär Rasmussen will dem ukrainischen Regierungschef den Rücken stärken und sagte nach der Sitzung des NATO-Russland-Rates, die Ukraine könne der NATO immer noch beitreten. Es gibt einen grundsätzlichen Beschluss der Allianz vom NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, die Ukraine und Georgien aufzunehmen, sobald die Länder dazu bereit und in der Lage sind.

Eine Sitzung jagt die nächste: NATO-Generalsekretär RasmussenBild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Die Ukraine hatte unter dem abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch die Beitrittspläne nicht weiter verfolgt. "Es liegt ganz bei der Ukraine, wie sie ihre Beziehungen zur NATO weiterentwickeln will", sagte Rasmussen. Russland hat die Annäherung der Ukraine an das westliche Verteidigungsbündnis immer scharf kritisiert.

Pariser Gespräche mit Russlands Außenminister Lawrow ohne Ergebnis

Die Treffen des amerikanischen Außenministers John Kerry und mehrerer europäischer Außenminister mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow brachten in Paris offenbar keine Annäherung. Den ganzen Tag über hatten die Minister in verschiedenen Formaten und in Einzelgesprächen versucht, Lawrow und den ukrainischen Außenminister an einen Tisch zu bringen. Lawrow weigerte sich, mit dem ukrainischen Minister Andrej Deschtschyzia zu sprechen, weil Russland die Übergangsregierung in Kiew nicht anerkennt. US-Außenminister John Kerry sagte, alle Seiten seien sich einig, dass die Krise durch Dialog beendet werden müsse. Es lägen eine ganze Reihe von Ideen auf dem Tisch, auf denen man aufbauen könne.

"Russland hat mit der Truppenstationierung auf der Krim eine Wahl getroffen. Wir sagen klar, dass dies die falsche Wahl ist. Russland hat jetzt die Wahl, die Situation wieder zu entspannen. Wir verfolgen das Ziel mit Russland zusammen und mit unseren Verbündeten einen Weg zur Deeskalation zu finden", sagte Kerry. Der US-Außenminister will Sergej Lawrow bereits am Donnerstag erneut in Rom zu einem Gespräch treffen. "Wir wollen niemanden in eine Ecke treiben, aus der er nicht mehr herauskommt", so Kerry. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach den Treffen in Paris, es gebe noch nicht die angestrebte internationale Kontaktgruppe, die diplomatische Auswege aus der Ukraine-Krise suchen könnte.

Keine großen Fortschritte erkennbar: Larow (l.) und Kerry (r.), hier mit Frankreichs Präsident Hollande beim Treffen in ParisBild: Reuters

Am Donnerstag will der EU-Gipfel beurteilen, ob Russland Schritte zur Deeskalation der Krise unternommen hat. Aufforderungen der USA, der G7 und der EU, seine Truppen auf der Krimhalbinsel zurückzuziehen, hat Russland bislang ignoriert. Der französische Außenminister Laurent Fabius hatte in einem Interview gesagt, dann müsse man wohl über erste Sanktionen beraten und entscheiden. "Ich denke, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden weiter gemeinsam handeln. Jeder weiß, was auf dem Spiel steht. Es ist das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, dass wir wirklich eine Bedrohung der Stabilität oder gar des Friedens auf diesem Kontinent wahrnehmen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem Gipfel.

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