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Politik

Diplomatisches Tauziehen um "Ocean Viking"

9. November 2022

Das Rettungsschiff mit 234 Flüchtlingen an Bord sucht einen sicheren Mittelmeer-Hafen und bittet Frankreich um Hilfe. Das führt zu Spannungen zwischen Paris und Rom. In Sizilien können Geflüchtete die Schiffe verlassen.

Seenotrettungsschiff Ocean Viking
Die "Ocean Viking" der Organisation SOS Méditerranée sucht einen sicheren Hafen (Archivbild)Bild: Fabio Peonia/LaPresse/picture alliance

Das Schicksal der Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff "Ocean Viking" im Mittelmeer hat zu Spannungen zwischen Italien und Frankreich geführt. Paris nannte die Weigerung Roms, das Schiff in einem seiner Häfen anlegen zu lassen, "inakzeptabel". Italiens neuer Außenminister Antonio Tajani bezeichnete die harte Linie seines Landes hingegen als Signal an andere EU-Staaten, dass sie ihren Beitrag bei der Aufnahme von Flüchtlingen leisten müssten. Nach tagelanger Ungewissheit hatten zuvor die Flüchtlinge an Bord der Rettungsschiffe "Geo Barents" und "Humanity 1" in Sizilien an Land gehen können.

Französische Regierung reagiert verärgert

Italiens neue ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte Frankreich am Dienstag dafür gedankt, dass es die "Ocean Viking" mit 234 Flüchtlingen an Bord aufnehmen wolle - ohne dass Frankreich dies angeboten hätte. Der französische Regierungssprecher Olivier Véran reagierte verärgert über Melonis Vorgehen. Dabei verwies er auch ausdrücklich auf die finanzielle Unterstützung der EU für Italien.

"Das Boot befindet sich in italienischen Gewässern, die europäischen Regeln sind sehr deutlich und wurden von Italien akzeptiert, das zudem der größte Empfänger einer solidarischen EU-Finanzhilfe ist", sagte Véran dem Sender France TV. Italien habe "seine Rolle zu spielen" und "seine europäischen Verpflichtungen zu respektieren", betonte der Regierungssprecher. Das Verhalten der italienischen Regierung sei unannehmbar.

EU-Kommission fordert die Aufnahme der Migranten

Die EU-Kommission forderte in einer Erklärung "die sofortige Aufnahme aller geretteten Menschen, die sich an Bord der 'Ocean Viking' befinden, am nächstgelegenen sicheren Ort". Die Situation an Bord des Schiffes sei "kritisch", eine "humanitäre Tragödie" müsse vermieden werden.

Die EU-Kommission verweist auf die gesetzliche Pflicht von Regierungen, Schiffbrüchigen zu helfenBild: Yves Herman/REUTERS

Die "rechtliche Verpflichtung zur Rettung und zur Gewährleistung der Sicherheit des Lebens auf See" sei "klar und eindeutig", erklärte die EU-Kommission mit Blick auf die 234 Migranten an Bord des Schiffes. Sie gelte "unabhängig von den Umständen, die dazu führen, dass sich Menschen in einer Notlage befinden". In ihrer Erklärung nannte die EU-Kommission zwar weder Frankreich noch Italien namentlich, stellte aber klar, dass Regierungen gesetzlich verpflichtet seien, Schiffbrüchigen zu helfen.

Die Vereinten Nationen riefen sowohl Italien als auch die EU zu Solidarität mit Migranten auf. "Die Politik darf nicht auf Kosten der Menschen in Not gehen", warnte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in einer Erklärung. 

Auch die verbliebenen Flüchtlinge dürfen "Humanity 1" verlassen

Erst nach tagelanger Ungewissheit hatten die italienischen Behörden zuvor rund 250 verbliebene Flüchtlinge an Bord der "Geo Barents" und "Humanity 1" in Sizilien an Land gelassen. Mehr als 200 Menschen verließen am Dienstag die im Hafen von Catania liegende "Geo Barents", wie Ärzte ohne Grenzen mitteilte. Nach Angaben der Organisation SOS Humanity durften auch 35 Flüchtlinge die ebenfalls in Catania liegende "Humanity 1" verlassen.

Bootsflüchtlinge auf der "Geo Barents" dürfen in der sizilianischen Stadt Catania an LandBild: Massimo di Nonno/AP Photo/picture alliance

Beide Schiffe waren am Sonntag in den Hafen eingefahren, die Behörden hatten zunächst aber nur einem Teil der Flüchtlinge erlaubt, an Land zu gehen. Dagegen hat die "Ocean Viking" der Organisation SOS Méditerranée nach vergeblicher Suche nach einem sicheren Hafen in Italien dann Frankreich um Hilfe gebeten.

Diplomatisches Tauziehen zwischen Rom und Paris

"Angesichts des Schweigens Italiens und der außergewöhnlichen Situation hat die 'Ocean Viking' ihren Antrag auf einen sicheren Ort in Frankreich ausgeweitet", erklärte SOS Méditerranée. Sowohl Korsika als auch Marseille erklärten sich bereit, das Schiff vorübergehend aufzunehmen.

Der italienische Außenminister Antonio Tajani bezeichnet die neue Strategie seiner Regierung als ErfolgBild: Jens Krick/Flaschpic/picture alliance

Der französische Experte Matthieu Tardis sprach von einem diplomatischen Tauziehen zwischen Paris und Rom. Mit seiner Haltung stelle Italien den europäischen Solidaritätsmechanismus in Frage, warnte er.

Rom will neuen Umgang mit Bootsflüchtlingen

Der italienische Außenminister Tajani bezeichnete die neue Strategie seiner Regierung hingegen als Erfolg. Die Entscheidung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den Hafen in Marseille für die "Ocean Viking" zu öffnen, zeige, dass die "Dinge in Bewegung geraten", bekräftigte er trotz des Pariser Dementis in einem Interview mit regionalen Medien. Er werde das Thema Einwanderung beim nächsten EU-Außenministertreffen kommende Woche ansprechen.

Italiens neue Regierung hatte einen restriktiven Kurs im Umgang mit Bootsflüchtlingen angekündigt: Innenminister Matteo Piantedosi vertritt die Position, dass die Länder, unter deren Flagge die Rettungsschiffe fahren, für die geretteten Migranten an Bord verantwortlich sind.

nob/qu (dpa, afp, epd)

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