Seit 20 Jahren spielt Dirk Nowitzki in der NBA. Nur wenige seiner Landsleute ahnen, wie sehr der Basketball-Profi der Dallas Mavericks in den USA verehrt wird - und wie er den Basketball dort geprägt und verändert hat.
Anzeige
Noch 1,1 Sekunden zu spielen, Einwurf Dallas, Dirk Nowitzki eilt nach vorne, die Fans feuern ihn an, er bekommt den Ball und wirft. Daneben. Die Menge raunt enttäuscht und applaudiert frenetisch. Nowitzki lacht und klatscht seinerseits. Das Auswärtsspiel der Dallas Mavericks in Boston Anfang Januar war längst entschieden - zugunsten der Celtics. Klar, auch deshalb hätten die Heimfans dem Gegner den Korb gegönnt. Aber "Dirkules", der "Germanator" oder das "German Wunderkind" ist eben nicht irgendwer.
Vor genau 20 Jahren, am 5. Februar 1998, bestritt Dirk Nowitzki sein erstes NBA-Spiel. Die verkürzte Saison in der nordamerikanischen Profiliga hatte damals wegen eines Spielerstreiks mit einigen Monaten Verspätung begonnen, aber dem schlaksigen 20-Jährigen aus Würzburg genügte das, um als Kandidat für den Titel des besten Liganeulings (Rookie of the Year) gehandelt zu werden. In seiner zweiten Saison konkurrierte er um den Titel des Spielers mit dem größten Entwicklungssprung (Most Improved Player). Ein Jahr später wurde er zum ersten Mal erfolgreichster Korbschütze der Dallas Mavericks und blieb es auch in den folgenden 13 Jahren.
Vom "Wunderkind" zu "Saint Dirk"
Spätestens in der Saison 2005/2006 war Nowitzki endgültig ein Superstar. Als erster Europäer und dritter Nicht-US-Amerikaner nach dem Nigerianer Hakeem Olajuwon und Steve Nash aus Kanada wurde er zum MVP, dem besten Spieler der Liga, gewählt. Der Höhepunkt seiner Karriere aber war der Titelgewinn 2011 - gegen die damalige Übermannschaft der Miami Heat mit den Superstars LeBron James, Chris Bosh und Dwyane Wade.
Nowitzki wurde zum wichtigsten Spieler der Finalserie gewählt. Seitdem nennt man ihn in Dallas auch "Saint Dirk", der Heilige Dirk. Der ehemalige NBA-Spieler Brian Scalabrine und heutige Kommentator der Boston Celtics schwärmt: "Das war die beste Vorstellung, die ich je in einer Finalserie gesehen habe."
Mancher Experte würde entgegnen, dass auch Michael Jordan in mindestens einer seiner sechs Finalserien Großartiges geleistet hat, oder LeBron James 2016. Und genau zwischen diesen Basketball-Titanen tummelt sich Dirk Nowitzki in der ewigen Scorer-Liste der NBA als einer von nur sieben Spielern mit mehr als 30.000 Karrierepunkten.
Eine Klasse für sich
Was den 2,13 Meter großen Nowitzki schon zu Beginn seiner Karriere besonders machte, fasst Deutschlands Rekordnationalspieler Patrick Femerling so zusammen: "Er ist ein Außenspieler im Körper eines Großen." Nowitzki kann dank seines guten Wurfes von überall punkten, erzielt zahlreiche Drei-Punkte-Würfe, ist aber auch in unmittelbarer Korbnähe erfolgreich. "Das alles", sagt Femerling, "schafft er mit minimalistischem Aufwand: eine Wurftäuschung, ein, zwei Dribblings - das ist supereffizient."
Nowitzkis Markenzeichen ist eine Wurfvariante, bei der er aus der Drehung heraus auf einem Bein von Korb und Verteidiger wegspringt. Auch seinen 30.000sten Punkt (s.u.) erzielte er mit einem solchen "einbeinigen Fade-Away", der auch "Flamingo-Shot" heißt. Wenn andere Spieler ihn imitieren, nennen Reporter ihn aber auch schon einmal schlicht "Dirk".
Europas Basketball-Prophet
Nowitzki hat mit seiner Spielweise den Basketball mitgeprägt, der heute in der NBA gespielt wird. Lange Zeit suchten die Teams für die großen Positionen den nächsten Shaquille O'Neal - einen schweren Center, der die Zone unter dem Korb dominiert. Oder einen Power Forward wie Tim Duncan, der mit seiner Spielintelligenz das ganze Team besser macht.
Heute suchen sie den neuen Dirk Nowitzki: "Er hat das Spiel für Große verändert. Er hat uns die Möglichkeit gegeben, aus der Zone herauszukommen", zitiert das US-Fanportal "Fansided" DeMarcus Cousins. Der 28-jährige Center gilt als einer der talentiertesten Big Men der Liga. Natürlich trifft auch er regelmäßig Dreier, sonst hätte er diesen Ruf nicht. Ligaweit ist der Drei-Punkte-Wurf heute viel wichtiger geworden als er es noch vor 20 Jahren war.
Vielleicht hätte diese Entwicklung auch ohne Nowitzki stattgefunden, sagt Nationalmannschaftskollege Femerling: "Er hat da sicher etwas losgetreten". Ein Zufall wäre es aber wohl nicht, wenn ein Europäer diese Spielweise in die USA gebracht hätte: "Der europäische Basketball war taktisch schon immer vielseitiger."
Superstar ohne Allüren
In den USA wird Nowitzki vor allem deshalb geliebt, weil er viel mehr ist, als ein Ausnahme-Talent. Er gilt als harter Arbeiter, diszipliniert, professionell und wahnsinnig "competitive". Mit ehrgeizig wäre dieses Wort, das so oft fällt im US-Sport, schlecht übersetzt. Denn es geht dabei weniger um Ruhmeshunger als die unbedingte Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen - sei es, die eigene Technik zu verbessern, sich aus einem Rückstand herauszukämpfen oder diesen einen Wurf, den man gerade ausführt, zu versenken. Regelmäßig trainierte Nowitzki nicht nur mit seinem Team, sondern zusätzlich in Einzelschichten mit seinem Jugendtrainer und Mentor Holger Geschwindner, der extra in die USA einflog.
Nowitzki vereint auf sich viele Eigenschaften, die auch andere NBA-Stars zutreffen, aber wohl keiner von ihnen bildet sich so wenig darauf ein wie der Deutsche. "Wenn wir im Sommer zusammen trainiert haben, war er oft eine Stunde länger als andere in der Halle", erinnert sich Patrick Femerling. "Aber er wollte nie etwas Besonderes sein."
So blieb der drei Jahre ältere Femerling auch stets Mannschaftskapitän, obwohl Nowitzki mit ihm im Team war. "Da gab es nie ein Problem", sagt Femerling. "Im Gegenteil: Dass Dirk unser bester Spieler war, hat es gerade so erstrebenswert gemacht, in der Nationalmannschaft zu spielen, denn es ging ihm immer um den Erfolg der Mannschaft."
Fans lieben Nowitzki
Dass es Nowitzki nicht um sich, sondern um den Team-Erfolg geht, hat er auch beim Geld bewiesen: In Dallas hat er über die Jahre freiwillig auf etliche Millionen US-Dollar an Gehalt verzichtet - der "Business Insider" kommt auf theoretische 194 Millionen. Zunächst damit die Mavericks um ihn herum ein konkurrenzfähiges Team zusammenstellen konnten, später weil der Verein kaum noch zahlen konnte, was Nowitzki zugestanden hätte.
Dazu passt, dass Nowitzki in Sozialen Medien Trainings-Videos teilt statt Fotos von protzigen Autos, goldenen Uhren oder Promi-Empfängen. 2017 twitterte er ein Urlaubsfoto von sich auf einem rostigen Hollandrad mit dem Kommentar: "Alle posten derzeit Bilder von ihren Trainingseinheiten! Also: Hier schinde ich mich auf meinem neuen Fahrrad."
Zahllose Internet-Videos dokumentieren Nowitzkis Sinn für Humor, der auch vor ihm selbst keinen Halt macht: Mal tritt er in einem Werbespot mit einer Perücke seiner eigenen Frisur auf, mal brilliert er bei einer Benefiz-Veranstaltung mit Slap-Stick-Einlagen oder er synchronisiert seine eigene Comic-Parodie. All das summiert sich zu einer Beliebtheit, die ihresgleichen sucht und die zeigt, dass Dirk Nowitzki weit mehr ist, als "nur" ein außergewöhnlich guter Basketballer.
Die erfolgreichsten Korbjäger der NBA
Mit Chris Paul, DeMar DeRozan und Russell Westbrook haben drei Top-Scorer vor der neuen NBA-Saison den Klub gewechselt. An der Spitze der ewigen Bestenliste sammelt LeBron James jenseits der 40.000er-Marke weiter Punkte.
Bild: Darren Abate/AP Photo/picture alliance
Damian Lillard - 21.717 Punkte*
Der 2,03 Meter große Point Guard ist einer der besten Dreierschützen der NBA. Nicht selten nimmt er sehr weite Würfe und trifft. Elf Jahre lang läuft der Olympiasieger von 2020 für die Portland Trail Blazers auf, bevor er 2023 zu den Milwaukee Bucks wechselt. Lillard ist der 51. NBA-Spieler, dem mehr als 20.000 Punkte in seiner Karriere gelingen. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: Aaron Gash/AP Photo/picture alliance
Chris Paul - 22.538 Punkte*
Größer als seine Scorer-Fähigkeiten sind seine Qualitäten als Passgeber. Paul, mit 1,83 Metern einer der kleinsten NBA-Spieler, ist mit über 12.000 Assists drittbester Vorbereiter der Liga-Geschichte. Nach Stationen in New Orleans, bei den LA Clippers, in Houston, Oklahoma City, Phoenix und bei den Golden State Warriors spielt Paul seit 2024 für die San Antonio Spurs. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: Eric Gay/AP Photo/picture alliance
DeMar DeRozan - 24.078 Punkte*
Vor seinem Wechsel zu den Sacramento Kings spielt der Small Forward für die Toronto Raptors, San Antonio und Chicago in der NBA. Im Vergleich zu anderen Top-Spielern schießt DeRozan nur wenige Drei-Punkte-Würfe, sondern punktet bevorzugt aus der Halbdistanz oder mit Drives zum Korb. DeRozan ist im Oktober 2022 der 50. NBA-Profi, der 20.000 Karriere-Punkte erreicht. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: Christopher Katsarov/The Canadian Press via AP
Stephen Curry - 24.127 Punkte*
Wohl kein NBA-Profi beherrscht den Wurf jenseits der Drei-Punkte-Linie so gut wie er. Seit Dezember 2021 hält Curry den Allzeit-Rekord für die meisten verwandelten Dreier. Der kleine Guard der Golden State Warriors ist aber mehr als ein Weitwurf-Spezialist. Zweimal wird er zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. Viermal gewinnt er mit Golden State die Meisterschaft. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: Michael Wyke/AP Photo/picture alliance
Russell Westbrook - 25.483 Punkte*
Der MVP von 2017 ist der NBA-Profi mit den meisten Triple Doubles, zweistelligen Werten pro Spiel in drei Kategorien. Zu Karrierebeginn bildet Westbrook in Oklahoma City mit James Harden und Kevin Durant ein starkes Trio, bleibt aber titellos. Nach Stationen in Houston, Washington bei den L.A. Lakers und L.A. Clippers spielt Westbrook seit 2024 für die Denver Nuggets. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: David Zalubowski/AP Photo/picture alliance
James Harden - 26.460 Punkte*
Die Verteidiger von "The Beard" sind nicht zu beneiden: Lässt man ihm Platz, trifft Harden den Dreier. Geht man näher ran, dribbelt er vorbei und zieht zum Korb. Auch seine Qualitäten als Passgeber hat er verbessert. Der Guard, der im Sommer 2023 seinen Wechsel von Philadelphia zu den Los Angeles Clippers erzwingt, ist unter den Top 25 bei Karriere-Punkten und -Vorlagen. (*Stand 18. Dezember 2024)
Bild: LM Otero/AP Photo/picture alliance
Carmelo Anthony - 28.289 Punkte
Der 2,03 Meter große Forward, der 2003 in der NBA debütiert, entwickelt sich im Laufe der Jahre zum verlässlichen Distanzschützen. Nach acht Jahren in Denver spielt Anthony sechs Saisons für New York. Über Oklahoma City, Houston und Portland kommt er 2021 zu den Lakers. Im Sommer 2022 wird sein Vertrag dort nicht verlängert. Der dreimalige Olympiasieger ist Zehnter der ewigen Scorerliste.
Bild: Ross D. Franklin/AP/picture alliance
Shaquille O'Neal - 28.596 Punkte
Der bullige 2,16-Meter-Center erzielt fast alle Punkte aus kurzer Distanz. Eklatant ist seine Schwäche bei Freiwürfen. Das Foulen O'Neals vor dem Wurf ("Hack-a-Shaq") machen viele Gegner daher zu ihrer Taktik. O'Neal, von 1992 bis 2011 für Orlando, die Lakers, Miami, Phoenix, Cleveland und Boston aktiv, geht trotzdem meist als Sieger vom Feld. Er wird viermal Meister und einmal MVP der Liga.
Bild: picture-alliance/Pressefoto Ulmer
Kevin Durant - 29.309 Punkte*
Mit Golden State gewinnt "KD" 2017 und 2018 den NBA-Titel. Zuvor wird der bewegliche, elegante Forward bei Oklahoma City zum MVP der Saison 2014 gewählt. Von 2019 bis 2023 spielt er für die Brooklyn Nets, hat dort aber immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Seit Februar 2023 spielt Durant, der mit den USA dreimal Olympia-Gold gewinnt, für die Phoenix Suns. (*Stand 18. Dezember 2024).
Bild: Gareth Patterson/AP Photo/picture alliance
Wilt Chamberlain - 31.419 Punkte
Bevor Wilt Chamberlain 1959 NBA-Profi wird, spielt er ein Jahr lang für die Show-Truppe Harlem Globetrotters. Als Profi stellt er zahlreiche Punkterekorde auf. Unerreicht ist seine Marke aus dem Spiel Philadelphia gegen New York im Jahr 1962. Chamberlain erzielt 100 Punkte. Insgesamt 118 Mal schafft er 50 oder mehr Zähler in einem Spiel. 1999 stirbt er im Alter von 63 Jahren an Herzversagen.
Bild: picture-alliance/AP Images
Dirk Nowitzki - 31.560 Punkte
Unaufgeregt, immer bescheiden, oft nicht sehr spektakulär, aber meist beeindruckend sicher bringt Dirk Nowitzki seine Würfe ins Ziel. Unerreichte 21 Saisons - von 1998 bis 2019 - ist "Dirkules" den Dallas Mavericks treu. 2011 holt er mit den Mavs den Meistertitel. Als erster Europäer knackt Nowitzki die 20.000-Punkte-Marke und ist der sechste NBA-Profi, der die 30.000er-Schallmauer durchbricht.
Bild: Reuters/USA TODAY Sports
Michael Jordan - 32.292 Punkte
Die 23 trägt "Air" Jordan schon auf dem College in North Carolina - bei den Chicago Bulls wird er damit zur Legende und holt sechs Titel. Jordans besondere Spezialität ist der "Buzzer Beater", ein entscheidender Wurf mit der Schlusssirene. Jordan gilt vielen bis heute als "bester Basketballer aller Zeiten". Seine Zahlen wären noch gigantischer, hätte er seine Karriere nicht zweimal unterbrochen.
Bild: Beth A. Keiser/AP Photo/picture alliance
Kobe Bryant - 33.643 Punkte
Nicht viele Basketballer können so elegant spielen wie die "Black Mamba". Der Guard der LA Lakers, der als Sohn eines US-Basketballprofis in Italien aufwächst, spielt ab 1996 in der NBA, immer für die Lakers. Er führt sein Team zu fünf Titeln. Mit 37 Jahren zwickt der Rücken und nach 20 Saisons ist im April 2016 Schluss. Bryant kommt 2020 mit 41 Jahren bei einem Helikopter-Absturz ums Leben.
Bild: Mike McGinnis/ZUMA/picture alliance
Karl Malone - 36.928 Punkte
Er wird "Mailman" genannt, und fast jede seiner Sendungen findet in Form eines geworfenen Basketballs das Ziel. Der bullige Power Forward läuft 18 Saisons für die Utah Jazz auf und ein Jahr für die Lakers. Meister wird er nie, dafür 1992 in Barcelona Olympiasieger mit dem "Dream-Team". Malone (l.) und sein Vorlagengeber John Stockton (r.) stehen als Bronzestatuen vor der Arena in Salt Lake City.
Bild: ZUMA Press/IMAGO
Kareem Abdul-Jabbar - 38.387 Punkte
Kareem Abdul-Jabbar und sein kaum zu verteidigender Hakenwurf "Sky Hook" sind legendär. Zwischen 1969 und 1989 spielt der als Ferdinand Lewis Alcindor geborene Abdul-Jabbar, der 1971 zum Islam konvertiert, für die Milwaukee Bucks und die Los Angeles Lakers. Sechsmal wird der 2,18 Meter lange Center Meister und sechsmal MVP. 19 Mal steht der "Captain" im Aufgebot des All-Star-Games.
Bild: picture-alliance/ZUMA Press
LeBron James - 41.021 Punkte*
Kaum ein NBA-Profi ist ähnlich hoch dekoriert wie der Forward, der seit 2018 für die Los Angeles Lakers spielt. Viermal wird er zum wertvollsten Spieler der Liga (MVP) gekürt, viermal zum MVP der NBA-Finals. Den Meistertitel gewinnt James ebenfalls viermal. 2012 und 2013 mit den Miami Heat, 2016 mit Cleveland und 2020 mit den Lakers. (*Stand 18. Dezember 2024)