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Politik

Diskussion über Impfpflicht nimmt Fahrt auf

23. November 2021

Die Sieben-Tage-Inzidenz markiert bundesweit einen neuen Höchststand von fast 400. Während Winfried Kretschmann und andere mittlerweile für eine Impfpflicht werben, bleibt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn skeptisch.

Gesundheitsminister Jens Spahn BPK
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: "Impfpflicht löst akutes Problem nicht"Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bei der Frage um eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus gehe es nicht nur um eine juristische Frage, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Deutschlandfunk. Es gehe um das Verhältnis der Bürger zum Staat, um Freiheit und Verantwortung. Zwar gebe es eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen. Es gelte aber zu bedenken, was es für die Freiheit bedeute, wenn der Staat das Impfen für alle anordne.

Zudem verwies der CDU-Politiker auf offene Fragen bei der Durchsetzung einer Impfpflicht. Wenn man Bußgelder bei Kontrollen verhänge, hätten es Menschen mit mehr Geld besser als jene mit weniger Geld. "Oder geht es dann ins Gefängnis für die, die kein Geld haben?", fragte Spahn.

Friedrich Merz gegen Impfpflicht

Zugleich verwies der geschäftsführende Minister darauf, dass eine Impfpflicht zum Brechen der aktuellen vierten Welle wegen der zeitverzögerten Wirkung nichts beitragen werde. "Sie löst unser akutes Problem nicht", betonte Spahn. 

Das sieht der für den CDU-Parteivorsitz kandidierende Friedrich Merz ähnlich: "Die allgemeine Impfpflicht würde jetzt Wochen oder Monate dauern, bis sie wirkt", sagte der Wirtschaftspolitiker im Ersten Deutschen Fernsehen. Er sei zudem skeptisch, ob eine Impfpflicht verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Auch die Durchsetzung bei Menschen, die sich "konsequent weigern", halte er für schwierig, sagte Merz weiter. 

Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg (Archivbild)Bild: Marijan Murat/AFP

Kretschmann will Impfpflicht

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht in einer Impfpflicht die notwendige Maßnahme, um aus der Corona-Pandemie zu kommen. Er glaube nicht, dass dieser Schritt verfassungswidrig sei, so Kretschmann im ZDF. Er erwarte harte Diskussionen darüber, stehe aber hinter seiner Forderung: "Wir halten es einfach für erforderlich, weil wir sonst aus dieser Pandemie einfach nicht rauskommen und fortwährend Freiheitsrechte beschränken müssen." 

"Die Zeit drängt"

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp erklärte in der ARD-Sendung "Hart aber fair", eine Impfpflicht wäre zwar ein massiver Grundrechtseingriff. Er habe aber große Skepsis, wie man anders aus der Spirale der Pandemie herauskommen könne, sagte der FDP-Politiker.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus (Archivbild) Bild: David Inderlied/picture alliance/dpa

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus plädierte in der Talkshow richtiggehend ungeduldig für eine Impfpflicht. "Jetzt drängt die Zeit", sagte die Theologin: "Wir sind in einer Situation, wo jeden Tag dieses ganze Hin und Her Menschenleben kostet." Es müsse jetzt gesagt werden: "Impft euch!"

Jurist: Impfpflicht ist verfassungskonform

Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wäre nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Battis vom Grundgesetz gedeckt. "Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar - und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen", sagte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Battis verwies auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt. "Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Artikel 2 festschreibt, hat dahinter zurückzutreten."

Aktuell sind laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) insgesamt 68 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig gegen COVID-19 geimpft, 70,5 Prozent mindestens einmal. Die geringe Impfquote gilt als ein Grund für das Ausmaß der vierten Welle der Pandemie.

Neuer Rekordwert bei Inzidenz

Das RKI bestätigte 45.326 Neuinfektionen. Die Zahl der neuen Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg auf einen neuen Rekordwert von 399,8. Die Zahl der bisherigen Corona-Toten liegt bei 99.433.

Drastische Anstiege der Infektionen gibt es weiter im Südosten. In Sachsen kletterte die Inzidenz auf 969,4. In Thüringen beträgt sie 685,3. Dann folgen Bayern mit 644,9, Brandenburg mit 600,1 und Sachsen-Anhalt mit 591,7. In allen fünf Ländern ist die Impfquote unterdurchschnittlich. Die niedrigste Inzidenz gibt es in Schleswig-Holstein mit 144,5.

Die Hospitalisierungsrate beträgt bundesweit derzeit 5,3. Der Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche mit COVID-19 in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Die Hospitalisierungsrate ist entscheidend für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den jeweiligen Bundesländern.

Schulkinder in Brandenburg müssen nicht mehr zwingend in die Schule kommenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Brandenburg hebt Präsenzpflicht an Schulen auf

An den Brandenburger Schulen gilt wegen der Corona-Infektionslage bald keine Anwesenheitspflicht für die Schüler mehr. Das sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) im RBB-Inforadio. Das sei der Wunsch vieler Eltern. Die Einzelheiten - etwa Ausnahmen für Abschlussklassen - würden noch ausgearbeitet. Außerdem plant Ernst, die Weihnachtsferien für Brandenburger Schülerinnen und Schüler um drei Tage vorzuziehen. Ernst sieht auch die Erwachsenen in der Pflicht, durch Impfungen die Situation für die Kinder zu entspannen. Schulschließungen sollten nicht die Lösung sein.

nob/as (epd, dpa, afp) 

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