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PolitikEuropa

EU will Rassismus eindämmen

19. März 2021

Premiere in Brüssel. Zum ersten Mal hat die Europäische Union zu einem "Gipfel" gegen strukturellen Rassismus eingeladen. Mit Aktionsplänen will die EU Diskriminierung in den Griff kriegen. Bernd Riegert berichtet.

Symbolbild Antirassismus Deutschland Demonstration
Demonstration gegen Rassismus in Deutschland im vergangenen Sommer (Archiv)Bild: Ben Kriemann/Geisler-Fotopress/picture alliance

Dorde Jovanovic, einem Roma aus Serbien, platzte während des ersten "Anti-Rassismus-Gipfels" der Europäischen Union der Kragen. "Ich habe keine Lust mehr ständig von meinen negativen Erfahrungen zu berichten. Ich will nicht immer als Opfer abgestempelt werden, während dann eine rein weiße EU-Kommission Entscheidungen trifft", sagte Jovanovic in der vier Stunden langen Videokonferenz. Es sei Zeit zu handeln, forderte der Präsident des "Europäischen Zentrums für die Rechte der Roma". Den im vergangenen Jahr verabschiedeten Aktionsplan der EU gegen Rassismus, der während des Gipfels von Vertretern der EU-Kommission immer wieder gelobt wurde, bezeichnete Dorde Jovanovic als viel zu lasches Instrument. Die EU müsse endlich gegen Mitgliedsstaaten und Beitrittskandidaten vorgehen, die Roma und Romnija benachteiligten und ausgrenzten.

Tatsächlich haben verschiedene Agenturen und der Europäische Gerichtshof in den vergangenen Jahren mehrfach festgestellt, dass zum Beispiel in Rumänien, der Slowakei oder Serbien rassistisch motivierte Benachteiligung von Roma an der Tagesordnung ist. "Wir wollen endlich mitentscheiden", forderte Jovanovic. Schließlich seien die Roma in der EU die größte Minderheit. Rund sechs Millionen Roma und Romnija leben in EU-Staaten, weitere sechs bis sieben außerhalb der EU, vor allem in den Ländern des Westlichen Balkan.

Videobotschaft von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Screenshot)Bild: European Union

EU-Kommission sieht Rassismus überall

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, konnte auf die Vorhaltungen von Dorde Jovanovic nicht antworten. Sie war nur mit einer Videobotschaft auf der als "Gipfel" angekündigten Diskussionsveranstaltung vertreten. Von der Leyen räumte ein, dass "Rassismus uns überall umgibt". Jeden Tag würden Schwarze, Juden, Moslems, Menschen mit arabisch klingenden Namen, Migranten und Flüchtlinge Rassismus in der EU erleben. "Struktureller Rassismus existiert in allen Lebensbereichen: bei der Job- und Wohnungssuche, in den Schulen, im Gesundheitswesen, bei der Aufnahme von Krediten", sagte die für Gleichstellung zuständige EU-Kommissarin Helena Dalli. Sie trat live in der Videokonferenz auf und versprach weitere Aktionspläne gegen Antisemitismus, für Roma-Rechte und gegen "Islamophobie".

Alltäglicher Rassismus: Vorurteile gegen Roma zum Beispiel in Deutschland

Aktionsplan soll helfen

"Wir müssen über Rassismus reden. Wir wollen die Kräfte in der EU bündeln, zusammen mit der Polizei, den Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft", schlug Ursula von der Leyen vor, die Präsidentin der Kommission. Auch in den Institutionen der EU gebe es strukturellen Rassismus. Deshalb führe die Kommission jetzt zum ersten Mal eine Befragung ihrer 38 000 Angestellten durch, um die Defizite zu erkennen.

Inspiriert von der "Black lives matter"-Bewegung in den USA und Protesten in ganz Europa im Sommer 2020 hat die EU-Kommission im September ihren ersten "Aktionsplan gegen Rassismus" aufgestellt. Darin werden die 27 Mitgliedsstaaten der EU aufgefordert, bis Ende 2022 eigene Pläne mit konkreten Maßnahmen bei der Zentrale in Brüssel einzureichen. Ursula von der Leyen kündigte an, dass bald ein Anti-Rassismus-Beauftragter der EU eingesetzt werde, der die Fäden zusammenhalten solle. "Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen", so von der Leyen. Schließlich sei das Motto der EU "Einheit in Vielfalt".

Mbo Mpenza: Ex-Fußballer präsentierte konkrete Projekte gegen Rassismus (Screenshot)Bild: European Union

Projekt gegen Rassismus

Der ehemalige belgische Profi-Fußballer, Mbo Mpenza, im Kongo geboren, stellte ein konkretes Projekt vor, mit dem Rassismus bekämpft werden kann. Nach seinem Karriereende organisiert Mpenza Fußball-Camps und Talentsuchen für Jungen und Mädchen aus allen Teilen Belgiens. Dabei werden nicht nur Vereinsmitglieder, sondern auch Fußballer von der Straße eingeladen, damit Flüchtlinge, Migranten und sozial Benachteiligte eine Chance haben. Auch Mbo Mpenza hat als Kicker einer Straßenmannschaft begonnen und es schließlich in das belgische Nationalteam geschafft. Mpenza berichtete den Gipfel-Teilnehmern von dem Rassismus, den er in Belgien am eigenen Leib erfahren hat. "Als ich als junger Profifußballer das erste Mal in ein volles Stadion lief, riefen die Leute Beleidigungen und machten Laute wie Affen. Das war eine große Enttäuschung." Seine Hautfarbe habe ihn immer "anders" gemacht. Deshalb habe er sich entschlossen, sich für Minderheiten zu engagieren. Den Einsatz der EU-Kommission gegen Rassismus nannte Mpenza sehr wichtig.

Pandemie verschärft die Probleme

Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli aus Malta, wies darauf hin, dass die Pandemie die Lage von Minderheiten verschlechtert habe. Schwarze, Juden, Roma würden mehr unter den Folgen von Covid-19 und schlechterem Zugang zum Gesundheitswesen leiden als andere, so Dalli. Die Pandemie verstärke die Ungleichheit, meinten auch mehrere andere Diskussionsteilnehmer. Lord Simon Wolley of Woodford, Abgeordneter des Oberhauses in Großbritannien, brachte es auf den Punkt: "Rassismus ist auch eine globale Pandemie, und das schon seit Jahrhunderten." Wolley setzt sich mit der Organisation "Operation Black Vote" für Gleichberechtigung im Vereinigten Königreich ein. EU-Kommissarin Helena Dalli kündigte an, dass der "Anti-Rassismus-Gipfel" von EU-Institutionen und dem Europarat fortan jedes Jahr am Vorabend des Welttages gegen Rassismus (21. März) stattfinden solle.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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