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KunstEuropa

Moskau zeigt "Diversity United"

23. November 2021

Als Auseinandersetzung mit den Werten Europas hat die Ausstellung in Berlin begeistert. Ihre Präsentation in Russland war fraglich. Nun ist sie in Moskau zu Gast.

Menschengroße Aquarelle in Rot halten ein leeres Blatt vor ihre Körper.
Ekaterina Muromtsevas Beitrag für die Ausstellung "Diversity United" in der Tretyakov GalerieBild: CHO/Ekaterina Muromtseva

Die Ausstellung "Diversity United" öffnet ihre Türen nun auch für das russische Publikum - und das ist für das internationale Organisationsteam ein Grund zur Freude. Als die Ausstellung vom Juni bis Oktober 2021 im Berliner Flughafen Tempelhof zu sehen war, löste sie viel Zuspruch aus und zog weit mehr als 50.000 Besucher an. Und doch war zu befürchten, dass die Werke, die inhaltlich um Themen wie Migration, Freiheit, Widerstand kreisen, nicht nach Moskau reisen dürfen.

Diverses und vereintes Europa

Unter den fast 400 Werken von 90 namhaften Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt finden sich auch viele kritische Beiträge, deren Urheberinnen und Urheber klar Position beziehen - wie etwa die russische Künstlerin Ekaterina Muromtseva mit ihrer riesigen Aquarellserie "Streikposten" über die Protestkultur.

Sie zeigt überlebensgroße, blutrote Figuren und fordert dazu auf, Stellung zu beziehen - für oder gegen den Widerstand. Auch Künstler wie Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Gilbert & George, Olafur Eliasson, Monica Bonvicini, Katharina Sieverding oder Boris Mikhailov haben ihre Werke für die Ausstellung zur Verfügung gestellt, etwa ein Drittel wurde eigens für das Projekt erschaffen.

Diese Arbeit der Künstlergruppe "Slaves und Tatars" trägt den Titel "Mystical Protest" - "Mystisches Protest"Bild: CHO/Kraupa- Tuskany Zeidler/Foto Julia Zaharova

"Ich bin sehr glücklich und stolz, dass unsere Ausstellung in den ikonischen Räumen der Neuen Tretjakow-Galerie präsentiert wird", freut sich Walter Smerling. Der Vorsitzende der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur ist für die Organisation der Megaschau mit einem Budget im mittleren siebenstelligen Bereich verantwortlich. Die Ausstellungseröffnung in Moskau sei "ein Sinnbild für eine offene und zukunftsorientierte Gesellschaft", so Smerling.

Sie sei "ein wichtiges Zeichen der Solidarität der Kunst- und Kulturszene" und in "heutigen pandemischen Zeiten angesichts der Reiseschwierigkeiten umso wichtiger", betont Selfira Tregulowa, Generaldirektorin der Tretjakow-Galerie im DW-Gespräch am Rande der Vernissage am 22. November 2021 in Moskau. Die Kunstwissenschaftlerin fühlt sich an die großen internationalen Dialogausstellungen erinnert, wie sie in den 1980er- und 1990er-Jahren stattfanden.

Ursprünglich war "Diversity United" als Fortführung der großen Ausstellungsprojekte wie "Moskau-Berlin" oder "Moskau-Paris" gedacht. Auch diesmal gibt es wieder eine Achse Moskau-Berlin-Paris. Am Anfang der Perestroika seien diese Ausstellungen ein wichtiges Zeichen der Öffnung und eine zentrale Erfahrung vieler Russen mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen gewesen, so Tregulowa. Einen ähnlichen Effekt erhofft sie sich nun von "Diversity United".

Ausstellung mit Hindernissen

Dabei galt es bei der Umsetzung Hürden wie die Corona-Pandemie und das immer rauer werdende politische Klima in Russland zu überwinden. Drei Staatsoberhäupter hatten sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft über die "Vereinigte Diversität" zu übernehmen: die Präsidenten von Russland, Deutschland und Frankreich, Wladimir Putin, Frank-Walter Steinmeier und Emmanuel Macron. Schließlich ging es den Kuratoren, wie sie es formulierten, um "die Suche nach dem Wesen des komplexen, fragilen und sich wandelnden Projekts Europa".

Gilbert & George, das Künstlerpaar aus Großbritannien, zeigt ihr Werk "AHEM"Bild: CHO/Foto Julia Zaharova

Dann musste die für November 2020 in Moskau geplante Eröffnung pandemiebedingt abgesagt werden. Die ursprünglich zweite Station - Berlin - rückte vor und zeigte "Diversity United" zuerst. Die Eröffnung im Juni 2021 wurde dann von einer politischen Kontroverse überschattet: Kurz vor der Vernissage wurden in Russland eine Reihe von deutsch-russischen Organisationen für unerwünscht erklärt, die zum Petersburger Dialog gehören. Dieses einst von Putin und Gerhard Schröder gegründete Forum versteht sich als Plattform für die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften beider Länder.

"Diversity United" soll Dialog fördern

Damals unterstrichen die Organisatoren, dass die Haltung der russischen Regierung nicht hingenommen werden könne. Heute klingt der offizielle Wortlaut etwas anders: Die Kunst sei als "einmalige Chance" zu verstehen, um im Austausch zu bleiben und, so Walter Smerling, "mit Hilfe von Künstlerinnen und Künstlern Diskussionen zu fördern, die es bisher in Russland so nicht gab - etwa über das Recht auf Individualität und gesellschaftliche Freiheit".

Für Russland sei es besonders wichtig, mit dieser Ausstellung die Vielfalt Europas und Diversität als etwas Positives vorzuführen, sagt Sergey Fofanov, der russische Kurator der Schau. "Russland ist Teil der europäischen Kultur und Tradition. Wir dürfen uns nicht gegenseitig ablehnen, sondern müssen den Dialog suchen. Nur so überlebt unsere gemeinsame Kultur."

Bundespräsident Steinmeier bei der Ausstellungseröffnung in BerlinBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Frank-Walter Steinmeier besuchte "Diversity United" in Berlin und lobte die Ausstellung als "Ausdruck des Selbstbewusstseins der Kunst und der Künstlerinnen und Künstler in Europa". Wladimir Putin wurde bei der Vernissage in Moskau vorerst nicht gesichtet. Ob er seinen Besuch zu einem späteren Zeitpunkt nachholen wird - wie es bei einem anderen, nicht unpolitischen deutsch-russischen Großprojekt, der Ausstellung "Träume von Freiheit" der Fall war, ist noch offen.

In Moskau ist die Ausstellung begleitet von zahlreichen Veranstaltungen bis zum 13. März 2022 zu sehen. Danach wandert sie weiter nach Paris.

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