US Open: Djokovic-Aus - Skandal oder Gerechtigkeit?
7. September 2020
Überreaktion oder regelkonforme Entscheidung der Turnierleitung? Die Disqualifikation des Turnierfavoriten Novak Djokovic bei den US Open sorgt für sehr geteilte Meinungen in der internationalen Presse.
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Die einen wittern eine Verschwörung, die anderen sehen in den den Fehltritt des Serben im Charakter Novak Djokovics begründet. Der serbische Weltranglistenerste hatte sich während seines Achtelfinalduells gegen Pablo Carreno Busta beim Stand von 5:6 offenbar so geärgert, dass er einen Ball mit dem Schläger achtlos nach hinten feuerte. Dabei traf er unabsichtlich eine Linienrichterin am Kehlkopf. Die Frau sackte danach zu Boden und musste behandelt werden. Die Reaktionen auf die nachfolgende Disqualifikation von Novak Djokovic sorgte anschließend für sehr unterschiedliche Reaktionen in der internationalen Presse.
"Djokovic verliert die Nerven. Sein Rauswurf macht die ohnehin bizarren US Open noch merkwürdiger", kommentierte etwa die "New York Times". In der serbischen Heimat dagegen wittern die Medien eher einen Skandal statt einer gerechten Strafe.
Die Pressestimmen in der Übersicht:
SERBIEN
Sportski zurnal: "Skandal in New York. Rote Karte für Djokovic. Eine schockierende Entscheidung der Schiedsrichter. Djokovic wurde wegen eines Zufallstreffers bestraft."
Blic: "Skandal! Djokovic ist Opfer einer noch nie dagewesenen Ungerechtigkeit. Er hatte nicht die Absicht zu treffen, und der Schlag war nicht hart."
Kurir: "Roger Federer wäre nicht disqualifiziert worden. Dies ist der Beweis, dass Djokovic nicht gleich behandelt wird. Der Schweizer hat 2009 in Melbourne ein Kind getroffen, und alle haben gelacht."
Informer: "Djokovic brutal beraubt! Eine schreckliche Ungerechtigkeit."
USA
New York Times: "Djokovic verliert die Nerven. Sein Rauswurf macht die ohnehin bizarren US Open noch merkwürdiger."
New York Post: "Das Fiasko. Djokovics übertriebene Bestrafung ist furchtbar für die US Open. Der Oberschiedsrichter hat Glück, dass keine Zuschauer in der Arena da waren."
Washington Post: "Eine unvorstellbare Wende eines ungewöhnlichen Turniers.
ENGLAND
The Times: "Selbst die größten Djokovic-Fans müssen eingestehen, dass sein Temperament seit Jahren eine tickende Zeitbombe war."
The Sun: "Shockovic! Ein sensationeller Tritt in den Hintern für Djokovic, unfassbare Szenen auf dem Court."
Mirror: "Es war definitiv keine Absicht, der Ball nicht mal hart geschlagen. Aber die Entscheidung ist richtig. Ein unfassbares Ende für Djokovics Hoffnung auf einen 18. Grand-Slam-Titel, der so wahrscheinlich ausgesehen hatte. Bis zu diesem Ball."
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FRANKREICH
L'Equipe: "Die Flucht der Nummer eins vom Parkplatz. Eine unfassbare Disqualifikation."
Le Monde: "Wer hätte Djokovic auf dem Weg zum Titel schon stoppen können? Nur er selbst. Da es kein anderer kann, wirft der Champion sich selbst raus."
AUSTRALIEN
The Australian: "Skandal um einen Ball an die Kehle für das 'Unschuldslamm'. Djokovics Angewohnheit, wie rasend Bälle in den Zaun zu schießen, holt ihn dramatisch ein."
Sydney Morning Herald: "Djokovics Selbstsucht und sein Narzissmus waren schon lange ein zweischneidiges Schwert. Dadurch, dass er ständig seinen eigenen Wert überhöht, ist er unfähig geworden, sich als etwas anderes zu sehen als den Fixstern im Tennis-Universum, dem alle anderen Bewunderung und Dankbarkeit schulden. Sein Rauswurf ist die perfekte Metapher für sein Jahr, in dem er so viel falsch gemacht hat. Wäre er ein Boxer, hätte ihn der Ringrichter in der ersten Runde rausgenommen."
NIEDERLANDE
Telegraaf: "Ein Achtelfinale endet im totalen Drama. Djokovic ignoriert die Warnungen. Er lachte über die Möglichkeit der Disqualifikation."
ITALIEN
Gazzetta dello Sport: "Unglaublich. Skandalös. Unerhört. Ein undenkbarer Epilog."
SPANIEN
Marca: "Außergewöhnlich!!! Eine surrealistische Disqualifikation. Die US Open treffen eine historische Entscheidung."
jst/ck (sid/dpa)
Die größten Ausraster der Tennis-Geschichte
Topfavorit Novak Djokovic wird bei den US Open disqualifiziert, weil er wutentbrannt einen Ball wegschlägt und eine Linienrichterin trifft. Er ist nicht der Erste in der Tennis-Historie, der sich einen Ausraster leistet.
Bild: Getty Images/A. Bello
Endstation für den Djoker
Am Hals getroffen sinkt die Linienrichterin sofort zu Boden und hat Atemprobleme. Augenblicke zuvor hatte der Top-Favorit bei den US Open 2020 seinem Ärger freien Lauf gelassen: nach einem verlorenen Ballwechsel drosch er den Ball nach hinten weg, unabsichtlich traf er die Linienrichterin. Der Djoker entschuldigt sich, wird aber den Regeln entsprechend disqualifiziert.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Wenig
Keine Hilfe von "ganz oben"
Auch das letzte Mittel bringt nichts: Serena Williams fleht Oberschiedsrichter und Supervisorin der US Open 2018 an, die Entscheidung des Stuhlschiedsrichters zu überstimmen. Sie stößt auf verständnisvolle Gesichter, letztlich aber auf taube Ohren. Nachdem Williams dem Schiedsrichter, den sie zuvor als Dieb bezeichnet hat, auch noch Sexismus vorwirft, gibt es eine Geldstrafe von 17.000 US-Dollar.
Bild: picture-alliance/dpa/MediaPunch
Wie sich die Bilder gleichen...
Auch im Halbfinale der US Open 2009 holt Williams Oberschiedsrichter und Supervisor auf den Platz, weil eine Linienrichterin kurz vor dem Matchball für Gegnerin Kim Clijsters auf Fußfehler entscheidet. Williams wütet und droht: "Wenn ich könnte, würde ich einen Ball nehmen und ihn dir tief in den Rachen stopfen!" Williams erhält eine Geldstrafe von 117.000 Euro und spielt zwei Jahre auf Bewährung.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gombert
Der König der Pöbler
John McEnroe bleibt unerreicht, wenn es ums Schimpfen und Ausfälligwerden geht. 1990 ist er der erste Spieler, der bei den Australian Open disqualifiziert wird. "F**k deine Mutter!", faucht er dem Schiri entgegen - danach ist das Match vorbei. Die Gesamtsumme von McEnroes Geldstrafen lässt sich kaum zusammenrechnen. 1987 wird er nach einem Eklat bei den US Open sogar mal für zwei Monate gesperrt.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Ossinger
Jede Menge Bruchware
Nur 800 US-Dollar kostet Marcos Baghdatis sein Wutausbruch bei den Australian Open 2012. Der Zyprer zerstört bei einem Seitenwechsel gleich vier Schläger auf einmal, die zusammen wahrscheinlich teurer sind als seine Geldbuße. Zwei Rackets sind sogar noch unbenutzt und eingepackt. Serena Williams kommentiert das Ganze damals übrigens mit den Worten: "Vier Schläger, das ist beeindruckend. Wow!"
Bild: picture-alliance/dpa/B. Walton
Loch im Stuhl
Im Mai 2018 flippt Karolina Pliskova beim Turnier in Rom aus. Obwohl die Linienrichterin den Abdruck eines Aus gegebenen Balles nicht anzeigen kann, stützt die Schiedsrichterin ihre (Fehl)entscheidung. Pliskova verliert und verweigert der Schiedsrichterin den Handschlag. Stattdessen haut sie mit ihrem Schläger ein Loch in die Seite des Richterstuhls. Dafür kassiert sie eine vierstellige Geldbuße.
Bild: Getty Images/J. Finney
Ein Küsschen zum Trost
Peinlich, peinlich! Ausgerechnet beim Heimturnier in Wimbledon fällt "Gentleman" Tim Henman 1995 aus der Rolle. Ein wütend weggeschlagener Ball trifft ein Ballmädchen am Kopf. Henman wird disqualifiziert. Er ist der erste Spieler, dem das in Wimbledon passiert. Danach kriecht er öffentlich zu Kreuze, entschuldigt sich mit Blumenstrauß bei dem Mädchen - und ein Versöhnungsküsschen gibt es auch.
Bild: Getty Images/ALLSPORT/G. M. Prior
Ohrfeigen von der Ehefrau
Ebenfalls 1995 sorgt Jeff Tarango für einen Eklat in Wimbledon. Er legt sich mit Referee und Publikum an, packt dann seine Sachen und geht. Ehefrau Benedicte lauert dem Schiri in den Katakomben auf und verpasst ihm zwei Ohrfeigen. Die Strafe für ihren Mann: 63.000 US-Dollar und ein zweijähriger Bann von allen Grand-Slams, später reduziert auf 20.000 Dollar und ein Jahr Sperre in Wimbledon.
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Neilsen
Blut ist teurer als Wasser
Es ist keine Absicht, die Folgen sind dennoch blutig: Aus Frust tritt Daniel Nalbandian beim Turnier in Queens 2012 gegen die Holzumrandung des Linienrichter-Stuhls. Ein Splitter verletzt den Referee am Unterschenkel. Nalbandian wird disqualifiziert und zahlt 70.000 US-Dollar. Im gleichen Jahr besprenkelt er den Schiedsrichter bei den Australien Open mit Wasser, zahlt dafür aber nur 8.000 Dollar.
Bild: picture-alliance/Actionplus
Voll auf die Zwölf
Das geht ins Auge! Wütend drischt der 17-jährige Kanadier Denis Shapovalov im Februar 2017 einen Ball durch die Gegend und trifft den Schiedsrichter mitten im Gesicht. Das Auge schwillt sofort an, später muss der Referee sogar operiert werden. Die Augenhöhle ist gebrochen. Shapovalov wird disqualifiziert, Kanada scheidet aus dem Davis Cup aus. Außerdem gibt es eine Geldstrafe von 7.000 US-Dollar.
Bild: picture-alliance/empics/The Canadian Press/J. Tang
Arroganter Schnösel?
Ziemlich überheblich zeigt sich Alexander Zverev 2018 bei seinem Aus in Wimbledon. Zunächst beschimpft er den Linienrichter und kassiert eine Verwarnung. "Er will nur wichtig sein, einmal auf einem großen Platz in Wimbledon", pöbelt er anschließend. "Damit man sich einmal an sein Gesicht erinnert." Der Schiedsrichter, der Zverev bestraft, ist "Williams-Freund" Carlos Ramos.