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Politik

Dmitrij Gudkow: erfahren, wählbar, festgenommen

Roman Goncharenko
2. Juni 2021

In Russland werden Oppositionelle im Eiltempo festgenommen. Jüngstes Beispiel: Dmitrij Gudkow. Sein Lebenslauf verrät, warum der frühere Duma-Abgeordnete für den Kreml gefährlich werden könnte.

Gudkow bei Protesten in Moskau im Vorfeld der Stadtratwahl, Juli 2019
Dmitrij Gudkow bei Protesten in Moskau im Vorfeld der Stadtratwahl, Juli 2019Bild: Reuters/M. Shemetov

Die Opposition wird in Russland gerne mit einem leeren Feld verglichen: alles niedergemäht. Die Liste namhafter Kreml-Kritiker, die noch nicht ins Exil getrieben, verhaftet und verurteilt wurden, wird fast täglich immer kürzer. Bis Dienstag gehörte Dmitrij Gudkow dazu. Dann gab es bei dem 41-jährigen ehemaligen Duma-Abgeordneten eine Razzia, er wurde festgenommen und für zwei Tage festgehalten. Ob eine Untersuchungshaft folgt, wird am Donnerstag entschieden. 

Gennadij GudkowBild: Reuters

Vater spricht von "politischer Repressalie"

Nach Angaben russischer Medien gibt es Vorwürfe gegen Gudkow im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit seiner Tante, die ebenfalls festgenommen wurde. Es geht um angeblich nicht gezahlte Miete für eine Gewerbeimmobilie in Moskau. Details sind nicht bekannt. Sein Vater Gennadij Gudkow, Geschäftsmann und ehemaliger Politiker, sagte der DW, sein Sohn habe damit nichts zu tun: "Ich verstehe das nicht." Dmitrij habe von dem "Problem" - dem Streit um Mietzahlungen - während der Razzia erfahren.

Erst am Montagabend wurde kurz vor dem Abflug in St. Petersburg der ehemalige Chef der oppositionellen Nichtregierungsorganisation "Offenes Russland", Andrej Piwowarow, festgenommen. Er muss für zwei Monate in Untersuchungshaft. Beobachter sehen in solchen Fällen eine Art Präventivschlag der russischen Justiz gegen Oppositionelle vor der Duma-Wahl im September. Beide wollten für die linksliberale oppositionelle Jabloko-Partei kandidieren. Gudkows Vater sieht einen Zusammenhang: "Sie wollen nicht, dass Dmitrij Gudkow in die Duma gewählt wird". Der Vorgang sei "eine politische Repressalie". Putins Sprecher Dmitrij Peskow dementierte einen politischen Hintergrund bei Gudkow und Piwowarow.

Einer aus der Nawalny-Liga     

Eine Nominierung Gudkows als Kandidat bei der kommenden Duma-Wahl soll für Juni geplant gewesen sein, so sein Vater. Als erfahrener und einer der wenigen landesweit bekannten Oppositionspolitiker hätte er große Vorteile.

Alexej NawalnyBild: Babuskinsky District Court/AP/dpa/picture alliance

Auch wenn Dmitrij Gudkow nicht so einflussreich wie der inhaftierte Alexej Nawalny ist, spielt er mit ihm in der gleichen Liga. Gudkow folgte seinem Vater Gennadij in die Politik. Beide saßen in der Staatsduma für die linke Partei "Gerechtes Russland". Beide wurden wegen ihrer oppositionellen Tätigkeit aus der Partei ausgeschlossen. Dmitrij war zwischen 2011 und 2016 Abgeordneter und einer der wenigen, die sich bei der Abstimmung über die Krim-Annexion enthalten haben.

Gudkow gilt als gut vernetzt und nimmt regelmäßig an oppositionellen Protesten teil. Seit Nawalny in Haft sitzt und seine Organisationen zerschlagen wurden und kurz vor der Einstufung als "extremistisch" stehen, sind in Russland kaum prominente Politiker übrig geblieben, die zu Protesten mobilisieren könnten. Gudkow engagierte sich auch bei früheren Kommunalwahlen in Moskau und half, ein relativ erfolgreiches Netzwerk oppositioneller Kandidaten aufzubauen - "Vereinigte Demokraten". Viele der Kandidaten wurden gewählt.

Parteiregistrierung verweigert

Bei der Duma-Wahl 2017 versuchte Gudkow ein Direktmandat für die Jabloko-Partei zu gewinnen und scheiterte. Er engagierte sich in der liberalen oppositionellen Partei "Bürgerliche Initiative", die jedoch nicht registriert wurde. Eine ähnliche Erfahrung machte Nawalny, dessen Partei die russischen Behörden mehrmals die Registrierung verweigerten. 2020 trat Gudkow aus seiner Partei aus. 

Das Verhältnis zwischen Gudkow und Nawalny war eine Zeit lang angespannt. Gudkow steht der Jabloko-Partei nahe, zu der Nawalny eine komplizierte Beziehung hat. Ein weiterer Grund: Bei der Präsidentenwahl 2018 schickte Gudkows Partei die Moderatorin und einstige politische Aktivistin Ksenija Sobtschak ins Rennen gegen den Kremlchef Wladimir Putin. Sie bekam rund 1,7 Prozent der Stimmen. Nawalny warf Sobtschak ein Spiel auf Putins Seite vor, um oppositionelle Wähler zu täuschen. Gudkow und Sobtschak kündigten die Gründung einer neuen Partei an, doch daraus wurde nichts - die Moderatorin stieg aus dem Projekt aus.

Jetzt scheint Nawalny sich mit Gudkow versöhnt zu haben. Nawalnys Team schrieb am Mittwoch in seinem Profil in sozialen Netzwerken, Gudkow und Piwowarow seien "ehrliche Menschen" und würden deshalb verfolgt. Die Strafverfahren gegen sie seien "gefälscht".