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Politik

DNA-Fahndung soll Verbrechen aufklären

1. August 2019

Wann sollte die Polizei die Herkunft eines Täters preisgeben? Klar ist: Das öffentliche Informationsbedürfnis steigt, je schrecklicher ein Verbrechen ist. Ein Gesetzentwurf könnte für zusätzliche Diskussionen sorgen.

Deutschland | DNA Analyse
Bild: picture-alliance/dpa/Bildfunk/M. Brandt

Die Gewalt-Eskalation in der Kölner Silvesternacht 2015 änderte den Blick Deutschlands: auf den Umgang mit der Herkunft möglicher Straftäter und auf die Sicherheitsmaßnahmen der Polizei. Mehr als 600 Frauen wurden damals Opfer eines sexuellen Übergriffs. Die Polizei gab die nordafrikanische Herkunft der Verdächtigen nur zögernd bekannt - und geriet in einen Sturm der Entrüstung.

Viele Bürger waren fassungslos oder reagierten mit Unverständnis. Eine sichtlich angegriffene Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach davon, dass die Taten nach einer "harten Hand des Rechtsstaats" verlangten. Seitdem gehen die Sicherheitsbehörden offensiver mit der Bekanntgabe von Herkunft und Staatsangehörigkeit möglicher Täter um.

Besonders im Falle spektakulärer Verbrechen wie zuletzt bei den Bahnhofsmorden in Voerde und Frankfurt am Main fordern Öffentlichkeit und Medien noch intensiver als früher Informationen über Täter-Details. Entsprechend rasant steigt der Fahndungsdruck auf die Polizei und gleichermaßen die Bereitschaft des Rechtsstaates, sein Fahndungs-Arsenal um neue Ermittlungsmethoden zu erweitern.

Haut- und Haarfarbe soll bei Fahndung helfen

Zu dieser Entwicklung passt, dass dem Justizministerium ein Gesetzentwurf zur Abstimmung mit anderen Ministerien vorliegen soll, der es in sich hat: Demnach soll die Polizei künftig über DNA-Spuren die Farbe von Haut, Haar und Augen sowie das Alter eines flüchtigen Täters feststellen dürfen. Die Erweiterung der DNA-Fahndung stelle zwar einen "Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar", heißt es laut Medienberichten in dem Referentenentwurf. Dieser sei aber "in der konkreten Ausgestaltung verhältnismäßig".

Seit den Ausschreitungen in Köln 2015 zeigt die Polizei bei den Silvesterfeiern massive Präsenz Bild: DW/D. Regev

Offen bleibt, was eine "konkrete Ausgestaltung" beinhalten soll. Wie sie der Gesetzgeber interpretiert, wie er sie definiert. Nach bisheriger Gesetzeslage ist nur die Erfassung des Geschlechts durch einen DNA-Test möglich. Zudem können Ermittler einen sogenannten DNA-Abgleich machen. Entdecken Polizisten an einem Tatort eine DNA-Spur - etwa Haare, Hautschuppen oder Bluttropfen - können sie diese in einer polizeilichen Datenbank mit bereits erfassten Tätern abgleichen.

Eingrenzen des Täterkreises über DNA

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, begrüßt diese mögliche Ausweitung der Fahndungsmöglichkeiten. Letztendlich gehe es darum, "den Täterkreis für Ermittlungen einzugrenzen", sagt Malchow der DW. Wenn es eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, dass die Ergebnisse der DNA-Auswertung verlässlich seien, "dann reduziert das natürlich die Fahndung um die Personengruppen, die nicht in dieses Schema reinpassen."

Weiterhin verboten bleibt laut Entwurf die Auswertung der "biogeografischen Herkunft" eines mutmaßlichen Täters. So ist es zwar medizinisch per DNA-Test auch möglich, die "geografische Herkunft" einer unbekannten Person zu ermitteln. Die Methode ist aber umstritten und häufig ungenau.

Polizei-Gewerkschaftschef Malchow geht davon aus, dass die Polizei mit den Ermittlungsdaten verantwortungsvoll umgeht und der dann auf ihr lastende Veröffentlichungsdruck mit dem Wissen um solche Instrumente nicht steigt. "Wenn die Polizei beispielsweise Erkenntnisse über Merkmale eines möglichen Täters hat, die in Norddeutschland nicht häufig vertreten sind und diese nicht veröffentlicht, dann ist sie in demselben Druck. Es heißt ja nicht, dass sie darüber reden muss."

Warnung vor einer Art "Rassedatei"

Was die Öffentlichkeit nicht weiß, macht sie nicht heiß? Damit lässt sich der aufbrausende Zorn einiger Oppositionsparteien kaum beschwichtigen. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warnt in einem Statement vor einem "Schnellschuss". Er bezweifelt, dass die Bundesregierung mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet hat. Es müsse außerdem zwingend sichergestellt werden, "dass die Gefahr diskriminierender Vorverurteilungen ganzer Bevölkerungsgruppen einwandfrei ausgeschlossen werden kann." Es dürfe in keinem Fall zu einer Art "Rassedatei" kommen, schreibt von Notz.

Passanten legen am Hauptbahnhof in Frankfurt am Main Blumen zum Gedenken an den getöteten Jungen abBild: Imago Images/epd/H. Lyding

Als viel zu weitgehend verurteilt auch die FDP das Papier. Selbst wenn die DNA-Analyse grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Aufklärung von Straftaten sei, stelle sie einen erheblichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Stephan Thomae. Die Anwendung einer solchen Analyse sei zu Recht auf den persönlichkeitsneutralen Bereich beschränkt worden. Thomae weiter: "Dies geschah auch, um dem sogenannten Racial Profiling vorzubeugen. Die Bundesjustizministerin muss erklären, wie sie diese Gefahr bannen will."

Der (Fehler-)Teufel liegt im Detail

Das Justizministerium dürfte sich der Brisanz nur zu bewusst sein. Im Gesetzentwurf soll hervorgehoben sein, dass sich die DNA-Untersuchung nicht "gegen eine bestimmte Personengruppe oder Minderheit" richte und damit an sich "nicht diskriminierend" sei.

Doch der Umgang mit solch sensiblen Ermittlungsdaten könnte sich im Alltag als durchaus fehleranfällig entpuppen. Ein Kern des Problems besteht in der Kommunikation. Nämlich darin, dass es im Umgang mit der Herkunft eines möglichen Straftäters an einer einheitlichen Kommunikationsstrategie der Sicherheitsbehörden mangelt.

So nennt die Bundespolizei, die sich vorrangig mit Grenzverstößen beschäftigt, in fast allen ihrer Pressemitteilungen die Nationalität von Tätern oder Tatverdächtigen. In den Bundesländern wiederum entscheidet die Polizei unterschiedlich, wie viele Details sie veröffentlicht und wann. Das kann von Dienststelle zu Dienststelle variieren. Die Unterschiedlichkeit gründet sich in der dezentralen Neu-Aufstellung der Sicherheitsbehörden nach dem Ende der Nazi-Herrschaft.

Was ist ein begründetes öffentliches Interesse?

Einige Länder wie Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Niedersachsen orientieren sich am Pressekodex des Deutschen Presserates. Darin heißt es in der Richtlinie 12.1, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit von Verdächtigen oder Tätern zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führen dürfe. "Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse."

Die Polizei muss auch bei Gewalttätern genau prüfen, wann sie Informationen über deren Herkunft weitergibtBild: picture-alliance/dpa/S. Simon

Aber wer definiert das "begründete öffentliche Interesse"? Und wie interpretieren es die in ihrer Kommunikation so unterschiedlich aufgestellten Polizeistellen? Wie schnell kann es dabei zu Missverständnissen oder Fehlern kommen?! Auch weil die Ermittler zunehmend unter Druck der sozialen Netzwerke geraten, in denen Hinweise zur Herkunft der Täter oftmals in einem sehr frühen Ermittlungsstadium gepostet werden. Bis hin zu Video-Mitschnitten mutmaßlicher Tatverläufe.

Der Polizei-Soziologe Rafael Behr von der Fachhochschule Hamburg hat darüberhinaus generelle Vorbehalte, was die Gewichtung der Herkunft angeht. Er weist darauf hin, dass Nationalität oder ethnische Herkunft ein ganz schwacher Faktor im Bereich der allgemeinen Kriminalität sei. Vieles lasse sich überhaupt nicht durch ethnische Zugehörigkeit erklären, schränkt er im DW-Gespräch ein.

Herkunft als Mosaikstein im Gesamtbild

"Die allermeisten Delikte, die von sogenannten Migranten begangen werden, werden mindestens sechs Monate, nachdem sie hier sind, begangen", sagt Behr. Meistens könne man davon ausgehen, dass die Straftäter, die hier einen Migrationshintergrund haben, schon so lange in Deutschland lebten, dass sie die deutschen Normen kennen. "Und dann ist der Migrationshintergrund oder der ethnische Hintergrund immer nur kleiner Mosaikstein im Gesamtgefüge", erläutert Behr. Ausnahmen seien die kulturspezifischen, sogenannten "Ehrenmorde".

Kein Wunder also, dass die zitierten Oppositionspolitiker beim Thema DNA-Fahndung zurückhaltend bis aufgeschreckt reagiert. Nur: Die Parteien der regierenden Großen Koalition aus Union und SPD sind förmlich gezwungen, mit den Muskeln zu spielen. Sie müssen den Beweis antreten, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist. Denn am 1. September finden wichtige Landtagswahlen in Ostdeutschland statt: in Brandenburg und Sachsen. Am 27. Oktober wählt Thüringen.

In allen drei Bundesländern ist die Alternative für Deutschland (AfD) auf dem Vormarsch. Die Rechtspopulisten punkten bei ihren Wählern besonders wegen ihrer nationalistisch-migrationskritischen Aussagen. Ihre Parteispitze instrumentalisierte jüngst die Bahnhofsmorde in Voerde und Frankfurt am Main, in dem sie die schrecklichen Geschehnisse in ihrem Sinn deuteten und anprangerten.

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