Erfolgreiches Ende
23. September 2007Es war keine Documenta der großen Stars. Die meisten Künstler aus aller Welt waren zumindest dem deutschen Publikum kaum bekannt. Im Mittelpunkt standen vielmehr die Besucher, denn die Documenta 12 wollte eine bürgernahe Ausstellung sein, bei der sich die Macher das Thema Bildung ganz groß auf die Fahnen geschrieben hatten.
"Wir sind ja eine Bildungsinstitution und deshalb müssen wir etwas vorlegen", sagt Bernd Leifeld, Geschäftsführer der Documenta. Das Publikum habe die Möglichkeit, sich mit dem Bildungsangebot auseinander zu setzen, zahlreich genutzt. "Insofern bin ich rundum zufrieden", so seine Bilanz. Zahlreich bedeutet auch für die Besucherstatistik einen Erfolg: "Mein Ziel war es, die Zahl vom letzen Mal, also 650.000 Besucher, zu erreichen plus eins und dieses Ziel geht auf", sagt Leifeld.
Kunst, um ins Gespräch zu kommen
Man könnte meinen, es ging gar nicht um Bilder, Skulpturen oder Installationen, sondern um Kunst als Mittel zum Zweck: Die Documenta, ein Ort zur Selbstbildung und eine Plattform, um über all die vielen Missstände auf der Welt ins Gespräch zu kommen: Über Bildungsmisere und Flüchtlingspolitik, über Globalisierung und Rassenwahn, über Frauenmisshandlung und Krieg - und letztendlich über das Kunstverständnis und die Wahrnehmung von Kunst an sich. Für den künstlerischen Leiter, Roger Martin Buergel, war vor allem letzteres ein besonderer Erfolg: "Ich glaube, dass man den Leuten die Angst vor der Globalisierung nehmen kann." Man müsse ihnen zeigen, dass es immer mehr Gründe gebe, auf die Welt neugierig zu sein, sagt er.
Neugier wecken auf Fremdes, das kam vor allem auch bei den Kasselern an. Schon im Vorfeld der Documenta hatte ein Beirat aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Stadt den Künstlern und dem Ausstellungsteam mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ayse Güleç Vorsitzende des Beirats, erläutert: "Es gibt einige Werke, die in Kassel, über Kassel oder auch in der Zusammenarbeit mit Bevölkerungsgruppen hier in Kassel entstanden sind." Diese Partizipationsmöglichkeiten rechnet sie der Documenta hoch an.
Auch die Natur beteiligte sich
Doch keine Documenta kommt ohne ihre kleinen Skandale aus. Kurz nach der Eröffnung gab es plötzlich Streit um die ausgestopfte Giraffe von Peter Friedl, der die Idee einer anderen Künstlerin geklaut haben soll. Und dann kam der große Sturm, der kurzerhand die Skulptur "Template", einen Turm aus antiken Türen und Fenstern des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, zu Fall brachte.
Kuratorin Ruth Noack ist rückblickend überrascht, wie solche Pannen die eigentlich wichtigen Themen bei der Documenta überlagert hatten. Plötzlich habe sich die Öffentlichkeit nur noch für die Giraffe, das Schiff von Romuald Hazoumé oder den Künstler Ai Weiwei interessiert: "Nicht, dass die nicht wichtig wären", sagt sie, "aber für mich gibt es mindestens genau so viele andere Kunstwerke, die genau so relevant sind und sinnbildhaft für die Ausstellung stehen können."
Zu viele rote Fäden
Wer sich Zeit nahm, der konnte einiges entdecken auf dieser Documenta. Nicht unbedingt den roten Faden, der von vielen Kritikern vermisst wurde, weil es zu viele rote Fäden gab. Auch die Anordnung der Werke wirkte oft willkürlich. Dafür sprachen einige Arbeiten ganz für sich und allein deshalb lohnte sich - unabhängig von allen Konzeptideen – ein Besuch.
Finanzielle Spenden aus der Kasseler Bevölkerung sorgten dafür, dass sich Menschen aller Bevölkerungsgruppen einen Besuch der Documenta leisten konnten. Ein soziales Engagement, das Roger Martin Buergel und Ruth Noack gerne noch intensiviert hätten. Noack hofft, dass das Interesse der Bevölkerung an der Documenta bestehen bleibt und sich die Stadt künftig nicht nur aus Geld- und Imagegründen mit der Ausstellung identifizieren wird.
Aber nach der Documenta ist vor der Documenta. Das mittlerweile verwilderte Mohnfeld der kroatischen Künstlerin Sanja Ivecovic im Zentrum der Stadt muss einem neuen Rasen weichen, damit die nächste künstlerische Leitung wieder bei Null anfangen kann.