Die hessische Stadt Kassel und der aus Afrika stammende Künstler Olu Oguibe haben gemeinsam zu Spenden für den Erwerb des von ihm 2017 für die documenta 14 geschaffenen Obelisken aufgerufen.
Anzeige
Der auf dem Kasseler Königsplatz errichtete, 16 Meter hohe Obelisk trägt auf einer Seite als Aufschrift das Bibelzitat "Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt". Die anderen drei Seiten des Obelisken zitieren den Spruch auf Arabisch, Türkisch und Englisch.Als "Zielmarke" sei ein Betrag von 600.000 Euro vorgesehen, erklärte die Kasseler Kulturdezernentin Susanne Völker am Dienstag in Kassel. Die Summe entspreche dem aktuellen Marktwert im Vergleich zu ähnlichen Objekten, sagte Völker.
Publikumsmagnete der documenta 14
Verbotene Bücher und aufsteigender Rauch: Auf der documenta 14 in Kassel sind einige Außenkunstwerke bei Besuchern besonders beliebt, sorgen aber manchmal auch für Verwirrung beim Betrachter.
Bild: Imago/S. Simon
Die verbotenen Bücher
Der Parthenon der verbotenen Bücher auf dem Kasseler Friedrichsplatz zieht zahlreiche Besucher in seinen Bann. Das Werk der argentinischen Künstlerin Marta Minujín macht auf Zensur und die Verfolgung von Schriftstellern aufmerksam. Die meisten documenta-Kunstwerke haben einen sozialkritischen Ansatz. Nicht immer ist er so offensichtlich wie beim "Parthenon of Books".
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler
Brücke zwischen Kassel und Athen
Der Parthenon der Bücher ist mit seinen 30,86 mal 69,51 Metern Grundfläche genau auf das Original - die Akropolis - zugeschnitten: eine symbolische Verbindung zwischen den documenta-Standorten Kassel und Athen. Auch der Platz vor dem klassizistischen Fridericianum-Museum ist mit Bedacht gewählt. Hier wurden einst von den Nationalsozialisten Bücher verbrannt, die nicht ihrer Ideologie entsprachen.
Bild: picture-alliance/dpa/U.Zucchi
Mühle des Blutes
Schon der Name dieses Dokumenta-Werks verrät den sozialkritischen Ansatz. Es geht um körperliche Ausbeutung. Die "Mill of Blood" (Mühle des Blutes) des mexikanischen Künstlers Antonio Vega Macotela ist der Nachbau einer bolivianischen Mühle, die in der Kolonialzeit zur Herstellung von Silbermünzen diente. Sklaven mussten die Mühle mit Muskelkraft antreiben, andere wurden durch ihre Arbeit reich.
Bild: picture alliance/dpa/S. Pförtner
Unbefangen an die Arbeit
Besucher können die Mühle des Blutes mit eigener Muskelkraft in Gang setzten. Solange man jederzeit aufhören kann, macht die Anstrengung Kindern und Erwachsenen richtig Spaß. Schon in den ersten Tagen der documenta war der Besucherandrang so groß, dass das Getriebe nicht mehr mitspielte und die Mühle repariert werden musste.
Bild: Imago/Hoch Zwei Stock/H. Angerer
Jutesäcke umhüllen das Torhaus
Um die Spuren der Arbeit geht es auch Ibrahim Mahama aus Ghana. In Athen hat er mit Flüchtlingen und Helfern Jutesäcke zusammengenäht. Mit dieser Decke hat er dann die Torwache in Kassel verhängt. Die Jutesäcke erzählen die Geschichte weitgereister Waren, wie etwa Kakao oder Kaffee. Auch heute noch profitieren reiche Staaten von der schlecht bezahlten Arbeit der Rohstofflieferanten.
Bild: Imago/Kraft
Rauch als Kunst aus dem Zwehrenturm
Die Rauchsäule von Daniel Knorrs Installation "Expiration Movement" auf dem Zwehrenturm verwirrt die Besucher. Seit die documenta im April in Athen eröffnet wurde, qualmt der Turm in Kassel vor sich hin und hält die Feuerwehr auf Trab. Wenn der Wind den Rauch Richtung Friedrichsplatz treibt, soll er dort an die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten 1933 erinnern.
Bild: Imago/Sven Simon/E. Kremser
Horizontales Wohnen in Röhren
Immer wieder werden sie von Besuchern fotografiert: die Röhren aus Steinzeug des irakischen Künstlers Hiwa K. Das Werk erinnert an die Flüchtlinge in der griechischen Hafenstadt Patras. Ihnen dienten solche Rohre als Unterschlupf und Versteck. Nicht zuletzt, wenn die Rohre dann mit ihnen nach Italien transportiert wurden. Dennoch zielt Hiwa K nicht primär auf die Flüchtlingsdebatte ab.
Bild: DW/G. Reucher
Kritik am vertikalen Leben
13 Studierende aus Kassel haben die Röhren von Hiwa K. unter seiner Regie wohnlich eingerichtet. Unter anderem mit Bad, Küche, einer Bar und dieser Bibliothek. Dem Künstler ging es bei seinem Werk "When We Were Exhalting Images" um ein horizontales Lebensgefühl, das unseren vertikal ausgerichteten Wertekanon (oben=gut, unten=fragwürdig) kritisch hinterfragen soll.
Bild: DW/G. Reucher
Die Utopie ländlicher Idylle
Umherziehende chilenische Künstler und Dichter haben die Ciudad Abierta ("Offene Stadt") 1965 gegründet. Seitdem verblüfft das selbsternannte Architekturkollektiv Besucher immer wieder mit provisorischen Bauprojekten unter freiem Himmel. So auch in Kassel, wo sich das Kollektiv mit seiner improvisierten und umweltverträglichen Form des Bauens als utopische Experimentierplattform präsentiert.
Bild: documenta 14/Mathias Völzke
Nicht zu übersehen: Obelisk für Flüchtlinge
"Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt", steht in vier Sprachen auf dem Obelisk von Olu Oguibe. Als Symbol für Menschen im Exil ist er immer wieder Gesprächsthema. Dafür erhielt der US-Künstler mit nigerianischen Wurzeln den mit 10.000 Euro dotierten Arnold-Bode-Preis, der an den gleichnamigen documenta Gründer erinnert.
Bild: Imago/R. Wölk
10 Bilder1 | 10
Falls die Summe am Ende der auf drei Monate angelegten Spendenaktion nicht erreicht werden sollte, könne der Künstler, der für sein Kunstwerk auch mit dem Arnold-Bode-Preis 2017 ausgezeichnet wurde, frei entscheiden, ob der Obelisk dennoch bleiben soll, sagte Völker. Die Stadt setze sich sehr für den Erwerb des Kunstwerkes ein, da es ein Symbol für die politische Auseinandersetzung der documenta 14 sei, sagte Völker.Der in Nigeria geborene Olu Oguibe blickt auf eigene Fluchterfahrungen zurück. Er hat zwar nach eigenem Bekunden einen Prediger als Vater, ist aber selbst kein Christ. Mit dem Bibelzitat wolle er besonders diejenigen frommen Evangelikalen in den USA provozieren, die sich vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehrten, hatte er bei der Errichtung des Obelisken gesagtIn Kassel stehen inzwischen 16 Installationen, die seit 1977 von vergangenen documenta-Ausstellungen erworben wurden. Der Erwerb dieser Außenkunstwerke sei immer schon nur mit dem Engagement aus der Bürgerschaft möglich gewesen, sagte Völker. Davon zu unterscheiden seien documenta-Ankäufe für die Museen, für die eigens ein Etat zur Verfügung stehe.