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Politik

"Interessen des eigenen Landes wahren"

Janina Semenova
29. November 2016

Er sei weder ein pro-russischer noch ein pro-westlicher Politiker, sagt der neu gewählte moldauische Präsident Igor Dodon. Im DW-Interview erklärt er, wieso ihn seine erste Reise nach Moskau führt.

Igor Dodon
Bild: picture-alliance/dpa/D. Doru

Deutsche Welle: Herr Dodon, Medien im In- und Ausland bezeichnen Sie als pro-russischen Politiker. Warum?

Igor Dodon: Wahrscheinlich, weil ich viele Jahre eine linke Partei angeführt habe und Treffen mit der russischen Führung hatte. Wir haben viele Probleme, die gemeinsam mit Russland gelöst werden müssen, das ist wahr. Aber ich bin weder ein pro-russischer noch ein pro-westlicher, sondern ein pro-moldauischer Politiker, ein Anhänger unserer Staatlichkeit. Das Wichtigste ist, die Interessen des eigenen Landes zu wahren. Meine "pro-russische Haltung" ist ein Vorurteil, das meine politischen Gegner den Bürgern versuchen aufzudrängen.

Aber ihre erste Auslandsreise geht nach Moskau. Warum brechen Sie mit der moldauischen Tradition, zuerst nach Bukarest oder Brüssel zu reisen?

Der Präsident, der für die Außenpolitik zuständig ist, sollte die ersten Schritte in Richtung jener Länder unternehmen, mit denen die bilateralen Probleme schleunigst gelöst werden müssen. In den letzten sechs oder sieben Jahren hat sich eine außenpolitische Schieflage in Richtung Westen ergeben. Unsere Freundschaft mit Russland wurde ernsthaft erschüttert - und unsere Beziehungen sind nicht mehr freundschaftlich. Deswegen glaube ich, dass man in erster Linie nach Moskau fahren muss, um die angestauten Probleme zu lösen. Danach kann man nach Brüssel fahren. Die Probleme, die wir mit Russland lösen wollen, wird man höchstwahrscheinlich auf trilateraler Ebene erörtern müssen, darunter zum Beispiel die Frage einer Wiederaufnahme moldauischer Exporte nach Russland.

Welche Fragen möchten Sie bei Ihrem Besuch in Moskau besprechen?

Mindestens zwei sehr ernste Fragen. Erstens: die Migranten. Offiziell arbeiten in Russland 500.000 unserer Mitbürger, inoffiziell über eine Million. 200.000 fahren gar nicht mehr nach Hause, weil sie gegen Migrationsbestimmungen verstoßen haben. Sie befürchten, dass man sie nicht wieder nach Russland einreisen lassen wird. 50.000 Personen ist es bereits so ergangen. Die Probleme dieser Menschen muss man angehen. Die zweite Frage ist die Wiederaufnahme moldauischer Exporte nach Russland. Ich will erreichen, dass es kein Embargo mehr auf Waren unserer Unternehmen gibt und dass wir zum Freihandel mit Russland zurückkehren. Aber man kann das Problem nicht auf bilateraler Ebene lösen. Das Freihandelsabkommen zwischen der Republik Moldau und der EU ermöglicht einen Re-Export europäischer Waren über unser Land auf den russischen Markt, die in der Russischen Föderation verboten sind. Das Problem muss in einem trilateralen Format diskutiert werden. Man muss erst herausfinden, was unsere Partner in Russland beunruhigt und welche Bedingungen sie für die Wiederaufnahme der Exporte stellen. Danach muss man nach Brüssel fahren und dort mit Verhandlungen beginnen.

Sie haben wiederholt angekündigt, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU überarbeiten zu wollen. Wie soll das geschehen?

Alles wird von den trilateralen Verhandlungen abhängen, die wir mit der Europäischen Union und der Russischen Föderation durchführen müssen. Wir müssen unsere Wirtschaft zum Wohl unserer eigenen Produzenten davor schützen, dass der Markt von EU-Waren überschwemmt wird.

Werden Sie als Präsident eine Integration ihres Landes in die Eurasische Wirtschaftsunion unterstützen, der Russland, Weißrussland, Kasachstan, Armenien und Kirgisien angehören?

Ich denke, dass die Republik Moldau von einer Integration in Richtung Eurasien mehr hätte. Aber der Präsident ist nicht befugt, Abkommen zu kündigen. Ich schließe nicht aus, dass ich als Staatsoberhaupt ein Memorandum über die Zusammenarbeit mit der Eurasischen Wirtschaftsunion initiieren werde. Die Unterzeichnung eines solchen Dokuments wäre keine Gefahr für die weitere Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU. Man wird erst nach den Parlamentswahlen grundlegende Veränderungen vornehmen können, wenn es eine andere parlamentarische Mehrheit geben wird, und nur nach einer Volksabstimmung, bei der sich die Menschen zu dieser Frage äußern können.

Das größte innenpolitische Problem ist nach wie vor der Konflikt um die abtrünnige Region Transnistrien. (Anm. d. Red.: Nach einem militärischen Konflikt hat sich Transnistrien Anfang der 1990er Jahre von der Republik Moldau abgespalten, wird international aber nicht als Staat anerkannt) Welche Lösung sehen Sie?

Wege zur Wiedervereinigung des Landes müssen über eine politische Lösung des Konflikts gesucht werden. Ich sehe eine schrittweise Lösung: Zunächst werden im Zuge bilateraler Verhandlungen zwischen Chisinau und Tiraspol Grundsätze für eine Vereinigung entwickelt, die für jede Seite akzeptabel sind. Dann werden sie im 5+2-Format (Anm. d. Red.: Chisinau und Tiraspol als Konfliktparteien - Russland, die Ukraine und die OSZE als Garanten und die EU und USA als Beobachter) genauer erörtert. Wenn in dieser Etappe ein Konsens erreicht wird, sollten in Transnistrien und in der Republik Moldau - auf beiden Seiten des Dnjestr-Flusses - Referenden abgehalten werden. 

Was soll dann mit dem Rest der 14. russischen Armee in Transnistrien geschehen?

Ich trete für einen neutralen Status der Republik Moldau ein, der übrigens in der Verfassung verankert ist. Nach diesem Status darf es keine fremden Truppen auf moldauischem Staatsgebiet geben. Ich glaube, in einem neutralen Land dürfte es allgemein keine Armee geben - weder rechts des Dnjestr-Flusses in der Moldau, noch in Transnistrien.

Igor Dodon wurde am 13. November zum Präsidenten der Republik Moldau gewählt. Er ist Mitglied der Partei der Sozialisten und war früher unter anderem Vize-Premier und Wirtschaftsminister. 

Janina Semenova DW-Korrespondentin in Riga@janinasem
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