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Politik

Dogan Akhanli: Solidarität hat eine Magie

Aydin Üstünel
18. Oktober 2017

Zwei Monate nach seiner Festnahme in Spanien aufgrund eines türkischen Haftbefehls kehrt der Kölner Autor Dogan Akhanli diese Woche nach Deutschland zurück. Im DW-Gespräch berichtet er, wie es ihm ergangen ist.

Spanien Madrid - Dogan Akhanli bei Pressekonferenz
Bild: Getty Images/AFP/P.-P. Marcou

Deutsche Welle: Wie haben Sie die Festnahme erlebt?

Dogan Akhanli: Das war ein richtiger Schock. Aber diesen Schock habe ich nach einer Woche überwunden. Dennoch war das eine sehr unangenehme Erfahrung.

Waren Sie vorher informiert, dass gegen Sie ein Dringlichkeitsvermerk, eine sogenannte "Red Notice" vorliegt?

Offiziell nicht. Aus der Türkei habe ich eine Nachricht bekommen, dass die Türkei mich über Interpol suchen will, aber von den deutschen Behörden wurde ich nicht informiert. Später habe ich in der Zeitung gelesen, dass sie es eigentlich sehr genau wussten und abgelehnt haben, aber es nicht für nötig befunden haben, mich zu informieren. Es wäre natürlich sehr nett gewesen, wenn sie es getan hätten.

Werden Sie sich beschweren?

Das ist der ganz normale Umgang deutscher Behörden. Sie informieren die Betroffenen nicht. Ausnahme ist die letzte verfolgte Gruppe: die angeblichen oder tatsächlichen Angehörigen der Gülen-Bewegung. Sie haben diese Gruppe informiert, dass die Türkei sie sucht. Aber sie haben die Kurden nicht informiert und auch nicht die Leute aus linken Kreisen. Ich finde, dass dies eine kleine Diskriminierung ist. Also: Entweder informiert man alle Betroffenen oder man informiert sie nicht. Deshalb finde ich es nicht ganz korrekt, was sie gemacht haben. Auf der anderen Seite war es eine Art Korrektur für mich, dass sie nach meiner Festnahme so stark protestiert haben.

Was genau wurde Ihnen vorgeworfen?

Das ist der bekannte Fall, weshalb ich auch 2010 festgenommen wurde: Gegen mich wurde ein Prozess geführt und ich wurde freigesprochen. Später wurde dieser Freispruch kassiert, dann begann der Prozess erneut. Deshalb haben sie mich gesucht.

Der Vorwurf war, dass ich einen Raubüberfall begangen hätte, bei dem ein Mensch getötet wurde. Angeblich sollte ich diese Aktion als Kopf einer terroristischen Organisation durchgeführt haben. In Spanien hat der Richter die Anklageschrift verlesen, die damals gegen mich vorgelegt wurde. Das war sehr unangenehm, mich wieder mit diesem abgeschlossenen Prozess auseinandersetzen zu müssen.

Es gab eine große Welle der Solidarität in der deutschen Politik und Öffentlichkeit. Was bedeutet diese Unterstützung für Sie?

Schon 2010 habe ich Solidarität erlebt. Diese Solidarität hat für mich eine ganz besondere Bedeutung gewonnen. Solidarität hat eine Magie, zumindest für mich. Sie hat mich damals aus der Gefangenschaft gerettet und jetzt hat sie mich ganz stark geschützt. Wegen dieser Solidarität bin ich von den spanischen Richtern nicht in Untersuchungshaft geschickt worden. Ich konnte in Madrid frei herumlaufen. Das war ein großes Geschenk, eine schöne Erfahrung.

Wie war das lange Warten in Madrid?

Ich habe sofort versucht, mein Leben zu normalisieren. Bei mir ist das beste Mittel das Schreiben. Ich habe das Ziel gehabt, bis zu meiner Rückkehr ein Buch fertig zu schreiben. Das habe ich gestern abgeschlossen. Jetzt reise ich ab. Ich habe mein Ziel erreicht und freue mich, dass die türkische Verfolgung ihr Ziel nicht erreicht hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Ihre von der Türkei veranlasste Festnahme kritisiert. Internationale Einrichtungen wie Interpol dürften "nicht für so etwas missbraucht" werden, sagte die Bundeskanzlerin. Wie soll nun die Zusammenarbeit Europas mit der Türkei aussehen?

Die Situation ist kompliziert geworden. Es war ein Fehler der Europäischen Union, dass sie sehr lange Zeit dieses Problem ausgeblendet hat, obwohl sie wissen musste, dass die Eintragungen von der türkischen Seite nicht korrekt sein können. Irgendwann konnten sie es nicht mehr ausblenden. Ich finde es wichtig, dass die Bundeskanzlerin dieses Thema sehr deutlich angesprochen hat. Wenn man es einmal so laut ausspricht, dann beginnt ein Lösungsprozess. Aber wie dieses Problem gelöst wird, kann ich nicht beantworten.

Was haben Sie als erstes gedacht, gefühlt, als feststand, dass Sie nach Deutschland zurückkehren können?

Es hat mich gefreut, dass ich wieder nach Hause kann. Und dass ich wieder (die türkische Spezialität) Lahmacun essen kann. Hier leben sehr wenige Türkischstämmige. Sie haben es noch nicht geschafft, richtigen Lahmacun und Döner zu machen. Das schmeckte mir hier nicht. Deshalb möchte ich jetzt in Köln-Ehrenfeld sein, um richtigen Lahmacun mit Petersilie und Zitrone zu essen.

Was hat Ihnen in Madrid am meisten gefehlt? Außer Lahmacun?

Hauptsächlich habe ich meine Freundinnen und Freunde, ja, im Grunde habe ich alle Kölner vermisst.

Dogan Akhanli ist ein türkischstämmiger deutscher Schriftsteller. Er lebt seit 1992 in Köln. Jahrelang war er in der Türkei inhaftiert. 1991 floh er nach Deutschland, 2001 nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Die türkische Justiz wirft ihm vor, er sei in einen Raubüberfall verwickelt gewesen. Akhanli vermutet, dass er mundtot gemacht werden sollte. In seinen Werken setzt er sich unter anderem für eine Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich ein.

Das Interview führte Aydin Üstünel.

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