Lange glaubte die Wissenschaft, ein gewaltiger Tsunami habe Doggerland vor 8200 Jahren vernichtet. Sediment-Analysen sprechen nun für einen späteren Untergang des Landes, das einst England mit dem Rest Europas verband.
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Vor rund 10.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, lag der Meeresspiegel im Norden Europas noch etwa 60 Meter unter dem heutigen Normalnull. Die britischen Inseln und das europäische Festland bildeten eine zusammenhängende Landmasse. Größere Flüsse durchzogen diese Landmassen, aber anders als wir es heute kennen: Die Elbe etwa mündete in einem großen Binnensee. Der Rhein floss über weite Strecken von Ost nach West, und bevor er auf Höhe der Bretagne das Meer erreichte, mündete die Themse im Rhein.
Wo heute die Nordsee ist, waren damals fruchtbare Wiesen und Wälder, durch die Jäger und Sammler streiften. Die Küste verlief rund dreihundert Kilometer weiter nördlich von einem etwa 30.000 Quadratkilometer großem Gebiet, das nach einer dort befindlichen Sandbank "Doggerland" genannt wird.
Erste Funde gehen ins Netz
Viel wissen wir bislang noch nicht über das Leben auf dieser inzwischen versunkenen Insel. Immer mal wieder fanden Fischer Knochen von inzwischen ausgestorbenen Landtieren wie Auerochsen und Mammutzähne in ihren Netzen.
1931 entdeckten Fischer in ihrem Schleppnetz eine 21,6 Zentimeter lange prähistorische Harpune aus Knochen mit kunstvollen Verzierungen, die auf 11.740 v. Chr. datiert wurde. 1988 wurde eine steinernes Scheibenbeil aus der Mittleren Steinzeit geborgen. Lange aber blieb das sagenhafte Doggerland ein Mythos.
Systematische Kartierung des Meeresboden
Erst seit rund zwanzig Jahren untersuchen vor allem Forschende aus England mit Spezialschiffen systematisch den Meeresboden nach Spuren. Die meisten Untersuchungen konzentrieren sich auf das Gebiet der Brown Bank, einer etwa 30 Kilometer langen Untiefe zwischen England und den Niederlanden. Heute ist das Meer dort zwischen 18 und 20 Metern tief.
Die Wissenschaftler tragen dort geophysikalische Daten zusammen und analysieren Bohrkerne aus den Sedimentschichten. Mit Hilfe künstlich erzeugter seismischer Wellen konnten die Archäologen der Universität von Bradford die geologische Beschaffenheit des Meeresgrundes ziemlich genau kartografieren.
Paradiesische Zustände
In den Sedimentschichten fanden sie das Erbgut von Tieren und Pflanzen, das auf ausgedehnte Mischwälder und weitläufige Hügellandschaften mit wilden Rindern und Schweinen, Rentieren und anderen Säugetieren schließen lässt. Ideale Bedingungen also für die steinzeitlichen Jäger und Sammler.
Allerdings wurde dieses fruchtbare Land mit der Zeit immer kleiner, denn mit dem Ende der Eiszeit stieg auch der Meeresspiegel, um 35 Meter in zwei Jahrtausenden, also um fast zwei Zentimeter pro Jahr. Allmählich ragten nur noch die höhergelegenen Teile des Doggerlands aus dem Meer. Aber die verbliebene Insel war mit rund 23.000 Quadratkilometern immer noch etwa so groß wie das heutige Mecklenburg-Vorpommern oder Wales.
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Todbringende Monsterwellen
Eine apokalyptische Katastrophe weit entfernt vor der norwegischen Küste bereitete dem Idyll ein Ende. Vor etwa 8200 Jahren brachen in mehreren Schritten bei der sogenannten "Storegga-Rutschung" weit unten im Meer gewaltige Teile des Kontinentalhangs ab. Auf einer Länge von rund 290 km stürzten geschätzt 3500 Kubikkilometer Gestein und Geröll in die Tiefe des Meeres.
Die daraus resultierenden Tsunami rasten mit mindestens zehn bis zwölf Metern Höhe über das Meer. Auf den Shetland-Inseln nördlich von Schottland konnte sogar anhand von Ablagerungen eine mehr als 20 Meter hohe Flutwelle nachgewiesen werden. Und auch in England lässt sich diese Welle noch 40 Kilometer von der heutigen Küste entfernt nachweisen.
Zerstört, aber nicht versunken
Lange war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass durch solch einen Tsunami auch die noch aus dem Meer ragende Doggerbank vollständig versank. Laut einer Studie von Forschenden der Universität Bradford gab es aber nicht den einen, alles vernichtenden Tsunami.
Vielmehr konnten die Forschenden anhand der Sedimente nachweisen, dass nur der nördliche Teil von Doggerland überspült wurde und dass die zerstörerische Kraft der Fluten vermutlich durch aufragende Hügel oder Wälder abgebremst wurde.
Neues Leben nach der Flut
Zwar wurden große Teile der Wälder zerstört, Menschen und Tiere versanken in den Fluten, das Meerwasser versalzte die Böden und an vielen Stellen blieb eine Sumpflandschaft zurück.
Nachdem sich aber das Wasser zurückgezogen hatte, erholte sich das überspülte Gebiet im Laufe der Jahre wieder, denn in den Sedimentschichten oberhalb der zerstörerischen Tsunamischicht finden sich auch wieder Hinweise auf Pflanzen und Tiere.
Einige Jahrhunderte ging das Leben auf der Doggerbank also wahrscheinlich weiter.
Erst 700 Jahre nach der Storegga-Rutschung, um 5500 vor unserer Zeitrechnung, war der Meeresspiegel inzwischen so weit angestiegen, dass sich die Nordsee auch den Rest der Doggerbank holte. Die Insel wurde vollständig überspült und mit ihr versanken auch alle Spuren in der rauhen Nordsee.
Archäologische Funde - Zeugen einer bewegten Zeit
Jeder Fund der Ausstellung "Bewegte Zeiten" erzählt eine eigene Geschichte. Sie alle zeigen zugleich eindrucksvoll, dass das Gebiet Deutschlands mitten drin war in den großen Bewegungen auf dem europäischen Kontinent.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Der "geschmiedete" Himmel
Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein Sensationsfund. Bis 2020 galt sie als die älteste konkrete Himmelsdarstellung überhaupt. 1999 wurde sie von sogenannten Raubgräbern in Sachsen-Anhalt gefunden. Die kreisförmige Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold zeigt vermutlich Sterne, Sichel- und Vollmond. Ihr Alter wurde auf 3600 Jahre geschätzt. Nun glauben Forscher, dass sie jünger sein könnte.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ältestes bekanntes Kunstwerk der Menschheit
Die Venus vom Hohlefels wurde 2008 bei Ausgrabungen am Südfuß der Schwäbischen Alb gefunden. Die knapp sechs Zentimeter hohe, aus Elfenbein geschnitzte Figur wurde als Anhänger getragen und ist 35.000 bis 40.000 Jahre alt. Damit ist sie vermutlich die weltweit älteste Darstellung des menschlichen Körpers und das älteste bekannte figürliche Kunstwerk der Menschheit.
Bild: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren/J. Wiedmann
Wer den Hut auf hat,...
...hat das Sagen. Solche Goldhüte waren vermutlich religiöse Insignien von Göttern oder Priestern eines Sonnenkultes. Diese Artefakte aus der späten Bronzezeit (1000 v. Chr.) bestehen aus dünnem Goldblech voller Symbolik. Unter der hauchdünnen Schmuckverkleidung befand sich wohl die eigentliche Kopfbedeckung aus organischem Material.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/C. Plamp
Schatztruhe Kölner Rheinhafen
Tausende Funde - auch diese Öllampen aus dem 1. Jahrhundert - bargen Archäologen im Schlamm des römischen Kölner Hafens. Das frisch gegründete Köln war schon eingebunden in das exzellent funktionierende Netzwerk der Römer. Güter aus Nordafrika, Fischsoße aus Pompeji oder Wein aus Aquitanien - kein Problem. Die Römer verbanden die Welt mit Schiffen. Amphoren waren die Transportbehälter jener Zeit.
Bild: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln; Foto: Axel Thünker, DGPh
(Fund)Grube der Keltenfürstin
Ende 2010 wurde in der Donauebene bei Herbertingen das komplette frühkeltische Kammergrab einer Fürstin geborgen, samt Erdreich 80 Tonnen schwer. Armreife aus Holz, Bleche aus Bronze oder Ringe aus Gold, die bei der Toten gefunden wurden, kommen zum Teil von weit her. Weitere Indizien dafür, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. reger Handel und Kontakt mit anderen Regionen Europas bestand.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart/Y. Mühleis
Römischer Luxus bis in den Tod
In Haltern wurde ein besonderes römisches Grab entdeckt. Es enthielt neben dem Leichenbrand eines Mannes hochwertige Knochenschnitzereien. Es handelte sich um Teile einer Kline, eines Schlafmöbels, auf dem man auch Tote zum Verbrennen aufbahrte. Die Kline stammt aus Italien und garantierte römischen Luxus in der Fremde. Das 1900 Jahre alte Totenbett wurde aus tausenden Bruchstücken rekonstruiert.
Bild: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Brentführer
"Schweizer Taschenmesser" der Steinzeit
Den Faustkeil, das älteste bekannte Werkzeug der Gattung Homo, gab es bereits vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika. In Eurasien sind Faustkeile erst deutlich später, vor etwa 600.000 Jahren nachgewiesen. Das Allround-Werkzeug erfüllte wahrscheinlich zahlreiche Funktionen wie Hacken, Schneiden, Schaben, Schlagen und sogar Werfen. Dieses Exemplar aus Flintstein ist höchstens 35.000 Jahre alt.
Bild: Archäologisches Museum Hamburg
Ritt durch den Feuersturm
Dieser Reiter aus Bronze gehört zum Berliner Skulpturen-Fund und galt als zerstört. 1941 gelangte er in den Depotstandort der Partei-Propagandastelle der NSDAP. Im Spätsommer 2010 wurde er aus dem zerstörten Keller des Hauses geborgen. Der Reiter (1933/34) des Bildhauers Fritz Wrampe - für die Nazis "entartete Kunst" - ist durch die Hitzeentwicklung während der Berliner Bombennächte verformt.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/A. Kleuker
Ältestes Schlachtfeld Europas
Mitte der 1990er Jahre wurde das bisher älteste bekannte Schlachtfeld in Europa entdeckt. Die Kämpfer gehörten vermutlich zwei unterschiedlichen Gruppen an. Am Fluss Tollense in Mecklenburg-Vorpommern fand man mehr als 10.000 Menschenknochen, Pfeil- und Lanzenspitzen, Speerspitzen und Messer. Die auf dem Bild gezeigten Exponate sind rund 3300 Jahre alt.
Bild: Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern
Weltsensation aus Wittenberg
Ende 2012 wurde am Wittenberger Schaffensort des Dr. Faustus eine ganze Laborausstattung gefunden: Tiegel, Becher, Retorten, Destillierkolben. Allerdings zerbrochen in 10.000 Scherben. Zusammengesetzt ergaben sie ein Alchemistenlabor aus der Zeit von 1520 bis 1540, das bisher älteste bekannte Europas. Jemand hat dort wohl die Formel zur Goldherstellung gesucht oder gar die Weltformel.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ahnen auf Putz
Ein unglaublicher Fund kam in der Nähe des Bodensees bei Bad Schussenried ans Licht. Ein neolithischer bemalter Lehmputz. Er beweist, dass die Menschen bereits 4000 Jahre v. Chr. ihre Häuser stark dekorierten. Der in Berlin ausgestellte, bemalte Wandverputz, bildet eine Ahnenreihe ab, möglicherweise auch himmlische Gestalten, die über dieses Haus wachen sollten. Eine komplexe, frühe Bildidee.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Hemmenhofen/M. Erne
Christus im Grab
Pilgerreisen sind zentrale Ereignisse im Leben von Menschen und Pilgerzeichen der sichtbare Beweis dafür. Manche ließen sich die Zeichen ihrer Pilgerschaft ins Grab legen. Dieses Bremer Pilgerzeichen (13./14. Jh.) wurde in Harburg (heute Stadtteil von Hamburg) gefunden. Es zeigt Christus, auf einem Esel reitend. Pilgerzeichen waren überwiegend Gitter- oder Flachgüsse aus einer Zinn-Blei-Legierung.
Bild: Archäologisches Museum
Hamburg
900 Gramm Gehacktes
Ein Spaziergänger fand 2005 in der Oberlausitz den bedeutenden Silberschatz von Cortnitz. Die meisten der gefundenen Münzen, Schmuckstücke und Silberbarren wurden um 1150 vom Besitzer zerhackt. Die einzelnen Fragmente stammen aus Böhmen und Mähren, aber auch aus Bulgarien, Skandinavien und sogar Bagdad. Brauchte man Kleingeld, so wurden passende Stücke von einem größeren Batzen abgetrennt.
Bild: Landesamt für Archäologie Sachsen/U. Wohmann
Der Mann unter der Kirche
1955 wurde in dem kleinen Dorf Morken, etwa 45 km westlich von Köln, unter der ehemaligen Pfarrkirche die unberaubte Grabkammer des Herrn von Morken gefunden. Der war im späten 6. Jahrhundert n. Chr. dort bestattet worden. In der Kammer lagen Beigaben von höchster handwerklicher Qualität: Speise- und Trankbeigaben, Waffen und auch dieser Helm aus Eisen und Gold mit Kupferlegierung.