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Angela Merkel aus internationaler Sicht

Kevin Tschierse
25. November 2022

Der Dokumentarfilm "Merkel - Macht der Freiheit" beleuchtet, wie die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer international respektierten Spitzenpolitikerin wurde.

Angela Merkel blickt über eine Schulter
Sie war die erste deutsche Bundeskanzlerin: Angela MerkelBild: Eva Weber

Die Regisseurin Eva Weber porträtiert in ihrem Dokumentarfilm "Merkel - Macht der Freiheit" die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als politisch geschicktes Multitalent: Populisten und Autokraten die Stirn bieten, chauvinistische Alpha-Tiere in der Politik zähmen, Krisen abschütteln - alles kein Problem für Merkel. 

Dem Film gelingt es, Merkels Persönlichkeit zu ergründen und der als unnahbar geltenden Politikerin, die 16 Jahre die Regierungsgeschäfte Deutschlands führte, sogar ein bisschen nahezukommen - obwohl in der gesamten Doku kein einziges aktuelles Interview mit ihr zu sehen ist. 

Werte wichtiger als Partei

Archivmaterial und Interviews mit vor allem deutschen und angelsächsischen Journalistinnen und Journalisten sowie mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern aus dem In- und Ausland geben dem Publikum einen guten Eindruck von den Werten, die die ehemalige Bundeskanzlerin leiteten. Ihr pragmatisches Handeln, richtete sich stets nach ihrem persönlichen Wertekodex. Dafür legte sie sich auch schon mal mit ihrer eigenen Partei an. 

1991 wurde Angela Merkel unter Bundeskanzler Helmut Kohl BundesfamilienministerinBild: picture-alliance/dpa

 

Angela Merkel aus internationaler Sicht

"Ich habe ihre Laufbahn immer von außen betrachtet und war fasziniert davon, wie unterschiedlich sie zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen wurde - positiv in Deutschland, negativ im Ausland oder andersrum", sagte die seit vielen Jahren in England lebende Regisseurin Eva Weber auf der Podiumsdiskussion nach der Premiere in Berlin am Mittwochabend. Genau dieser Blick von außen zeichnet den Film aus: Er ist eine distanzierte Betrachtung einer Ausnahmepolitikerin aus internationaler Perspektive. Merkels Innenpolitik rückt in den Hintergrund.

Die Idee für den Film kam der Regisseurin im Sommer 2020 zu einer Zeit, in der Boris Johnson in ihrer Wahlheimat omnipräsent war und für Schlagzeilen sorgte. Angela Merkels beherrschtes Auftreten stand im Kontrast zu dem quirligen britischen Premier. 

Weg in die Spitzenpolitik

Akribisch erzählt der Dokumentarfilm Merkels Aufstiegsgeschichte nach: Sie beginnt mit der ostdeutschen Pfarrerstochter, die sich für ein Physikstudium entschied, um sich in der DDR möglichst wenig über Politik unterhalten zu müssen. Nach der Wende wurde sie eine von zwei ostdeutschen Ministerinnen im ersten Kabinett des wiedervereinigten Deutschlands und schließlich die erste Bundeskanzlerin Deutschlands. "Angela Merkel hatte zwei Leben: das Leben vor dem Mauerfall und das Leben nach dem Mauerfall", so Eva Weber.

Die Zusammenarbeit zwischen Donald Trump und Angela Merkel war nicht immer leichtBild: Jesco Denzel/Bundesregierung/dpa/picture alliance

Wie sehr die DDR Angela Merkel als Menschen und als Politikerin geprägt und wie sich ihr Leben vor dem Mauerfall auf ihre Kanzlerschaft ausgewirkt habe, fasziniere sie, sagte Eva Weber. Merkel habe durch ihre persönliche Erfahrung ein klares Verständnis von Demokratie und Freiheit erworben und wisse, wie wie fragil beides sein kann.

"Protestantischer Politikstil"

Politisch habe sie Angela Merkel nie unterstützt, sagte die Regisseurin. Doch Merkels "protestantischer Politikstil" habe ihr imponiert. Ihre pragmatische Art und das Stützen auf Fakten habe Merkel von vielen anderen Regierungschefs unterschieden. Weber hat großen Respekt vor dem politischen Stil Merkels und wollte diesen deshalb in den Vordergrund rücken und nicht ihre politischen Entscheidungen.

Politische Versäumnisse oder die Konsequenzen ihres Handels, etwa in der Russlandpolitik, die spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine differenzierter bewertet wird, spart der Dokumentarfilm weitgehend aus.

Der Film thematisiert, wie sich Angela Merkel in ihrer politischen Karriere gegen mächtige Männer wie Putin behaupteteBild: ITAR-TASS/imago images

Biografie statt Analyse

Der Film versteht sich als Biografie, nicht als politische Analyse. Für ein Vermächtnis sei es noch zu früh, sagte die Regisseurin. Und es sei auch nicht unbedingt ihre Aufgabe als Filmemacherin, Merkels Vermächtnis zu bewerten. 

Diese Sicht teilt auch der Journalist Ralph Bollmann, der eine Biografie über Merkel geschrieben hat, und ebenfalls im Film zu Wort kommt. Er ist der Ansicht, dass der Film Merkels internationale Strahlkraft als Persönlichkeit übermittelt. "Ich glaube, dass in Deutschland von manchen Leuten unterschätzt wurde, was Merkel tatsächlich für eine Figur ist", sagte er im DW-Interview. Gerade in ihrer späten Amtszeit habe sie eine internationale Fangemeinde gewonnen und sich als Gegenfigur zum polternden ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump inszeniert. 

Den Deutschen sollte der Film zu denken geben, meint Bollmann. "Merkel hat in ihren öffentlichen Auftritten - obwohl viele immer gesagt haben, sie sei ja so langweilig - unglaublich viel von sich preisgegeben." Das sei Grund genug, jetzt schon einen solchen Film zu machen, auch wenn man ihr Vermächtnis noch nicht abschließend beurteilen könne.

DW-Doku: Angela Merkel - Kanzlerin in Krisenzeiten

Auch die DW widmete Angela Merkel zum Ende ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin einen Dokumentarfilm: Angela Merkel - Kanzlerin in Krisenzeiten. Darin kommen - mehr als in Webers Doku - ehemalige Staatsoberhäupter und Minister wie George W. Bush, François Hollande, Dmitri Medwedew, Tony Blair, Ellen Johnson-Sirleaf, Dilma Rousseff und Yanis Varoufakis zu Wort - Menschen mit denen Angela Merkel sich in ihrer 16-jährigen Regierungszeit die politische Bühne geteilt hat.  

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