Donald Rumsfeld rechnet ab
9. Februar 2011Der frühere Pentagonchef lastet dem damaligen Bundeskanzler und dem französischen Ex-Präsidenten an, mit ihrer Opposition die US-amerikanische Androhung einer Militäraktion gegen den Irak weniger glaubwürdig gemacht zu haben. Die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich trügen deshalb eine Mitschuld am Irak-Krieg, mit ihrer Ablehnung hätten sie eine Eskalation bewirkt. Rumsfeld schreibt weiter, dass die deutsche und französische Position es Kritikern der USA erlaubt habe zu behaupten, dass Europa gegen eine Militäraktion sei. Dabei habe eine "große Mehrheit" europäischer Länder die USA unterstützt.
"Noch besorgniserregender ist, dass die Franzosen und Deutschen Saddams Regime, absichtlich oder nicht, den Eindruck vermittelt haben, dass sie eine militärische Konfrontation verhindern könnten", so der heute 78-Jährige. "Indem sie Saddam ein falsches Gefühl der Sicherheit gaben und dadurch den Anreiz für ihn zum Befolgen der UN-Forderungen schwächten, haben die Franzosen und Deutschen zweifellos den Krieg wahrscheinlicher und nicht weniger wahrscheinlich gemacht."
"Old Europe" - unbeabsichtigter Kommentar über die "Elite in Paris und Bonn"
Rumsfelds gefürchtete Rauflust ist auch mit 78 Jahren ungebrochen. Mit Befriedigung stellt er fest, dass sein abfälliges Wort vom "alten Europa", das sich dem Irak-Krieg entgegenstellte, "längst zum Teil des allgemeinen Sprachguts geworden" sei. Rumsfeld weiter: "Die Äußerungen haben einen Aufschrei verursacht, vor allem bei denen, die gemeint waren".
Gemeint gewesen seien "die Eliten in Paris und Bonn, die sich selbst als Beschützer einer hoch entwickelten neuen Weltordnung betrachteten", fügt er hinzu - unter Missachtung der Tatsache, dass die deutsche Regierung damals längst nach Berlin umgezogen war. "Ironischerweise war mein Kommentar unbeabsichtigt", so Rumsfeld, "ich wollte eigentlich sagen, dass Frankreich und Deutschland die 'alte NATO' repräsentieren." Bereut habe er seine Äußerungen aber nie. "Alles in allem hat mich der Wirbel wirklich amüsiert."
Powell illoyal, Rice inkompetent
In den 815 Seiten starken Memoiren äußert sich Rumsfeld auch wenig schmeichelhaft über damalige US-Regierungskollegen wie Außenminister Colin Powell und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. Powell und dessen Gefolgsleuten lastet er unter anderem schlechtes Management und Skepsis gegenüber Regierungsinitiativen an, die schon an Illoyalität gegrenzt habe. Rice bescheinigt der Ex-Pentagonchef volle Loyalität, aber dafür Inkompetenz und schlechte Organisation. Auch die Geheimdienste, die den Aufstand gegen die US-Besatzer nicht hätten kommen sehen, bekommen ihr Fett weg.
Rumsfelds besonderer Zorn gilt seinem Kabinettskollegen Powell, der sich später vom Irak-Krieg distanziert hatte. Powell habe sich in internen Sitzungen nie gegen den Krieg ausgesprochen: "Es ist in den Medien viel zu lesen, dass Colin Powell dagegen war", sagte Rumsfeld süffisant dem Sender ABC. "Davon habe ich aber nicht das Geringste gemerkt."
"Stabilere und sicherere Welt" durch den Irakkrieg
Rumsfelds Buch gewährt einen Einblick in bittere Machtkämpfe zwischen Verteidigungs- und Außenministerium in Washington und in chaotische Prozesse der Entscheidungsfindung hinter den Kulissen. Und es illustriert, mit welchem Übermaß an Gewissheit Bushs Regierung in den Krieg zog. In seinen Gesprächen mit Bush sei es nie um das Ob, sondern nur um das Wie des Kriegs gegangen: "Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich jemals gefragt hätte, ob ein Kriegszug gegen den Irak die richtige Entscheidung wäre."
Rumsfeld macht deutlich, dass er die Entscheidung nach wie vor für richtig hält: "Dass die Region von der brutalen Diktatur Saddam Husseins befreit wurde, hat eine stabilere und sicherere Welt geschaffen." Ein größeres Truppenaufgebot in der Anfangsphase wäre jedoch möglicherweise besser gewesen. Wirkliche Reue zeigt er hingegen im Zusammenhang mit den skandalösen Fotos zur Misshandlung irakischer Gefangener durch US-Soldaten im Gefängnis Abu Ghraib, die 2004 ans Licht kamen. Er hätte damals zurücktreten müssen, schreibt er heute: "Mehr als alles andere, das ich versäumt habe, bedaure ich, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht gegangen bin."
Guantanamo "eines der besten Gefängnisse der Welt"
Das umstrittene US-Gefangenenlager Guantanamo in Kuba bezeichnete Rumsfeld hingegen als "eines der besten Gefängnisse der Welt". Aus ihm unbekannten Grund sei es aber der US-Regierung nicht gelungen, den Menschen zu vermitteln, dass in Guantanamo "nicht gefoltert wurde, dass niemand verletzt wurde", sagte Rumsfeld in einem Interview mit dem Fernsehsender Fox. Das für das Lager verantwortliche Militärpersonal habe "unfairerweise" im Kreuzfeuer der Kritik gestanden, es verdiene im Gegenteil "sehr viel Lob" für seine Leistung.
Zugleich kritisierte Rumsfeld die Ankündigung des heutigen US-Präsidenten Barack Obama, das Anfang 2002 unter seinem Vorgänger George W. Bush im Zuge des Anti-Terror-Kampfes eröffnete Lager in Guantanamo schließen zu wollen. Es fanden sich aber nicht genügend Möglichkeiten, die Insassen in anderen Ländern unterzubringen, während der US-Kongress einen Transfer auf US-Boden unterband. In Guantanamo sind heute noch 173 Terrorverdächtige in Haft. Nur drei von ihnen wurden in einem Prozess verurteilt.
Autor: Oliver Pieper (dpa, afp)
Redaktion: Mirjam Gehrke