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Donald Trump verstehen mit George Orwell

Julia Hitz
25. Januar 2017

Seit Trumps Amtseinführung ringen nicht nur die Amerikaner darum, sich und anderen zu erklären, was in ihrem Land passiert. Literatur oder Kunst könnten helfen. Oder man baut auf "alternative facts".

Filmstill von George Orwells "1984"
Die Verfilmung von George Orwells düsterem "1984": Mit dem paradoxen Slogan "War is Peace. Freedom is Slavery. Ignorance is Strengh." wird hier eine ganze Gesellschaft manipuliertBild: picture-alliance/akg-images

Es war ein Reporter von CNN - eben jenem Sender, den Trump in seiner ersten Pressekonferenz des Jahres als "Fake-News" diffamierte - der als erster den Zusammenhang herstellte: Auf den amerikanischen Amazon-Bestsellerlisten erschien auf einmal der düstere George Orwell-Klassiker "1984" auf Platz eins. Könnte das im Zusammenhang mit der Amtseinführung von Donald Trump stehen und dem verstörenden Auftakt seines Pressesprechers Sean Spicer, der allerlei "Alternative Fakten" präsentierte, wie Trumps Mediensprecherin Kellyanne Conway es später klarstellte? Sicher kann dies auch der CNN-Reporter nicht beantworten, aber möglich ist: Ein Blick in die Schatztruhe der Kultur könnte von Nutzen sein.

Lebenshilfe 1: Literatur

Alles begann im Weißen Haus: Der frisch gebackene Pressesprecher Sean Spicer servierte den anwesenden Journalisten eine handfeste Falschmeldung zu den Besucherzahlen bei Donald Trumps Vereidigung: "Das war das größte Publikum, das jemals an einer Amtseinführung teilgenommen hat. Punkt." Eine Behauptung aus der Defensive, die sich nach Prüfung mehrere unabhängiger Quellen als faktisch falsch erwies. Damit nicht genug: Die Trump-Beraterin Kellyanne Conway rechtfertigte diese Aussage in einer Fernsehschalte mit NBC wie folgt: "Sie sagen, dass sei eine Falschaussage. Sean Spicer hat hier alternative Fakten präsentiert."

Das Netz explodiert seitdem unter #alternativefacts mit postfaktischen Meldungen. Mehrere amerikanische Kommentatoren bezeichneten die Implikationen von Conways Kommentar als Schreckensvision orwellschen Ausmaßes. Dessen Roman führt jetzt die Amazon-Bestellerliste an.

Neusprech und #spicerfacts

In seinem 1949 erstmals erschienenen dystopischen Roman "1984" entwirft George Orwell eine totalitäre Gesellschaft, die einer allgegenwärtigen Überwachung unterliegt und durch Propaganda einer kollektiven Gehirnwäsche unterzogen wurde. Dabei spielt der Sprachgebrauch eine zentrale Rolle: Neusprech (engl. Newspeak) ist eine zu politischen Zwecken künstlich modifizierte Sprache. Die prägnanten Auszüge aus dem Buch kursieren jetzt unter #alternativefacts auf Twitter:

"1984" ist nicht das einzige Buch, von dessen Lektüre sich die Amerikaner nun Klarheit versprechen. Unter den hundert meist verkauften Büchern finden sich plötzlich auch andere gesellschaftskritische Klassiker aus den 1930er Jahren wie "It Can't Happen here" von George Sinclair und "Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley" sowie "Die Ursprünge des Totalitarismus" von Hannah Arendt.

Lebenshilfe 2: Kunst

Der Fisch stinkt vom Kopf, heißt ein wenig schmeichelhaftes deutsches Sprichwort. Diesen Gedanken verfolgte wohl auch die New York Times, als sie eine Zusammenstellung der "alternativen Fakten" seit dem Inauguration Day mit folgender Szene komplettierte: Mister Trump sagte, "obwohl ihn ein paar Regentropfen erwischt hätten", als er seine Antrittsrede begann, sei der Himmel bald aufgeklart. "Die Wahrheit ist, der Regen hörte auf und die Sonne kam heraus." Er fuhr fort, "es regnete wieder, als ich aufhörte." 

Die NYT stellte klar: Es habe leicht zu regnen begonnen, als Trump seine Rede begann und es hörte auch in den kompletten 18 Minuten, als er seine Rede hielt, nicht auf und auch nicht, als er endete.

Diese Gegenüberstellung kommentiert eine niederländische Journalistin auf Twitter mit einer Magritte-Bildmontage und will damit zeigen: Kunst (insbesondere der Surrealismus) kann helfen zu verstehen:

Apropos Niederlande: Die Holländer hatten kurz nach Trumps Rede zur Amtseinführung bereits mit einem satirischen Werbespot bewiesen, dass sie das mit der Kommunikation auf Augenhöhe drauf haben:

 

 

Lebenshilfe 3: #alternativefacts

Die "alternativen Fakten" von Kellyanne Conway sind im Netz viral gegangen. Unter #alternativefacts wird nun international falschgemeldet, was das Zeug hält. Zum Abschluss hier ein kleines Best Of. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.