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Politik

Trump ohne Strategie in Syrien

18. Oktober 2019

Die USA haben eine Waffenruhe zwischen der Türkei und den Kurden in Syrien vermittelt. Sie soll Probleme lösen, die Trump selbst erst verursacht hat. Harsche Kritik wird nun auch aus Trumps eigenem Lager laut.

USA Texas Wahlkampf Präsident Donald Trump
Trump spricht in Texas und lässt sich feiernBild: picture-alliance/AP Photo/A. Harnik

US-Präsident Donald Trump gibt sich nach außen nicht sonderlich besorgt über die Situation an der türkisch-syrischen Grenze. Am Donnerstag verglich er den Konflikt zwischen dem türkischen Militär und kurdischen Truppen mit einer Streiterei zwischen zwei Kindern. "Manchmal muss man sie eine Weile kämpfen lassen", sagte Trump vor Unterstützern in Texas. "Dann zieht man sie auseinander." Beide Seiten hätten recht heftig gekämpft, fügte der US-Präsident noch hinzu.

Fast 500 Menschen sollen seit Beginn der türkischen Militäroffensive vergangene Woche ums Leben gekommen sein, darunter 72 Zivilisten. Die Angaben kommen von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihren Sitz in Großbritannien hat und Informationen von Unterstützern aus Syrien bezieht. Die Angaben können nur schwer unabhängig überprüft werden. Von anderen Quellen heißt es, bis zu 300.000 Menschen wurden bereits aus ihren Häusern vertrieben. Und UNICEF berichtet, dass die Kämpfe eine Wasserstation außer Betrieb gesetzt haben, die 400.000 Menschen mit Wasser versorgte. Mit einer Spielplatzrangelei hat das nichts gemein.

Problem verursacht – Problem gelöst?

Am 6. Oktober verkündete der Präsident den Rückzug der US-Truppen aus Nord-Syrien. In einem Statement aus dem Weißen Haus dazu hieß es, die Türkei werde "bald mit ihrer lang geplanten Operation in Nord-Syrien beginnen." Das US-Militär, so hieß es weiter, werde die türkischen Truppen bei dieser Operation nicht unterstützen. Aber von einer Verurteilung war auch nicht die Rede. Und das, obwohl sich die Operation gegen kurdische Milizen richtete, die zu den wichtigsten Verbündeten im Kampf der USA gegen den "Islamischen Staat" gehörten.

Doch kurz nachdem das türkische Militär in Syrien einmarschierte – und es selbst von vielen Republikanern ob der brutalen Gewalt harte Kritik hagelte – drohte Trump mit einer "totalen Zerstörung" der türkischen Wirtschaft. Am Donnerstag dann verkündete Trump, dass die USA, vertreten durch Vizepräsident Mike Pence auf einem Ankara-Besuch, mit der Türkei eine Waffenruhe verhandelt habe, und angedrohte Sanktionen gestrichen seien.

Pence und Erdogan vereinbaren eine Waffenruhe - keine DauerlösungBild: picture-alliance/dpa/AP/Presidential Press Service

Was für ein Erfolg! Aber was der US-Präsident stolz der Öffentlichkeit präsentierte, "war die Lösung für ein Problem, das er selbst erst verursacht hat", sagt Frances Brown von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace im Gespräch mit der DW. Das Verhalten der US-Regierung sei verwirrend für Verbündete: "Es werden Sanktionen angekündigt für eine Aktion, von der die Türkei glaubte, dass sie grünes Licht aus dem Weißen Haus bekommen hatte."

"Keine ernsthafte Strategie"

Bulent Aliriza, Gründer und Direktor des Turkey Projects an der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) geht noch weiter. Er könne sich nicht erinnern, dass Vizepräsident Pence, Außenminister Mike Pompeo und National Security Advisor Robert O'Brien schon jemals zu dritt irgendwo hingereist seien, "um das Durcheinander zu beseitigen, das Trump angerichtet hat", sagte Aliriza der DW. Die drei wichtigsten Vertreter des Präsidenten in der Außenpolitik waren am Mittwoch nach Ankara geflogen. "Es ist schon fast peinlich, die Verrenkungen der US-Außenpolitik zu beobachten, die Mr. Trumps eigenartiges und unausgeglichenes Verhalten erfordert", so Aliriza weiter.

Pence und Pompeo in Ankara: "Verrenkungen der US-Außenpolitik"?Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Martin

Es heißt, dass militärische Berater nicht konsultiert wurden, bevor das Weiße Haus den Rückzug der US-Truppen aus dem Norden Syriens verkündete. Die ständigen Änderungen, die es in den vergangenen Tagen zu beobachten gab, scheinen das zu bestätigen. "Ich denke, man kann sagen, dass es keine ernsthafte Strategie gibt", sagt Michael Singh, Leiter des Washington Institutes für Nahost-Politik und ehemaliger Berater der früheren US-Außenminister Colin Powell und Condoleezza Rice. "Die Zuständigen werden sich jetzt beeilen müssen, um schnell eine neue Strategie vorweisen zu können."

Schon jetzt, da sind sich Experten einig, haben die vergangenen 12 Tage großen Schaden angerichtet. Die Kurden fühlen sich von den USA verraten und im Stich gelassen. Auch Trump hat die Türkei brüskiert, nicht zuletzt mit einem Brief, in dem er Erdogan am 9. Oktober aufforderte, kein "Narr" zu sein. Und anderen internationalen Verbündeten hat das willkürliche Verhalten der USA gezeigt, dass man sich auf Washington nicht verlassen kann. "Gegner der USA verbreiten gerne, dass unser Land ein unzuverlässiger Partner ist", sagt Außenpolitik-Expertin Brown. "Das haben wir jetzt selbst bewiesen."

Dreifacher Rückschritt in Syrien

Eine US-Strategie für Syrien – die gab es mal. Die Trump-Administration hatte drei Ziele für das bürgerkriegsgeplagte Land festgelegt: Den "Islamischen Staat" endgültig besiegen, den iranischen Einfluss in Syrien reduzieren und einen unwiderruflichen und für die USA günstigen politischen Wandel herbeiführen.

Eskalation in Nordsyrien - mit Folgen für die RegionBild: Reuters/M. Sezer

"Die neuesten Entwicklungen werden möglicherweise zu einem erneuten Erstarken von ISIS ['Islamischer Staat', die Red.] führen", sagte Singh der DW. "Sie werden sicherlich die iranische Position in Syrien stärken. Und die USA werden wahrscheinlich weniger Einfluss auf eine politische Einigung haben. Wir wurden also in allen drei Punkten zurückgeworfen."

Gegenwind auch aus dem eigenen Lager

Ungewöhnlich ist, dass sich nun sogar der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell, außerordentlich deutlich gegen den Syrien-Kurs von Präsident Trump stellt. "US-Truppen aus Syrien abzuziehen, ist ein schwerer strategischer Fehler", schrieb McConnell am Freitag in einem Gastbeitrag für die "Washington Post". Dieser Fehler mache Amerika unsicherer, stärke die Feinde der USA und schwäche wichtige Partner.

Der Republikaner McConnell meint, Trumps Politik werde Assad, dem Iran und Russland in die Hände spielenBild: picture-alliance/AP Photo/J.S. Applewhite

"Die Kombination aus einem Rückzug der USA und den eskalierenden Feindseligkeiten zwischen Türken und Kurden schafft einen strategischen Alptraum für unser Land." Er mahnte: "Selbst wenn die am Donnerstag verkündete Waffenruhe von fünf Tagen hält, haben die Geschehnisse der vergangenen Woche den Kampf der USA gegen den Islamischen Staat und andere Terroristen zurückgeworfen." McConnell rief dringend dazu auf, eine begrenzte Zahl von US-Soldaten in Syrien zu belassen und auch die Militärpräsenz in anderen Teilen der Region aufrechtzuerhalten: "Amerikas Kriege sind nur dann 'endlos', wenn Amerika sich weigert, sie zu gewinnen."

Die Zukunft beginnt am Dienstag

Wie es nach der von Trump hochgelobten Waffenruhe weitergeht ist unklar - schließlich sind auch international bei weitem nicht alle Seiten so begeistert, wie Trump es darstellt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan stimmte der Feuerpause von fünf Tagen unter der Bedingung zu, dass sich alle kurdischen Truppen aus einem Gebiet zurückziehen, dass rund 32 Kilometer tief nach Syrien hinein reicht und sich über 440 Kilometer an der türkisch-syrischen Grenze entlang zieht. Ankara beharrt seit langem darauf, dass diese "Sicherheitszone" von allen kurdischen Milizen, die die Türkei als Terror-Organisationen ansieht, geräumt wird. Ankara plant nach eigenen Angaben, syrische Flüchtlinge, die aktuell in der Türkei leben, in die Region umzusiedeln.

Erdogan bekommt also genau, was er will. Aber in dem Gebiet liegen auch einige kurdische Städte und Teile einer wichtigen Autobahn. Auf kurdischer Seite hält sich die Begeisterung in Grenzen. "Unser Volk wollte diesen Krieg nicht", sagte der kurdische Politiker Saleh Muslim einem lokalen TV-Sender nach Angaben des britischen Guardian. "Waffenruhe ist eine Sache und Kapitulation ist eine andere Sache. Wir sind bereit, uns zu verteidigen. Wir werden die Besetzung von Nord-Syrien nicht akzeptieren."

Am Dienstag, wenn die Waffenruhe zu Ende geht, trifft sich Erdogan mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Experten gehen davon aus, dass der russische Einfluss in der Region nach dem Rückzug der USA wachsen wird. Wie die Türkei weiter vorgeht, hängt also vermutlich auch davon ab, welche Unterstützung Putin seinem türkischen Amtskollegen anbieten wird.

 

Der Artikel wurde unterstützt durch Recherchen von Alexander Matthews.

 

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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