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PolitikPolen

Donald Tusk - Comeback des Alpha-Tiers

Jacek Lepiarz (aus Warschau)
13. Dezember 2023

Lange Zeit galt Donald Tusk als Lebemann, dem Fußball wichtiger war als harte politische Arbeit. Im Wahlkampf bewies er, dass er Polens Rechtspopulisten von der Macht verdrängen kann. Nun ist er wieder Premierminister.

Donald Tusk formt nach seiner Wahl zum polnischen Premierminister im Parlament ein Herz mit seinen Händen.
Mit Herz und Verstand: Donald Tusk ist neuer Regierungschef in PolenBild: Michal Dyjuk/AP/dpa/picture alliance

Als Donald Tusk vor zwei Jahren aus Brüssel nach Polen zurückkehrte, lag seine Partei Bürgerplattform PO am Boden. In den Umfragen konnte die liberalkonservative Gruppierung, die 2015 die Macht an die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verloren hatte, noch nicht mal annähernd 20 Prozent erreichen.

Niemand gab der PO damals eine Chance gegen die PiS, die über die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügte. Doch dann übernahm Tusk, der im Mai 2021 den Vorsitz der Europäischen Volkspartei vorzeitig niedergelegt hatte, wieder die Führung der in einer tiefen Krise steckenden Oppositionspartei und begann mit einer systematischen Aufbauarbeit an der Basis.

Zweimal um die Erde im Wahlkampf

Im Wahlkampf 2023 legte der neue Oppositionsführer 70.000 Kilometer zurück, fast so viel, als wenn er zweimal um die Erde gereist wäre. Bei hunderten Begegnungen in allen Teilen des Landes trat er ohne Scheu in direkten Dialog mit den Wählern, auch mit seinen Gegnern. Dabei verzichtete er auf Sicherheitsabsperrungen und Polizeikontrollen. Zwei Großdemonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmern in Warschau, zu denen er aufgerufen hatte, spielten bei der Mobilisierung der Wähler eine wichtige Rolle. Die Rekordbeteiligung von fast 75 Prozent bei der Parlamentswahl am 15.10.2023 geht in großem Maße auf sein Konto. "Der Wahlsieg ist sein Sieg", urteilte die Zeitung Gazeta Wyborcza.

Oppositionsführer Donald Tusk mobilisiert im Wahlkampf - Hunderttausende kommen zu den von ihm ausgerufenen Massenkundgebungen wie hier am 1.10.2023 in WarschauBild: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

Nach der Wahl zum Regierungschef am Montag (11. Dezember) bedankte sich Tusk bei seinem politischen Weggefährten, dem ehemaligen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa. "Vor 44 Jahren, im Dezember 1979, ich war damals ein junger Mann, bereiteten wir gemeinsam in einem Danziger Studentenheim eine illegale Demonstration vor der Werft vor", wandte sich Tusk an den inzwischen 80-Jährigen, der die Abstimmung im Parlament von der Gästebank aus verfolgte. Damals sei der Geheimdienst eingeschritten und habe die Demonstration beendet. "Das war ein prägendes Erlebnis. Ich habe damals verstanden, dass Politik wichtig ist", so der neue Premier.

Regimekritiker aus Danzig

In der Tat liegen die Wurzeln von Tusks politischem Engagement in seiner Heimatstadt Danzig, wo er im April 1957 geboren wurde. Als Student der Geschichte unterstützte er dort die konspirative Tätigkeit der antikommunistischen Opposition, die 1980 zur Entstehung der Gewerkschaft Solidarnosc führte. Nach Abschluss des Studiums verdiente der Historiker seinen Lebensunterhalt als Arbeiter, unter anderem reinigte er Fabrikschlote. Er gab die politische Zeitschrift Przeglad Polityczny (Politische Umschau) heraus - ein Forum für liberale Ideen, das bis heute erscheint.

Ex-Präsident Lech Walesa (l.) unterstützte Tusk im WahlkampfBild: Czarek Sokolowski/AP Photo/picture alliance

Der Zusammenbruch des Kommunismus 1989 eröffnete dem Regimekritiker neue Möglichkeiten der politischen Betätigung. Begeistert von liberalen Ideen, gründete Tusk nach der demokratischen Wende den Liberal-Demokratischen Kongress (KLD). Eine Zeitlang gehörte seine Partei zur breiteren christdemokratischen Struktur Porozumienie Centrum seines künftigen Widersachers Jaroslaw Kaczynski.

Erste Schritte im Parlament

Im Jahr 1991 gewann Tusk erstmals ein Parlamentsmandat und fungierte eine Zeitlang als Vize-Chef der Zweiten Parlamentskammer, des Senats. Seine Mitarbeiter klagten jedoch über sein Desinteresse für systematische Arbeit und seine fehlende Disziplin.

Donald Tusk liebt Fußball und kickt auch selbst gerne - hier bei einem Spiel anlässlich seines 60. Geburtstags am 22.04.2017Bild: Michal Fludra/NurPhoto/picture alliance

2001 hob Tusk seine neue Partei Bürgerplattform (PO) aus der Taufe. Sie wurde neben der PiS von Jaroslaw Kaczynski zum Hauptakteur in der polnischen Politik.

2007 errang der liberale Politiker erstmals das Amt des Regierungschefs. Zuvor hatte er beim gewonnenen Fernsehduell gegen Kaczynski sein rhetorisches Talent bewiesen. Seinen Regierungsstil als Ministerpräsident verglichen die polnischen Publizisten mit der Methode der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Fahrt auf Sicht", also eine pragmatische Politik der kleinen Schritte ohne große Visionen. Er selbst nannte als Ziel seiner Politik, dass es für die Menschen "warmes Wasser in der Leitung" gebe. Diese Politik der kleinen Schritte erwies sich als erfolgreich - als erster polnischer Premier nach 1989 gewann er 2011 erneut die Wahl.

Von Warschau nach Brüssel

Vor dem Ende der zweiten Legislaturperiode 2014 wechselte Tusk nach Brüssel, wo er bis 2019 als Vorsitzender des Europäischen Rates amtierte. Danach übernahm er die Führung der Europäischen Volkspartei. Dieses Amt legte er im Mai 2021 vorzeitig nieder und kehrte in die polnische Politik zurück. Dort erwarteten ihn seine politischen Gegner mit grimmiger Entschlossenheit, seinen Wiederaufstieg an die Macht zu verhindern. Immer wieder bezichtigten sie ihn, ein Büttel europäischer und deutscher Politik zu sein. 

Donald Tusk im Wahlkampf, auf der Brust das rote Papierherz, das zum Zeichen seines Wahlkampfs wurdeBild: Artur Marrcinkowski/newspix/IMAGO

Seit Jahrzehnten ist Tusk ein Objekt der antideutschen Propaganda seitens der nationalkonservativen Kreise. 2005 wurde sein Großvater Jozef Tusk beschuldigt, sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet zu haben. In Wirklichkeit war er im deutschen Konzentrationslager Stutthof inhaftiert und zur deutschen Armee eingezogen worden. Im Wahlkampf beschimpften ihn PiS-Politiker als Landesverräter und Kollaborateur. Nach Tusks Wahl zum Regierungschef schleuderte ihm Kaczynski am Rednerpult im Parlament wütend entgegen: "Sie sind ein deutscher Agent."

Tusk reagierte auf die Diffamierungskampagne mit Gelassenheit. Seine zu einem Herz geformten Hände wurden zum Zeichen seines Wahlkampfs. Er selbst und seine Anhänger trugen bei Veranstaltungen und bei den Massenkundgebungen - dem Marsch der Millionen Herzen - ein rotes Herz aus Papier am Revers. Auch im Sejm grüßte er nach seiner Wahl zum Regierungschef seine Anhänger und Gegner mit diesem Zeichen.

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.
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