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Politik

Wie sich Russlands Ziele im Krieg gegen die Ukraine ändern

Alexandra Ivanova
27. Juli 2022

In den fünf Monaten seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine haben sich die Aussagen russischer Vertreter, was die Ziele Moskaus angeht, mehrfach geändert. Die DW erinnert an die wichtigsten.

Russland Putin und Lawrow Botschafter Audienz in Moskau
Der russische Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej LawrowBild: Reuters/S. Karpukhin

"Russland wird dem ukrainischen Volk helfen, ein absolut volksfeindliches und antihistorisches Regime abzuschütteln", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow laut der Nachrichtenagentur TASS am 24. Juli bei einem Treffen der Arabischen Liga in Kairo. Russland "bedauert das ukrainische Volk", das "viel Besseres" verdiene. Knapp drei Monate zuvor hatte er etwas ganz anderes gesagt: Moskaus Ziel sei es, die Bevölkerung des Donbass zu schützen. Der Kreml strebe keinen Machtwechsel in Kiew an.

Die DW fasst zusammen, wie sich die Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, von Außenminister Sergej Lawrow sowie anderen russischen Vertretern zu Moskaus Zielen im Krieg gegen die Ukraine in den vergangenen fünf Monaten verändert haben.

Juli: Erweiterung der "geografischen Ziele"

Am 20. Juli sagte Lawrow der staatlichen russischen Agentur RIA Nowosti und dem russischen Sender RT, Moskau wolle weiterhin "die Ukraine entnazifizieren und entmilitarisieren", damit von ihr für Russland keine Gefahr und keine militärische Bedrohung ausgehe. Er fügte hinzu: "Es geht nicht nur um die Volksrepubliken Donezk und Luhansk, sondern auch um die Regionen Cherson und Saporischschja sowie eine Reihe anderer Gebiete."

Lawrow schloss eine Erweiterung der "geografischen Ziele" im Krieg gegen die Ukraine über die sogenannten "Volksrepubliken" hinaus nicht aus und sagte noch dazu, es mache keinen Sinn, mit der Ukraine "in der aktuellen Situation" zu verhandeln. In den ukrainischen Medien löste dies heftige Reaktionen aus. Vermutet wurde, Russland könnte "den Boden für die Annexion der Südukraine bereiten".

Mai: "Ziel ist kein Regimewechsel in Kiew"

Buchstäblich drei Monate vor seiner Erklärung in Kairo hatte Lawrow noch gesagt, Russland wolle die jetzige Führung in Kiew mit Präsident Wolodymyr Selenskyj an der Spitze gar nicht stürzen. "Wir verlangen nicht, dass er sich ergibt. Wir fordern, dass er den Befehl gibt, alle Zivilisten freizulassen und den Widerstand aufzugeben. Unser Ziel ist kein Regimewechsel in der Ukraine. Das ist eine Spezialität der Amerikaner, sie befassen sich damit in aller Welt", sagte Lawrow am 1. Mai dem italienischen Fernsehkanal Mediaset.

Das eigentliche Ziel Russlands sei, "die Sicherheit der Menschen im Osten der Ukraine zu gewährleisten, damit sie nicht von Militarisierung und Nazifizierung bedroht werden und dass die Sicherheit der Russischen Föderation vom Territorium der Ukraine aus nicht gefährdet wird", erläuterte Lawrow in dem Interview. Es war sein erstes Interview für europäische TV-Journalisten seit Beginn des Krieges in der Ukraine.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr SelenskyjBild: Ukrainian Presidential Press Service/REUTERS

Später, am 31. Mai, äußerte Lawrow bei einem Treffen mit dem Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), Hussein Ibrahim Taha, die Meinung, "westliche Kollegen" würden die Situation in der Ukraine ausnutzen, um die "Entstehung einer multipolaren Welt" zu verhindern.

März und April: Neutralität der Ukraine und Eindämmung der NATO

Die angebliche Bedrohung Russlands durch den Westen, vor allem durch die NATO, war gleich nach Beginn des Krieges Hauptthema in Reden russischer Politiker. Sie sagen immer wieder, die Ukraine müsse neutral sein. Nur so könne verhindert werden, dass sie der NATO beitritt. Dies betonte auch Wladimir Putin bei einem Treffen mit Vertretern russischer Fluggesellschaften am 5. März. Damals fügte er noch hinzu, im Falle eines Konflikts zwischen Russland und der NATO wären sich alle über die Folgen "im Klaren".

Der russische Verteidigungsminister Sergej SchoiguBild: Pavel Golovkin/dpa/AP/picture alliance

Kurz zuvor, am 1. März, weniger als eine Woche nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu im Fernsehen gesagt: "Das Wichtigste ist, die Russische Föderation vor der militärischen Bedrohung durch westliche Länder zu schützen, die versuchen, das ukrainische Volk im Kampf gegen unser Land auszunutzen."

Ende März, als die russische Offensive gegen die Hauptstadt Kiew gescheitert war, änderte sich die Rhetorik merklich. Die "Entnazifizierung und Entmilitarisierung" rückte in den Hintergrund. Vorrang bekam die Unterstützung des Donbass und eine Konfliktlösung durch Verhandlungen. So stellte am 25. März der Stellvertretende Chef des russischen Generalstabs, Generaloberst Sergej Rudskoj, bei einem Briefing fest, Ziel der "russischen Spezialoperation ist es, den Menschen in den Volksrepubliken Luhansk und Donezk zu helfen, die acht Jahre lang einem Völkermord durch das Kiewer Regime ausgesetzt waren".

Im April jedoch machten russische Vertreter wieder Russlands Konfrontation mit der NATO und den USA zum Thema. Am 11. April sagte Sergej Lawrow dem staatlichen Sender Rossija 24: "Unsere spezielle Militäroperation soll der rücksichtslosen Ausweitung des Kurses hin zu einer völligen Dominanz der USA und der ihnen unterstellten restlichen westlichen Länder in der internationalen Arena ein Ende setzen." Der Westen habe die Ukraine "zu einem Aufmarschgebiet für die endgültige Unterdrückung Russlands" gemacht, doch Russland werde "niemals eine untergeordnete Position einnehmen".

Russische Truppen in Melitopol - Kiew befürchtet eine Annexion von Teilen der SüdukraineBild: AP/picture alliance

Auch Dmitrij Medwedew, Chef des russischen Sicherheitsrates, will eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO verhindern. Der russischen Zeitung "Argumenty i Fakty" sagte er am 29. Juni, sie wäre für Russland gefährlicher als eine NATO-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland. Gleichzeitig betonte er, die Krim sei nun für immer Teil Russlands: "Jeder Versuch, in die Krim einzudringen, wäre eine Kriegserklärung an unser Land. Wenn dies ein NATO-Mitglied tun würde, dann wäre das ein Konflikt mit der gesamten Nordatlantischen Allianz, ein dritter Weltkrieg, eine totale Katastrophe." Dasselbe hatte Wladimir Putin noch im März bei dem Treffen mit den Vertretern der Fluggesellschaften gesagt.

24. Februar: "Schutz der Menschen im Donbass"

Bereits in Putins Fernsehansprache am 24. Februar, als er die russische Invasion ankündigte und sie als "spezielle Militäroperation" bezeichnete, nahm die angebliche Bedrohung Russlands durch eine weitere NATO-Osterweiterung viel Platz ein. In der Rede hatte Putin schon damals erklärt, Ziel sei, die "Menschen zu schützen, die seit acht Jahren einer Tyrannei und einem Völkermord durch das Kiewer Regime" ausgesetzt seien. "Deswegen setzen wir uns für die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine ein. Außerdem werden wir diejenigen vor Gericht stellen, die viele blutige Verbrechen gegen Zivilisten begangen haben, darunter Bürger der Russischen Föderation", so Putin. Damals hatte er noch versichert, eine Besetzung ukrainischer Gebiete plane Moskau nicht.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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