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Stadt unter Raketendonner

Frank Hofmann, Donezk16. Januar 2015

Die prorussischen Rebellen wollen einen Sieg im Kampf um den Flughafen von Donezk erzwingen. Vom Stadtrand dröhnt seit Tagen Artilleriefeuer bis in die Innenstadt. Angst macht sich breit. Von Frank Hofmann, Donezk.

Ein Panzer rollt durch Donezk - Foto: DW
Bild: DW

"Das war wieder eine", sagt Sergej (Name geändert), "eine GRAD-Rakete." Der Taxifahrer wartet im Zentrum von Donezk auf Kundschaft, während aus Richtung Norden, vom Flughafen, ein Grollen wie schwerer Donner zu hören ist. Wumm. GRAD ist ein Raketensystem sowjetischer Bauart mit besonders starker Durchschlagskraft. Und es wird neben den Granaten diese Woche regelmäßig eingesetzt. Die prorussischen Rebellen der selbsternannten "Donezker Volksrepublik" wollen die Soldaten der ukrainischen Armee vom Flughafen vertreiben. "Aus Sicht der Rebellen ist das nachvollziehbar", sagt ein Mitarbeiter einer internationalen Organisation, der gerade Donezk besucht, aber nicht genannt werden will. Denn solange die ukrainische Armee ihre Stellung am Flughafen hält, steht sie vor den Toren der Hauptstadt der Rebellen. Wer will schon auf dieser Grundlage eine unabhängige "Republik" führen?

"Kein Ort ist mehr sicher"

Doch der Preis für den schweren Waffengang ist hoch: Der Leninplatz vor dem Theater im Zentrum der Stadt wirkt wie ausgestorben, ein paar ältere Donezker gehen vorbei, den Blick auf den schneevereisten Gehweg gerichtet. Ende Januar soll Puccinis "La Bohème" gespielt werden. Ein großes Plakat zwischen den Theatersäulen wirbt dafür - da donnert es wieder. Wumm. Die nächste Rakete am Flughafen. "Jetzt ist kein Ort in Donezk mehr sicher", glaubt Taxifahrer Sergej. Was ist, wenn irgendwann eine der Granaten weiter fliegt bis hierher ins Stadtzentrum - bei 16 Kilometern Reichweite ist das kein Problem. Der Flughafen ist nur zehn Kilometer entfernt.

Straße in Donezk, nachdem in der Nähe ein Geschoss eingeschlagen ist: Surreale SituationBild: picture-alliance/dpa/Ermochenko

Neben dem Kino gegenüber rüttelt eine Dame an der Eingangstür zur Bank, doch sie ist verschlossen, der Bildschirm am Bankautomaten daneben ist blau. Hier ist kein Geld mehr zu holen. Seitdem Anfang Dezember die Kiewer Regierung jede Banktransaktion in die Rebellengebiete von Donezk und Luhansk untersagt hat, sind die Konten gesperrt, Kreditkarten sind nutzlos. Auch keine goldenen wie die auf dem Werbeplakat neben dem Automaten der russischen Alpha-Bank: "Die Karte, die sie lieben werden."

Die Rezeptionistin in der Lobby des ParkInn-Hotels von Donezk zählt Banknoten der ukrainischen Griwna bündelweise. "Wie möchten Sie bezahlen?", fragt sie ganz automatisch, so wie sie die Frühstückszeiten herunterbetet. Dabei kann ohnehin nur noch in bar bezahlt werden. Die Hotel-Angestellte hat sich an die surreale Situation eines laufenden internationalen Hotel-Betriebes im Kriegszustand noch nicht gewöhnt. Dabei sind die meisten Gäste ohnehin nur noch Vertreter von Organisationen: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Beobachter der OSZE. Wumm. Die Hotelscheiben vibrieren. Wieder eine GRAD-Rakete.

In dieser Nacht macht sich rund um das Hotel ein Geräusch wie das eines nahenden Hubschraubers breit. Granatenkrieg mit Hubschraubern über der Stadt? Das kann nicht sein. Das Geräusch kommt von Militärlastwagen mit großen Reifen auf der Hauptstraße Richtung Norden, Richtung Flughafen. Mehrmals in dieser Nacht. Wumm. Offenbar der Nachschub für die Raketenwerfer.

OSZE will vermitteln

Am nächsten Morgen startet die OSZE-Beobachtermission einen Versuch, die Lage zu entspannen. Alexander Hug, der Vizeleiter der Mission ist aus Kiew zu Besuch. Der Schweizer hat ein Treffen vermittelt, das es so in Donezk noch nicht gab: Im Verwaltungsgebäude der Rebellenregierung kommen Offiziere Russlands und der ukrainischen Armee mit dem Regierungschef der Rebellen, Denis Puschilin, zu Verhandlungen zusammen. Russen und Ukrainer bilden das gemeinsame Zentrum für Kontrolle und Koordination, das vergangenen Oktober unter Führung der OSZE gegründet wurde, um das Minsker Waffenstillstandsabkommens vom vergangenen September zu überwachen.

Sitz der Donezker Rebellenregierung: Die OSZE versucht, über die Einhaltung des Minsker Abkommens zu wachenBild: DW/F. Hofmann

Jetzt sitzen die russischen neben den ukrainischen Militärs, am Tischende der Donezker Rebellenführer, während sich nördlich der Stadt am Flughafen ihre Soldaten mit Granaten eindecken. Ein Waffenstillstand ist das nicht. Am Flughafen soll an diesem Nachmittag wenigstens für eineinhalb Stunden nicht geschossen werden, damit die OSZE-Beobachter die Kriegszone besuchen können. Alle drei Seiten vereinbaren es so. Wenig später muss Hug mit seinen Beobachtern kurz vor dem Flughafen wieder umkehren. Tags drauf versucht er es noch einmal - erfolglos. Die Rebellen wollen offenbar nicht, dass sich die Vertreter der internationalen Gemeinschaft selbst ein Bild von der Situation am Flughafen machen. Zumindest könnten sie ihm gegenüber jetzt nicht mehr behaupten, dass sie alle ihre Soldaten unter Kontrolle hätten, glaubt Hug. Am Krieg um den Flughafen von Donezk ändert das aber nichts. Das Donnergrollen hört nicht auf.

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