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Literatur

Donna Leon - die Krimi-Großmeisterin wird 80

Sabine Peschel | Petra Lambeck
27. September 2022

Sie gehört zu den erfolgreichsten Krimi-Autorinnen der Welt. Mit ihrer Romanfigur Commissario Brunetti hat sie Venedig zum Hotspot der Kriminalliteratur gemacht. Jetzt wird Donna Leon 80 - und plant weitere Verbrechen.

Porträt der Schriftstellerin Donna Leon im roten Jacket und mit weißer Bluse.
Bestseller-Autorin Donna Leon schreibt noch immer Bild: Christiane Oelrich/picture alliance/dpa

Donna Leon war fast 50, als sie ihren ersten Kriminalroman schrieb. Ort des Geschehens ist Venedig, wo ihre Romanfigur Commissario Brunetti seit nunmehr 30 Jahren einen Fall nach dem anderen löst. Die Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt und machten die gebürtige US-Amerikanerin zur Bestseller-Autorin. Nun feiert Donna Leon ihren 80. Geburtstag - und schreibt noch immer. Das nächste Buch ist bereits in Arbeit. 

Von der Weltenbummlerin zur Autorin

Jahrzehntelang deutete nichts im Leben der Amerikanerin auf eine Karriere als Schriftstellerin hin. Donna Leon wurde 1942 in Montclair, New Jersey, geboren, wuchs frei und optimistisch auf - und wurde schon früh zur Weltenbummlerin. Mit 23 Jahren verließ sie die USA, um ihre Studien in Italien fortzusetzen. 15 Jahre lang, von 1965 bis 1980, arbeitete sie als Reisebegleiterin in Rom, als Werbetexterin in London, unterrichtete englische Sprache und Literatur an amerikanischen Schulen in der Schweiz, im Iran, in China und neun Monate in Saudi-Arabien. "Als junge Frau wollte ich nur Spaß haben", erzählte sie vor ein paar Jahren auf einer Lesereise in Deutschland.

Venedig - langjähriger Wohnort von Donna Leon und Schauplatz ihrer Kriminalromane Bild: Laurent Emmanuel/AFP/Getty Images

Ein Spaß war es allerdings nicht, als ihre Dissertation über Jane Austen 1979 bei der Flucht vor der islamischen Revolution verloren ging. Fünf Jahre hatte sie an dem Entwurf gearbeitet. Dass der Verlust auch das Ende ihrer akademischen Karriere als Literaturwissenschaftlerin bedeutete, "war wahrscheinlich das Beste, was mir je in meinem Leben passiert ist", sagte sie im Nachhinein in Interviews. Venedig wurde Leons neues Zuhause.

Der feine Commissario Brunetti

In Venedig lebt auch ihr feinsinniger und bescheidener Romanheld Commissario Guido Brunetti, gemeinsam mit seiner Frau Paola - Spezialistin für amerikanische Literatur wie die Autorin - und seinen beiden Kindern. Ihre großzügige Wohnung mit der großen Dachterrasse am Zusammenfluss zweier Kanäle lässt sich genau lokalisieren. Es gibt inzwischen sogar einen Stadtplan, auf dem sie verzeichnet ist - und einen Reiseführer zu den Handlungsorten der Brunetti-Romane. "Brunetti ist eine wunderschöne Fiktion", sagte Donna Leon vor ein paar Jahren im Interview. "Er ist so, wie ich die Männer gerne hätte: zurückhaltend, verantwortungsvoll, diskret."

Mit dieser einnehmenden Figur ist Leon seit 1992 verbunden. Die Idee zu ihrem ersten Krimi kam der Musikliebhaberin nach einem Opernbesuch im Teatro "La Fenice" in Venedig, wo sie mit einem befreundeten Musiker hingegangen war, wie sie in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung schilderte: "Er war wütend auf den Dirigenten, sehr wütend, und sagte: 'Ich bring ihn um!' Und ich antwortete: 'Lass mich das machen - aber mit Worten.'" Heraus kam der erste Fall von Commissario Brunetti. "Venezianisches Finale" hieß der Debütroman, der 1993 auf Deutsch erschien und ein großer Erfolg wurde. Seither erscheinen Jahr für Jahr neue Fälle, zuletzt im Mai dieses Jahres die 31. Brunetti-Geschichte "Milde Gaben".

Bild: Diogenes

Die Verbrechen sind oft typisch für Venedig: Es geht um Korruption, Intrigen oder mafiösen Immobilien- und Kunsthandel. In "Acqua Alta" (1997) beispielsweise treibt das ständig steigende Hochwasser die Handlung voran, in "Blutige Steine" (2006) wird ein schwarzer Straßenhändler vor vielen Zeugen auf dem Markt erschossen.

Verbrechen am Puls der Zeit

Blut spritzt in Donna Leons Krimis nicht, ihre Autorin meidet Brutalitäten und Gemetzel. Brunetti versucht, Täter und Opfer zu verstehen, ihre Leidenschaften, ihre Macht- und Geldgier, ihre Angst und ihre Verzweiflung. Ein klares Feindbild hat Leon als Autorin in der katholischen Kirche gefunden, besonders in der von vielen Legenden umwobenen Laienvereinigung Opus Dei. Deren Vertreter stehen für die Autorin in einer Reihe mit skrupellosen Großkonzernen oder der Mafia.

"Venedig war der erste Ort der Welt, an dem ich leben wollte", bekannte sie einmal. Doch inzwischen ist sie weggezogen. Wenn sie nicht gerade auf Reisen ist, lebt und schreibt sie in einem kleinen 300-Seelen-Alpendorf in der Schweiz, in Graubünden, nur wenige Kilometer von der italienischen Grenze entfernt. Venedig war ihr zu touristisch geworden, vor allem im Sommer. 

Leidenschaft für Barockmusik

In Deutschland sind die Brunetti-Krimis besonders erfolgreich. Brunettis Fans folgen seinen Spuren in Venedig, kochen die Gerichte seiner adeligen Gattin nach und kennen wahrscheinlich auch jeden Film, in dem der Commissario ermittelt. Die ARD hat viele der Brunetti-Romane verfilmt. Donna Leon mag die Filme allerdings nach eigener Aussage nicht besonders, sie seien ihr zu deutsch und zu wenig italienisch, wie sie sagt. Aber das sei auch nicht so wichtig, sie habe die Rechte verkauft und sich rausgehalten. 

Donna Leon glücklich in der Mitte: "Il Pomo d'oro" gewann 2016 den ECHO KlassikBild: Ralf Succo/SuccoMedia/picture alliance

Neben der Literatur begeistert sich Donna Leon für Musik. Ihre Leidenschaft für Barockmusik - besonders für den Komponisten Georg Friedrich Händel - hat sie dazu bewegt, das venezianische Barock-Ensemble "Il Pomo d'Oro" mit zu begründen und bis heute zu fördern. 

Autobiografische Erzählungen

Pünktlich zum 80. Geburtstags der Schriftstellerin hat der Schweizer Diogenes-Verlag eine Sammlung von autobiografischen Erzählungen zusammengestellt: "Ein Leben in Geschichten". Leon lässt darin ihr Leben Revue passieren. Und für Brunetti-Fans ist im Vorwort zu lesen: "Das Allerbeste aber, zumindest für mich, ist das weitere Zusammensein mit Brunetti, seiner Familie und seinen Freunden, und dass ich ihm Gelegenheit geben kann, noch mehr von sich und seiner Vergangenheit, von seinen Gedanken und Gefühlen zu erzählen."

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