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Regisseurin Doris Dörrie über Ex-Hippies und All-inclusive-Hotels.

Hans Christoph von Bock20. März 2014

Sie ist eine der vielseitigsten Künstlerinnen Deutschlands. Doris Dörrie dreht Filme, schreibt Bücher und inszeniert Opern. Jetzt hat sie ihren eigenen Roman verfilmt.

Regisseurin Doris Dörrie
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist die Geschichte einer verarmten Hippie-Rentnerin, die sich in Spanien von einer Hüft-Operation erholen soll. Die neurotische Tochter finanziert ihr den All-inclusive-Urlaub in einem Hotelbunker. In ihrem Roman "Alles inklusive" beschrieb Doris Dörrie schon 2011, was aus den einstigen Hippies und ihren Idealen geworden ist. Auf tragisch-komische Weise ließ sie eine freigeistige Elterngeneration auf ihre spießigen Kinder prallen und zeigte, welche Wunden sich dahinter verbergen. Jetzt gibt es den Film zum Buch.

Alles inklusive - Doris Dörrie verfilmt ihren eigenen Roman

04:11

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DW: Wann war für Sie klar, dass Sie ihren eigenen Roman verfilmen wollen?

Doris Dörrie: Ich schwöre jedes Mal, wenn ich etwas schreibe, dass ich es nicht verfilmen werde. Viele Szenen würde ich auch mit der Verfilmung im Kopf so nicht aufs Papier bringen, weil man sofort mitdenkt: Nachher muss ich dann im Badezimmer oder auf der Autobahn drehen, was furchtbar ist. Es wäre zu kompliziert. Aber manchmal kommen einem die Figuren so nah, dass ich sie weitererzählen möchte. Ich mag es aber auch, mit Schauspielern zusammenzuarbeiten, die diese Figuren auf der Leinwand nochmal verändern.

Sie haben in Torremolinos, einer spanischen Hochburg des Massentourismus gedreht. Noch dazu in einem echten All-inclusive-Hotel, während der normale Gästebetrieb lief. Warum?

Ich kenne diese Hotels sehr gut, weil ich seit über zehn Jahren mit meinen Studenten einmal im Jahr in ein solches All-inclusive-Hotel fahre. Es ist nämlich das einzige, was wir uns leisten können. Alles andere wäre viel zu teuer. Und da habe ich über die Jahre sehr viel Anschauungsmaterial gewonnen. Ich wusste auch, dass ich das nicht künstlich herstellen kann, sondern dass ich wirklich vor Ort drehen muss mit den realen Leuten.

Hauptdarsteller Hannelore Elsner und Axel Prahl bei den Dreharbeiten in TorremolinosBild: Constantin Film

Und das funktionierte ohne Probleme?

Es gab natürlich den ganzen Tag ein irrsinniges Tohuwabohu. Aber auf der anderen Seite war es auch ganz einfach, weil sich keiner um uns gekümmert hat. Alle wollen Urlaub machen. Ob da jetzt irgendwelche Leute einen Film drehen, ist denen egal. Deswegen war das relativ lässig.

Auch für die Schauspieler?

Für sie war das recht sportlich. Sie mussten immer wieder in ihren Szenen bleiben, obwohl gerade jemand hinter ihnen in den Pool gesprungen ist oder mit seinem Bier in der Hand entlang gewankt kam. Dadurch gab es relativ viele Unterbrechungen. Aber man lernt dadurch auch sehr flexibel zu sein. Ich fand das immer ganz herausfordernd, darauf zu reagieren und nicht in Panik auszubrechen.

In "Alles inklusive" geht es auch um die Ideale der einstigen Hippies und was davon heute noch übrig ist. Wie viel Lebenserfahrung von Doris Dörrie steckt darin?

Schon ein Stück! Wobei ich selbst kein Hippie war, weil ich dafür zu jung bin. Aber ich habe sie damals sehr genau beobachtet. Ich ging mit 18 Jahren nach Amerika und kam so in Kontakt mit ihnen. Das war ja auch sehr verführerisch.

Alt-Hippie mit SpießertochterBild: Constantin Film

Warum?

Die Hippies hatten inhaltliche Forderungen, die wir heute noch genauso auf unsere Fahnen schreiben könnten, zum Beispiel Konsumverzicht oder das Infrage Stellen der Leistungsgesellschaft. Das sind ja alles Punkte, die heute genauso virulent sind wie damals.

Sie zeigen in ihrem Film aber auch die Schattenseiten dieses Lebenskonzepts. Die Hauptfigur steht noch im Alter mit fast nichts da – keine richtige Krankenversicherung, kaum Rente. Ihre Tochter muss sie finanziell unterstützen.

Ich habe vor ein paar Jahren in Spanien tatsächlich Ex-Hippies kennengelernt, die inzwischen als Putzfrauen bei reichen Leuten um die 35 arbeiten. Das fand ich sehr bedrückend. Und mich hat interessiert, wie so ein Lebensweg dann weitergeht und was aus ihnen wird.

Das unkonventionelle Leben der Hippie-Mutter stößt bei ihrer Tochter Apple auf absolutes Unverständnis. Sie selbst bekommt aber ihr Leben auch nicht in den Griff. Ist sie eine Art Opfer der antiautoritären Erziehung?

Die Tochter hat sehr gelitten unter diesen schwankenden, unsicheren Verhältnissen, in denen sie aufgewachsen ist. Und die Hippie-Mutter hat übersehen, dass ihr Kind etwas anderes gebraucht hätte als Sonne und Meer, nämlich spießige, solide Verhältnisse. Und das wirft sie mit fast vierzig Jahren ihrer Mutter immer noch vor.

Der Film zum BuchBild: Constantin Film

Alle Figuren im Film sind irgendwie traumatisiert, selbst die sogenannten "Normalos". Warum waren Ihnen diese Brüche so wichtig?

Die Frage ist doch: Was ist normal? Meine Erfahrung ist, dass sich das scheinbar Normale, wenn man es sich genauer anschaut, sehr oft als kompliziert entpuppt. Und genau diese Wunden interessieren mich.

Trotzdem gibt es in ihrem Film in gewisser Weise ein Happy End. Sind sie etwa eine Romantikerin?

Nein, bin ich nicht! Denn Romantik bedeutet eher ein inszeniertes Sentiment, was nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Ich bin eher versessen auf Genauigkeit und versuche den Dingen immer so nahe zu kommen, dass sie mir ihr Geheimnis offenbaren. Dabei lasse ich mich nicht abschrecken von Klischees.

Während sich die jüngere Generation deutscher Filmemacher sehr ernsthaft an existentiellen Themen abarbeitet, scheinen Sie eher mit einem Augenzwinkern ihre Projekte zu realisieren. Woher kommt das?

Für mich ist das Komische auch immer im Tragischen zu entdecken. Ich versuche eine Geschichte so ambivalent zu erzählen, dass sie komisch und zugleich traurig ist.

Doris Dörrie schaffte 1985 den Durchbruch mit der Beziehungskomödie "Männer". Mit ihrer unkonventionellen Erzählweise setzte sie sich als eine der ersten deutschen Regisseurinnen in der männerdominierten Filmbranche durch. Es folgten vielbeachtete Filme wie "Happy Birthday, Türke!" und "Kirschblüten – Hanami". Immer wieder drehte sie in ihrem Sehnsuchtsland Japan, experimentierte fürs Fernsehen und produzierte Dokumentarfilme. Die 59-Jährige gibt ihre Erfahrungen auch weiter an junge Filmstudenten. Sie ist Professorin an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen.