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Politik

DR Kongo: Angst vor Nachwahlen

Martina Schwikowski
16. März 2019

Im westkongolesischen Yumbi sollen verschobene Wahlen nachgeholt werden. Doch Tausende Menschen sind nach Massakern im Dezember auf der Flucht. Die Rolle der Regierung bleibt unklar. Nun fordern die UN Untersuchungen.

Demokratischen Republik Kongo Yumbi - Binnenvertriebener - Abyssine Miniunga
Bild: Getty Images/AFP/A. Huguet

In zwei Wochen soll in der westkongolesischen Stadt Yumbi gewählt werden. Doch die Bevölkerung ist in Sorge: Wie kann ihre Sicherheit gewährt werden? Die eigentlich für Dezember geplanten Wahlen waren nach Massakern verschoben worden. "Wir sind gezwungen, diese Wahlen abzuhalten", sagt Baudouin, ein Anwohner. "Aber wie werden wir abstimmen, wenn das Volk der Banunu Zuflucht auf den kleinen Inseln des Kongo-Flusses gesucht hat - und andere in der Republik Kongo? Wann werden sie zurück sein?"

Die Massaker, die Angehörige der Batende-Ethnie im Dezember an den Banunu verübten, stehen im Mittelpunkt eines jetzt veröffentlichten UN-Berichts: Die Angriffe im Vorfeld der Wahlen im Dezember 2018 seien "gezielt und geplant" gewesen und "durch die Abwesenheit des Staats erleichtert worden", erklärte die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Die Taten, die sich zwischen dem 16. und 18. Dezember ereigneten, könnten demnach als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden. Das UN-Büro warnt, die Lage sei nach wie vor angespannt.

Extreme Gewalt gegen Dorfbewohner

Mindestens 535 Menschen seien bei den Angriffen ums Leben gekommen und 111 weitere verletzt worden, heißt es in dem Bericht. Die Zahl ist deutlich kleiner, als zunächst von den UN angenommen. Es sei aber wahrscheinlich, dass weitere Körper im Fluss versenkt worden seien. Schätzungsweise 16.000 Menschen seien in die Flucht in die benachbarte Republik Kongo getrieben worden. Die Angriffe in Yumbi und weiteren Orten glichen einander und seien durch extreme Gewalt und Geschwindigkeit gekennzeichnet gewesen, so der UN-Bericht. Die Banunu seien auf der Flucht, in ihren Häusern oder auf offener Straße hingerichtet worden. Der Bericht ließ offen, ob es auch Tote unter den Batende gab.

Tausende Menschen wurden aus Yumbi vertrieben, ihre Häuser zerstörtBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Wenige Tage vor den Präsidentschafts-, Parlaments- und Regionalwahlen am 30. Dezember hatte die kongolesische Wahlkommission CENI angekündigt, die Wahlen in vier von insgesamt 81 Wahlkreisen auszusetzen. In Yumbi wurde die Gewalt als Grund genannt. In den ostkongolesischen Städten Beni und Butembo und im Umland von Beni seien die Wahlen wegen der grassierenden Ebola-Epidemie nicht durchführbar. Die Verschiebung betrifft etwas mehr als 1,2 Millionen von rund 40 Millionen registrierten Wählern.

Vorwürfe der Manipulation

"Der Staat macht keine Anstrengungen, um diese Menschen hierher zurück ins Dorf zu bringen", sagt Baudouin der DW. "Wir wissen, dass die Verantwortlichen der Massaker die alleinige Absicht haben, uns zu manipulieren und zu verfolgen." Wer diese Verantwortlichen sind - darüber herrscht bisher keine Klarheit. Das UN-Menschenrechtsbüro fordert, eine "mögliche Beteiligung staatlicher Stellen an der Planung der Angriffe" zu untersuchen. Denn die Regierung habe trotz Hinweisen auf eine drohende Gefahr nichts unternommen, um die Bevölkerung zu schützen.

An den Vorwürfen der Manipulation könnte laut Gesine Ames, Koordinatorin des Ökumenischen Netzes Zentralafrika, etwas dran sein: "Es gab auch in anderen Gebieten Schwierigkeiten und Gewalt, und die Menschen waren dort nicht von der Wahl ferngehalten worden", sagt sie im DW-Interview. Die betroffenen Wahlkreise seien Hochburgen für die Opposition. "Ich denke schon, da steht ein politisches Kalkül dahinter, die vier Wahlkreise wegfallen zu lassen."

Bewohner in Beni protestierten gegen den Ausschluss und führten am Wahltag symbolische Wahlen durchBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Verstoß gegen das Wahlrecht

Es passt in diese Theorie, dass es in allen vier Wahlkreisen am 31.März nur noch um die nationalen und regionalen Parlamente gehen wird: "Der Bevölkerung wird nicht das Recht zugestanden, die für sie ausgesetzten Präsidentschaftswahlen vom Dezember nachzuholen", sagt Ames. Begründung sei der deutliche Vorsprung des im Januar eingesetzten neuen Präsidenten in den offiziellen Ergebnissen. "Damit hat es sich die Wahlkommission einfach gemacht, weil somit die Präsidentschaftswahl legitimiert ist und der inzwischen international anerkannte Präsident Félix Tshisekedi fest im Sattel sitzt." Tshisekedi war am 24. Januar als Nachfolger des Langzeitherrschers Joseph Kabila vereidigt worden.

Der Verzicht auf eine Ausrichtung der Präsidentschaftswahlen in Yumbi, Beni und Butembo sei ein Verstoß gegen das kongolesische Wahlgesetz, so Ames weiter. Die CENI dränge auf Wahlen, damit das neue Parlament die Amtsgeschäfte aufnehmen und eine Regierung bilden könne, sagt Ames. Dieser Prozess sei erst abgeschlossen, wenn alle Bezirke gewählt hätten. Am Ergebnis werde das aber nichts ändern. Die Mehrheit der bisher ernannten Parlamentarier stamme aus dem Kabila-Lager.

Kein Zeitpunkt für Versöhnung

Nach Angaben der CENI sind alle Mittel vorhanden, um den Wahltermin beizubehalten. "Zur Vorbereitung dieser Wahlen haben wir den Innenminister getroffen, da er für die Sicherheit zuständig ist", sagt CENI-Sprecher Jean-Pierre Kalemba im DW-Interview. "In Beni und Butembo haben wir den Gesundheitsminister getroffen. Denn all das liegt in der Verantwortung der Regierung. Wir haben sie aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass jeder auf sein Gebiet zurückkehren und an den Wahlen teilnehmen kann."

Noch immer harren viele Vertriebene auf Inseln im Kongo-Fluss ausBild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Aber die Menschen in Yumbi sind traumatisiert und verängstigt - zu tief sitzen die Erinnerungen an das Massaker. Jean Bosco Lomomo, Vizepräsident des Netzwerks zivilgesellschaftlicher Gruppen in Yumbi, erklärt: "Dies ist nicht der Zeitpunkt, um über Versöhnung zu sprechen. Wir müssen zuerst in der Lage sein, die Ermittlungen abzuschließen, und - wenn möglich - die Verantwortlichen, die im Krieg gekämpft haben, zu verurteilen. Dann können wir über Versöhnung reden."

Mitarbeit: Wendy Bashi

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