Kongo: Gewappnet für den neuen Ebola-Ausbruch
3. Juni 2020Der seit fast zwei Jahre andauernde Ebola-Ausbruch im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist immer noch nicht ganz eingedämmt. Jetzt wurde 1200 Kilometer entfernt, im Nordwesten, ein weiterer Ausbruch bestätigt. Vier Tote meldete das Gesundheitsministerium am Montag. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, sprach von fünf Toten und vier weiteren Infizierten. Der Gesundheitsminister des Landes, Eteni Longondo, sprach im DW-Interview von 12 Verdachtsfällen (Stand Dienstag).
Betroffen ist die Hauptstadt der Provinz Équateur, Mbandaka. In der Nähe liegt als wichtiger Transportweg der schiffbare Teil des Flusses Kongo, über den sich der Ausbruch ausbreiten könnte. Mit Ebola umzugehen, ist für die Provinz nicht neu. Vor zwei Jahren grassierte das Virus schon einmal rund zweieinhalb Monate lang in der Gegend. 54 Menschen steckten sich damals an, von ihnen starben 33.
Schnelle Reaktion ist entscheidend
Die Erfahrungen von 2018 können sich nun auszahlen. "Es ist ein sehr positives Zeichen, wie schnell der [aktuelle] Ausbruch bemerkt wurde", sagt Natalie Roberts von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen". "Die Menschen, die in der Region arbeiten, verstehen die Anzeichen von Ebola viel besser, sie haben Zugang zu Tests und können schnell Ergebnisse bekommen."
Deswegen ist sie auch optimistisch, dass dieser Ausbruch im Nordwesten schnell eingedämmt werden kann. Die Patienten starben allesamt in der zweiten Maihälfte. Dass ein neuer Ausbruch der Krankheit vorliegt, wurde verhältnismäßig schnell erkannt - anders als bei den bislang größten Ebola-Epidemien, der in Westafrika von 2014 bis 2016 und der seit 2018 im Osten des Kongos andauernden. Roberts sagt dazu: "Wir hatten die Kontrolle über die Ausbreitung verloren, bevor ein Ausbruch überhaupt bemerkt worden war." Das Problem: Die Symptome von Ebola ähneln denen von Malaria.
Je schneller ein Herd bekannt wird, desto weniger haben sich die Infizierten mutmaßlich bewegt, desto kleiner ist idealerweise das Netz der Kontaktpersonen, die isoliert oder prophylaktisch behandelt werden müssen. In dieser Hinsicht funktioniert die Eindämmung ähnlich wie der Kampf gegen das Coronavirus, für den Kontaktketten in nahezu allen Ländern der Welt mehr oder weniger erfolgreich nachvollzogen werden. Der Kongo zählt laut Johns-Hopkins-Universität bislang knapp 3500 Corona-Fälle und 75 -Tote, besonders viele in der Hauptstadt Kinshasa.
Erstmals gibt es einen Impfstoff
Im Kampf gegen Ebola kommt hinzu, dass die Entwicklung im Medizinbereich deutlich weiter ist als bei den vorherigen Ausbrüchen. Ende 2019 hatten sowohl die USA als auch die Europäische Union den Impfstoff Ervebo zugelassen, an einem zweiten wird geforscht. Ervebo darf nach Angaben des Herstellers Merck inzwischen auch in der Demokratischen Republik Kongo, Ghana, Sambia und Burundi eingesetzt werden. Laut kongolesischem Gesundheitsminister sollen Impfstoffe und Medikamente nach Équateur gebracht werden.
Vor seiner Zulassung wurde der Stoff bereits notfallmäßig bei Ausbrüchen eingesetzt. Vor zwei Jahren wurden in Équateur ein paar Tausend Menschen geimpft: Kontaktpersonen von Infizierten und Gesundheitspersonal.
Professorin Marylyn Addo, Leiterin der Infektiologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat eine der Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffes geleitet. "Die, die 2018 geimpft wurden, könnten noch einen Schutz haben", sagt die Medizinerin. Noch gebe es allerdings wenige Daten, wie lange die Immunisierung wirklich anhält.
Bisher wurde der Impfstoff in einer sogenannten Riegelimpfung verabreicht: "Man impft alle Kontaktpersonen und die Nachbarn. Man versucht, um einen Ausbruch herum einen Impfriegel zu schließen," erklärt Addo.
Herausforderungen in der Praxis
So wurde es im Osten des Kongos versucht, wo der Ausbruch im April fast als eingedämmt galt, bevor einzelne neue Fälle bekannt wurden. Seit dem Ausbruch Anfang August 2018 gab es 3463 Ebola-Infizierte, knapp zwei Drittel davon starben.
Mehr als 300.000 Menschen haben im Ostkongo den Impfstoff erhalten. Dabei gab es einige Herausforderungen, zum Beispiel muss der Impfstoff bei minus 80 Grad Celsius gelagert werden. "Das ist in einem Land wie der Demokratischen Republik Kongo nicht einfach, wo es nicht immer zuverlässig Elektrizität oder Straßen gibt", sagt Natalie Roberts, die 2019 ein halbes Jahr lang im Impfprogramm von "Ärzte ohne Grenzen" in Nord-Kivu gearbeitet hat.
Da es zu dem Zeitpunkt noch ein experimenteller Impfstoff war, war die Menge an Impfdosen begrenzt. Ein weiteres Problem war, dass manche Menschen Ebola bekamen, obwohl sie geimpft wurden. Das heißt, sie waren zum Zeitpunkt der Impfung bereits infiziert, aber noch innerhalb der Inkubationszeit. "Das hatten viele Leute nicht richtig verstanden", erklärt Roberts.
Der Faktor Mensch
Teile der Bevölkerung im Ostkongo misstrauten den eingeflogenen Helfern, wiederholt stürmten bewaffnete Milizen einzelne Ebola-Zentren, Infizierte flüchteten.
Roberts sieht durchaus auch Fehler bei Hilfsorganisationen. "Wir bauen ein System auf, das nur für Ebola-Kranke ist." Stattdessen müsse auch "Ärzte ohne Grenzen" besser verstehen, wohin sich Kranke normalerweise wenden. "Sie neigen dazu, zu ihrem Gesundheitsdienst des Vertrauens zu gehen. Das kann die örtliche Apotheke sein, der traditionelle Heiler oder eine lokale Privatklinik. Sie gehen nicht unbedingt zu einer Nichtregierungsorganisation, die von außen kommt." Hilfsorganisationen müssten sich an das Verhalten der Leute anpassen, nicht umgekehrt.
Ebola wird immer wieder kommen
Doch egal, wie entschlossen gegen Ebola gekämpft wird: Die Krankheit wird immer wieder auftreten, erklärt Addo, weil das Virus auch in Tieren vorkommt. "Von dort kann die Erkrankung immer wieder auf die Spezies Mensch überspringen." Als Gegenbeispiele nennt Addo die Masern: "Bei Masern gibt es nur den Menschen als Reservoir. Das heißt, wenn wir beim Menschen die Masern ausrotten, wie wir die Pocken ausgerottet haben, kommen sie auch nicht wieder."
Addo hält das Land prinzipiell für gewappnet gegen weitere Ausbrüche: "Bis zum zehnten Ausbruch [im Osten des Kongos] waren die alle verhältnismäßig klein. Die Demokratische Republik Kongo hat es immer selbst geschafft - auch ohne Impfstoff damals - diese Ausbrüche in den Griff zu bekommen."
Roberts von "Ärzte ohne Grenzen" erwartet, dass künftig häufiger Ausbrüche erkannt werden - was sie positiv bewertet: "Ich denke, die Ausbrüche hat es immer schon gegeben, nur haben es die Menschen bei zwei, drei Fällen nicht einmal bemerkt." Inzwischen seien viele Menschen womöglich stärker für Ebola sensibilisiert und daher werde eine Epidemie eher entdeckt.
Nicht vergessen werden dürfen aber andere Krankheiten: Im Jahr 2019 starben in der Demokratischen Republik Kongo mehr als 6000 Menschen an Masern - mehr als an Ebola.
Mitarbeit: Eric Topona