Eskalation in DR Kongo: Die Spur der Rohstoffe
Veröffentlicht 8. November 2024Zuletzt aktualisiert 26. Januar 2025
Innerhalb von drei Jahren ist es der von Ruanda unterstützten Bewegung des 23. März (M23) gelungen, weite Teile Nordkivus im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu besetzen. In den vergangenen Tagen eroberten die Milizen den strategisch wichtigen Ort Minova und brachten dann die Kleinstadt Sake kurzzeitig unter ihre Kontrolle, bevor sie von kongolesischen Soldaten teils zurückgedrängt wurden.
Von Stellungen auf den umliegenden Hügeln schießen die Rebellen mit schwerer Artillerie. UN-Angaben zufolge patrouillieren Blauhelmsoldaten mit der kongolesischen Armee und unterstützen die Sicherung der Zivilbevölkerung, die immer wieder ins Kreuzfeuer gerät.
Ein Versuch der M23-Rebellen, die Millionenstadt Goma am Kivu-See zu erobern, ist am Wochenende vorerst gescheitert. Dabei sind 13 Soldaten internationaler Friedenstruppen getötet worden. Die Regierungen Südafrikas, Malawis und Uruguays gaben am Samstag den Tod ihrer Soldaten bekannt. Anlass für eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats an diesem Sonntag in New York.
Der Konflikt hat nach Angaben der Vereinten Nationen seit Jahresbeginn zur Vertreibung von mehr als 400.000 Menschen in der Region geführt. Den Vertriebenen fehlt Essen, Wasser und medizinische Versorgung. Viele Menschen fliehen aus Angst vor einer Eroberung Gomas über die Grenze ins benachbarte Ruanda.
Ziel: Kontrolle über Bodenschätze
Die Offensiven der M23 folgen augenscheinlich einer klaren Logik: Sie wollen die Kontrolle über die Bodenschätze der Regionerlangen. Dabei handelt es sich vor allem um Gold, Kassiterit, Coltan, Kobalt und Diamanten.
Nachdem die Rebellen zunächst Teile der Gebiete Rutshuru und Masisi erobert hatten, bewegen sie sich aktuell auf das Gebiet Walikale zu. Es ist für seine große Coltanproduktion bekannt. Dabei handelt es sich um ein vor allem für die Energiewende strategisch wichtiges Erz.
Anfang August war es unter der Vermittlung Angolas zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens zwischen Ruanda und der DR Kongo gekommen. Doch am 20. Oktober nahmen die Rebellen ihre Offensive im Nordwesten des Landes wieder auf.
Im Dezember 2024 waren Friedensverhandlungen zwischen der DR Kongo und Ruanda unter Vermittlung Angolas gescheitert. Ein Treffen zwischen dem kongolesischen Präsidenten Felix Tshisekedi und Ruandas Präsident Paul Kagame wurde in letzter Minute abgesagt.
Eine Zeitlang besetzten sie die Stadt Kalembe, wurden dann aber durch eine Gegenoffensive der Wazalendo-Milizen sowie der "Nduma Defense of Congo Rénové" (NDC-R) vertrieben. Gegen Guidon Shimiray Mwissa, den Anführer der NDC-R, hatte der Kongo Vorwürfe von Kriegsverbrechen erhoben und Haftbefehl erlassen, die UN verhängte Sanktionen. Jetzt kämpft er an der Seite der kongolesischen Armee.
UN: M23 kassiert Abgaben auf Coltanproduktion
Die Stadt Kalembe liegt an einer wichtigen Verkehrsachse, die unter anderem den Zugang zu wichtigen Bergbauvorkommen ermöglicht. "Das Gebiet von Walikale ist sehr reich an Bodenschätzen", bestätigt Augustin Muhesi, der im Nordkivu Politikwissenschaft unterrichtet. "Wenn die M23 diesen Raum unbedingt besetzen will, dann nur, um sich eine Möglichkeit zum Abbau von Bodenschätzen zu verschaffen, damit sie ihre kriegerischen Unternehmungen finanzieren kann."
Nach Angaben der Vereinten Nationen soll die M23 durch Abgaben auf die Coltanproduktion in den Gebieten Masisi und Rutshuru bereits jetzt monatlich rund 300.000 US-Dollar an Einnahmen generieren. Im April 2024 hatte die M23 die Stadt Sake umzingelt, einen Verkehrsknotenpunkt und letzte Bastion vor der Provinzhauptstadt Goma. Zudem hatten die Rebellen auch die Bergbaustadt Rubaya eingenommen, in der sich große Coltanvorkommen befinden.
Vorwurf: M23 exportiert Coltan nach Ruanda
Die kongolesische Regierung beschuldigt die M23, die Produktion aus den Rubaya-Minen nach Ruanda zu exportieren. Nach Angaben einer lokalen zivilgesellschaftlichen Organisation hat die M23 bereits Material verteilt, um die Wiederaufnahme des Abbaus an diesen Standorten zu fördern.
Laut dem jüngsten UN-Bericht über die Demokratische Republik Kongo befinden sich aktuell etwa 3000 bis 4000 Soldaten der ruandischen Armee (RFD) auf kongolesischem Boden, um die M23-Rebellen zu unterstützen, die etwa 3000 Kämpfer stellen. Die RFD beschränke sich nicht mehr darauf, die Operationen der M23 in den Gebieten Rutshuru, Masisi und Nyiragongo nur zu unterstützen, "sondern mischt sich nun direkt und entscheidend ein", schreiben die UN-Experten. Das habe es beiden Gruppen - also M23 und RDF - ermöglicht, "ihr Territorium schnell bis zu den Ufern des Eduardsees auszudehnen", heißt es im Bericht der Vereinten Nationen.
Laut dem Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED), einer Nichtregierungsorganisation, die Konflikte weltweit erfasst, war die Rebellenbewegung M23 seit der Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten im November 2021 in fast 1700 gewalttätige Zwischenfälle verwickelt, die demnach 1746 Menschen das Leben kosteten.
Adaption aus dem Französischen: Nikolas Fischer
Dieser Artikel wurde am 26.01.2025 um 17.30 Uhr umfassend aktualisiert.