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Politik

Manipulierte Wahlen: Kabilas Weg zum Machterhalt

Jonas Gerding
18. Januar 2019

In der Demokratischen Republik Kongo mehren sich Hinweise auf Wahlmanipulationen, die die Macht von Präsident Kabila weiterhin sichern könnten. Aus Kinshasa berichtet Jonas Gerding.

DR Kongo Wahl & Thema Wahlfälschungsvorwürfe | Masumu Muanda Camille, Kandidat Provinzparlament
Masumu Muanda Camille und seine Mitstreiter prüfen Berichte von WahlbeobachternBild: DW/J. Gerding

Masumu Muanda Camille war von Anfang an misstrauisch. Der Kandidat für das kongolesische Provinzparlament schickte seine eigenen Wahlbeobachter in die Wahllokale der Hauptstadt Kinshasa. Aber mit dem Manöver, das die Wahlbehörde seinen Informationen zufolge durchgezogen haben soll, hätte auch er nicht gerechnet.

"Nein, sagten sie, es müsse nicht länger ausgezählt werden, man würde morgen weitermachen", gibt Muanda die Worte der Wahlleiter an seine Wahlbeobachter wieder. "Entgegen all unserer Erwartungen veröffentlichten sie dann jedoch die Resultate in der Nacht. Wir wissen nicht auf welcher Grundlage, weil die Auszählung per Hand noch nicht fertig war".

Muanda, der 58-jährige Kandidat der Oppositionspartei MLC in der Kommune Mont Ngafula in Kinshasa, ging leer aus. Tsasa Mbungu Nelly hingegen, die für die Regierungspartei PPRD antrat, feiert nun ihren Einzug ins Provinzparlament. "Ich verstehe das nicht", sagt Muanda. Er sitzt an einem Plastiktisch am Rande des großen Saals seiner Gemeinde. Vor ihm stapeln sich die sogenannten PVs - die "proces verbal": Kleine Zettel in der Größe eines Kassenbons, mit dem die Wahlbeobachter noch vor Ort die Wahlergebnisse dokumentieren können. Er zieht willkürlich ein paar der Scheine heraus. Sein Name steht meist an erster oder zweiter Stelle, der Name seiner Konkurrentin meist weit unten. "Sie hat nicht einmal ein Drittel der Stimmen, die ich bekommen habe", sagt er.

Das Viertel Mont Ngafula in Kinshasa: Die Versorgung mit Strom und Wasser sei miserabel, sagt MuandaBild: DW/J. Gerding

Kabilas geschicktes Manöver?

Man könnte Muanda für einen schlechten Verlierer halten, würden nicht ähnliche Beschwerden in diesen Tagen aus dem ganzen Land vor die Gerichte Kinshasas gebracht. Die Anwälte der Oppositionsparteien wittern ein geschicktes Manöver des scheidenden Präsidenten Joseph Kabila: Durch manipulierte Mehrheiten in den Parlamenten auf Bundes- und Provinzebene könnte er weiterhin im innersten Zirkel der Macht bleiben - trotz der Niederlage seines Favoriten Emmanuel Shadary im Rennen um das Amt des Präsidenten. 

Konkret könnte Kabila es auf den Posten des Senatspräsidenten abgesehen haben - nach dem Präsidenten das zweitwichtigste politische Amt in der DR Kongo. Dabei spielen die Provinzabgeordneten eine wichtige Rolle. Denn sie wählen laut der kongolesischen Verfassung die 108 Mitglieder des Senats, die wiederum den Senatspräsidenten bestimmen. Kabila, so die Befürchtung von Oppositionellen, könnte es dem Wahlsieger Félix Tshisekedi dadurch unmöglich machen, nach seinen Vorstellungen zu regieren.

Es ist ein steiniger Weg, den Masumu Muanda nun beschreiten will. "Ich möchte, dass es eine Neuauszählung der Stimmen gibt", sagt er. "Dann würde ich einen Sitz bekommen, das kann ich Ihnen versichern". "Das ist ein Fall von vielen", sagt Michel Lingepo Molonga über das Dossier, in dem Muanda seine Beweise zusammengestellt hat. "Seine Stimmen wurden genommen und einem anderen Kandidaten zugeschrieben." 

Anwälte der MLC-Partei: Betrugsfall in Mont Ngafula nur einer von vielenBild: DW/J. Gerding

Manipulationsvorwürfe auf allen Ebenen

Das klimatisierte Restaurant einer katholischen Herberge im Zentrum der Hauptstadt ist fast leer. Bis auf den 43-jährigen Lingepo und seine drei Anwaltskollegen der Oppositionspartei MLC, die sich über Antragsunterlagen beugen. Auch Lingepo erhebt schwere Vorwürfe gegen die seiner Überzeugung nach von Kabila gesteuerte Wahlbehörde: "Als sie erkannten, dass Kabilas Lager mit der Auszählung per Hand nicht gewinnen würde, nutzten sie die elektronisch übermittelten Wahlergebnisse, veränderten sie und erklärten ihre Leute zu den Gewinnern". Dabei dürften die erstmals eingesetzten Wahlcomputer nur zum Ausdrucken der Wahlzettel und nicht zur digitalen Übertragung verwendet werden, sagt er.

Auch die unabhängigen Wahlbeobachter der Zivilgesellschaft (SYMOCEL) bestätigen die Vehemenz, mit der die Wahlbehörde CENI die Ergebnisse vor Ort zu vertuschen versuche. In keinem der von ihnen besuchten 104 Wahllokalen seien die Ergebnisse vorschriftsmäßig für alle einsehbar an die Wand geheftet worden, so die Beobachter. Am 9. Januar, dem Nachmittag vor der nächtlichen Veröffentlichung der provisorischen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl, sei die Auszählung der verbleibenden Wahlzettel dann sogar ganz gestoppt worden. "Die Folge ist, dass die Ergebnisse der Parlamentswahlen auf Bundes- und Provinzebene nicht ausgezählt wurden", sagt Bischof Abraham Djamba Samba Wa Shako, der nationale Koordinator von SYMOCEL auf einer Pressekonferenz.

Pressekonferenz der Wahlbeobachter von SYMOCEL: Lange Liste mit UnregelmäßigkeitenBild: DW/J. Gerding

Die Wahlbehörde CENI will derzeit grundsätzlich keine Stellung zu den vielen Beschwerden beziehen - und verweist auf die Gerichtsprozesse, in denen in den kommenden zwei Monaten alle Beteiligten zu Wort kommen würden. 

Afrikanische Union wird ungewohnt deutlich

Derweil lenken neue Enthüllungen die internationale Aufmerksamkeit auf den angeblichen Wahlsieg Félix Tshisekedis bei den Präsidentschaftswahlen. Laut einer Auswertung geleakter Wahldaten durch mehrere internationale Medienhäuser soll in Wahrheit Martin Fayulu mit etwa 60 Prozent die Wahl gewonnen haben. Fayulu hatte bereits vergangenes Wochenende beim kongolesischen Verfassungsgericht Klage gegen das vorläufige Wahlergebnis eingereicht, ein Urteil wird am Freitag erwartet.

Auch die Afrikanische Union hat in einer ungewohnt deutlichen Stellungnahme "ernsthafte Zweifel" an den Ergebnissen der Wahlen im Kongo geäußert. Der Staatenbund rief die Verantwortlichen im Kongo dazu auf, die Bekanntgabe der offiziellen Endergebnisse zu verzögern. Kommende Woche will eine AU-Delegation unter Führung des ruandischen Präsidenten Paul Kagame nach Kinshasa reisen, um im Streit um den Wahlausgang zu vermitteln. Die kongolesische Regierung hat eine Einmischung der Union allerdings bereits zurückgewiesen.

Egal wie es nun weitergeht: Muanda ist entschlossen, mit seinem Dossier vor ein Gericht zu ziehen, dessen Unabhängigkeit in Zweifel steht. Er gibt sich kämpferisch, will weiterhin Dokumente zusammentragen, sich mit der Parteispitze absprechen, die für eine Neuauszählung plädiert. Bis dieser Satz fällt: "Ich glaube, man kann diese Wahlen auch gleich annullieren. Es fehlt ihnen an Glaubwürdigkeit, von oben bis unten".

Mitarbeit: Jan Philipp Wilhelm

 

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