1956 rieb sich das verstaubte Nachkriegsdeutschland die Augen: Mit der "Bravo" kam das erste Lifestyle-Magazin für junge Menschen. Bis heute spielt sich dort alles ab, was "wirklich" wichtig ist. Nur keine Politik.
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60 Jahre BRAVO - 60 Jahre Zeitgeist
Von Schauspielern, Popstars und Boygroups bis zu Youtube-Stars: Von Anfang an wollte die BRAVO nur unterhalten - was sie seit 60 Jahren, auf verschiedenen Kanälen, erfolgreich macht. Eine Zeitreise in Titelbildern.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1956: Premiere mit Marilyn
Die erste Ausgabe der BRAVO erscheint am 26. August 1956 als "Film- und Fernsehzeitschrift". Den Titel schmücken Marilyn Monroe, Richard Widmark und Karlheinz Böhm. Im Magazin gibt es Interviews mit Film- und TV-Stars. Das Fernsehprogramm ist sehr übersichtlich - in Deutschland gibt es nur einen Sender. Ein Fortsetzungsroman mit rasantem Titel ("Gepeinigt bis aufs Blut") rundet das Angebot ab.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1957: Musik und Ottos
Mit Elvis Presley kommt auch Musik in die BRAVO. Ab Nr. 15 heißt sie "Die Zeitschrift mit dem jungen Herzen". 1957 ist das erste Jahr, in dem die BRAVO den "Goldenen Otto" verleiht. Die Leser dürfen wählen, welcher Star ihnen am besten gefällt: aus Film, Fernsehen, Sport und natürlich Musik. In diesem Jahr gewinnen Maria Schell und James Dean. Der erfolgreichste "Otto"-Gewinner ist jedoch ein ...
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1964: Apatschen-Häuptling in voller Größe
... Indianer. Pierre Brice wird als "Winnetou" von der BRAVO zum Superstar aufgebaut und gewinnt einen Otto nach dem anderen - insgesamt werden es zwölf. In dieser März-Ausgabe erscheint er zum ersten Mal als "Starschnitt", ein lebensgroßes Puzzle, das man sich mit jeder gekauften Ausgabe zusammenstellen kann. Er ist der einzige, dem die BRAVO drei Starschnitte widmet.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1966: Beatlemania
Seit zwei Jahren hat die BRAVO einen neuen Untertitel: Musikzeitschrift. Nachdem die Beatles 1964 zum ersten Mal auf dem Cover zu sehen waren, sind sie in diesem Juni die absolute Sensation: Die BRAVO holt die Fab Four zur Blitztournee für drei Konzerte nach Deutschland. Die nachkriegsverstaubte Bundesrepublik wird von der Beatlemania überrollt.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1975: Sex, Pop und Glitzerwelt
Inzwischen hat sich die BRAVO zum wichtigsten Lesestoff für Teenager entwickelt. Hier gibt's alles, was man braucht: Die neuesten Infos zu den Lieblingsstars, Poster, eine Foto-Love-Story (inhaltlich nicht anders als die Soaps von heute), Anleitungen zu erfolgreichem Sex - und die wichtigsten Fragen werden von Dr. Jochen Sommer beantwortet: "Werde ich schwanger, wenn ich meinen Freund küsse?"
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1978: Boygroups und Disco
Die "Bay City Rollers" ("BCR") machen Millionen Mädchen willenlos, während die größten Konkurrenten, die Glamrock-Band "Sweet", das härtere Lager bedienen wollen. Die BRAVO schürt den Fan-Krieg mit großem Engagement. Gleichzeitig baut sie einen neuen Superstar auf: Disco-Tänzer und Schauspieler John Travolta. Die Band "Queen" braucht den BRAVO-Support längst nicht mehr - die sind schon Superstars.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1983: Nena, E.T. und Rambo
Mit Nena hat die BRAVO in den 80ern genau das Girlie, das sie für ihre Zielgruppe minutiös aufbereiten kann. Bis hin zu Schmink- und Styling-Tipps für Nena-Fans. Die Jungs kommen auch nicht zu kurz - Sylvester Stallone wird als "Rambo" zu einem der größten Actionhelden aller Zeiten. Steven Spielbergs Außerirdischer "E.T." ist längst Kult und bekommt einen Starschnitt.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1988: Männerüberschuss
Die BRAVO bedient Mädchenträume mehr denn je. Die großen männlichen Stars der 80er sind allgegenwärtig und tauchen 1988 fast inflationär auf den Titelseiten auf. Patrick Swayze: siebenmal. Michael Jackson: fünfmal. Sylvester Stallone und der pelzige TV-Alien "Alf" bekommen jeweils drei Titelblätter. 1988 gibt es nur fünf Covergirls. Darunter Dirty-Dancing-Star Jennifer Grey und Kylie Minogue.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
1993: Boygroups und Metalbands
Die 90er bedeuten für die BRAVO vor allem eins: noch mehr hübsche Männer. Und das in ganzen Gruppen. Von Take That (Bild) bis Backstreet Boys. Michael Jackson ist der größte Solostar der 90er. Da die Jugend auch Rock hört, schreibt die BRAVO über Metalbands wie Iron Maiden und Guns N' Roses. Mit Nirvana gibt's gleich die Doppelpackung: eine Rockband und mit Kurt Cobain einen weiteren Mädchentraum.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
2008: Bunt wie eh und je
Der Style des Titelblatts hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Auch der Inhalt nicht. Musik, Popstars, Schauspieler. Poster, Sticker und Dr. Sommer. Schon längst gibt es ein Girlie-Magazin namens "BRAVO Girl", eins für Sportfans ("BRAVO Sport"). Die Hit-Compilation "Bravo Hits" steht seit den 90ern auf den oberen Charts-Rängen und die Webseite www.bravo.de ist seit 2001 online.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
2016: Schönes bleibt
Inzwischen haben sich zu den Popstars auch die Youtuber gesellt. Die Lochis schmücken die Ausgabe Nr. 18 vom 17. August 2016. Keine Frage, dass die BRAVO auch eigene "TubeStars" aufgebaut hat. Sie nennt sich jetzt "Social Magazine". Die Druckauflagen sind nicht das Wichtigste, es sind die Followerzahlen auf Facebook, Youtube und Snapchat. Das 60 Jahre alte Blatt aus Opas Zeiten ist jung geblieben.
Bild: Bauer Media Group/BRAVO
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Im Rentenalter ist die "Bravo" schon. Aber die 60 Jahre sieht man ihr nicht an. Sie hält sich wacker in den Regalen der Zeitschriftenläden, hat sich äußerlich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Innen drin auch nicht: Popstars, Schauspieler, Bands. Homestories, Klatsch und Tratsch, Interviews. Was von Anfang an eine große Rolle spielte: Der Ratgeber in Liebesfragen. Schon 1962 startete in der "Bravo" ein gewisser Dr. Christoph Vollmer seine "Reise in das Wunderland der Liebe".
1969 löste ihn "ein Mann von heute" - Dr. Jochen Sommer - ab. Hinter dem Pseudonym verbarg sich ein echter Psychotherapeut namens Martin Goldsteider, der später ein ganzes Team leitete, das bis heute Jugendlichen mit Ratschlägen zur Seite steht. Bei Fragen wie: "Warum bin ich immer in die falschen Jungs verliebt?" oder "Kann man ein Kondom zweimal benutzen?" oder "Wenn ich zum Frauenarzt gehe und er meine Geschlechtsteile sieht, wird er dann nicht sexuell erregt?"
Aufklärung durch die "Bravo"
Früher war die "Bravo" für die meisten Jugendlichen die einzige Quelle, die ihnen Informationen über das Tabuthema Sex gab. Für Eltern und Jugendliche äußerst praktisch - schließlich konnten auf diese Weise peinliche Gespräche oder verschämte Geschichten über Bienchen und Blümchen vermieden werden. Ganze Generationen wurden von der "Bravo" aufgeklärt.
Wie prüde Deutschland und seine Behörden in Zeiten der sexuellen Revolution noch waren, zeigt 1972 Dr. Sommers Erscheinen auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Schriften: Nachdem er Ratsuchenden geantwortet hatte, dass Selbstbefriedigung weder krebserregend noch verbrecherisch sei, erklärte man ihm von Amts wegen: "Die Geschlechtsreife allein berechtigt noch nicht zur Inbetriebnahme der Geschlechtsorgane."
Heute wissen Kinder und Jugendliche viel mehr, denn auch Pornoseiten im Netz sind für sie leicht zugänglich. Dennoch sind auch die coolsten Teenager oft noch verunsichert und suchen - manchmal auch anonym - Rat.
Goldstein ist 2012 im Alter von 85 Jahren gestorben, aber das Dr. Sommer-Team arbeitet weiter, in der Zeitschrift "Dr. Sommer", die Tipps für Jugendliche und Eltern gibt, und auf einem eigenen Youtube-Kanal. Bis heute landen laut Redaktion noch bis zu 300 Anfragen pro Woche im Postfach.
Ein Twitter-Kanal zum 60-jährigen
Jede Generation hatte ihre eigenen Stars. In den 50ern war es Schauspieler James Dean (der es damals 21 Mal auf die Titelseiten geschafft hat). In den 60ern die Beatles (mit 41 Covereinsätzen). Die 70er hatten die Bay City Rollers, Suzi Quatro und Sweet, in den 80ern war es Nena. Für die meisten Titelblätter sorgten in den 90ern die Boybands - die Backstreet Boys sind Rekordhalter mit 46 Covern. Diese und andere Zahlen finden sich auf dem eigens eingerichteten Twitter-Kanal @60JahreBRAVO
Heute sind Youtuber wie Dagi Bee oder die Lochis unter den bliebtesten Stars. Sie machen einen entscheidenden Unterschied zu Popstars und Schauspielern aus: Sie sind nah bei den Nutzern. Sie machen Quatsch, geben Tipps, sind selbst nicht perfekt. Bei Mädchen kommen Kanäle mit den besten Styling- und Schmink-Tipps an, Jungs mögen die Gamer. Klar für die Macher der "Bravo", dass auch diese Stars regelmäßig gefeatured werden.
Weitestgehend skandalfrei - und komplett politikfrei
Auch wenn die "Bravo" viel Klatsch und Sex lieferte - sie blieb bis auf die kleine Dr. Sommer-Geschichte im Jahr 1972 weitestgehend skandalfrei. Zu Anfang war sie vielen zu offenherzig - heute jedoch geht es fast in die andere Richtung: Oft wird die "Bravo" als konservativ kritisiert, die ein völlig rückständiges Frauenbild transportiert. Große Empörung letzes Jahr: In einem Online-Artikel mit dem Titel "So fällst du Jungs auf: 100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung" waren Tipps zu lesen, die ein Mädchen eher zum devoten Häschen degradierten. Die Redaktion entschuldigte sich und löschte den Beitrag.
Politische Ereignisse abzubilden war nie die Absicht der "Bravo". Das Magazin wollte unterhalten und jungen Menschen die Infos über das liefern, was sie am meisten interessiert: ihre eigene Welt, aus Stars, Mode, Lifestyle.