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Politik

"Dr. Tedros" - Nur im Ausland ein Prophet?

Ineke Mules
24. Mai 2017

In Äthiopien hat Tedros Adhanom Ghebreyesus das Gesundheitssystem reformiert, viele attestieren ihm großen Erfolg. Nun soll er die Weltgesundheitsorganisation erneuern. Doch der künftige WHO-Chef ist nicht unumstritten.

Tedros Adhanom Ghebreyesus Außenminister Äthiopien
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Als Siebenjähriger erlebte Tedros Adhanom Ghebreyesus, wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder starb. Er sei einer Krankheit erlegen, die in einem Land mit funktionierendem Gesundheitssystem heilbar gewesen wäre, sagt er. Doch das habe es in seinem Heimatland Äthiopien damals nicht gegeben.

Tedros erzählt diese Geschichte immer wieder, seit er sich für den Posten des Generaldirektors der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beworben hat: Der Tod seines Bruders, sagt der heute 52-Jährige, treibe ihn bis heute an, für eine bessere Gesundheitsversorgung zu kämpfen. Er wolle nicht akzeptieren, dass jemand sterben muss, "nur will er arm ist", wie seine Familie es damals gewesen sei.

Gesundheitsreformen in Äthiopien

Als Erwachsener studierte Tedros in Großbritannien Infektionskrankheiten und promovierte im Fach Öffentliches Gesundheitswesen. Zwischen 2005 und 2012 erhielt er dann als Äthiopiens Gesundheitsminister die Gelegenheit, das Gesundheitssystem dort auszubauen.

Während dieser sieben Jahre entstanden in Äthiopien 3500 Gesundheitszentren, 38.000 Hilfskräfte für die Versorgung in ländlichen Gegenden wurden eingestellt. Die Zahl der Medizin-Hochschulen stieg von 3 auf 33, die Zahl der Ärzte wuchs exponentiell. Die Sterblichkeitsraten durch Tuberkulose und Malaria sanken um 74 beziehungsweise 64 Prozent. Die Infektionen mit HIV sanken um 90 Prozent.

Kinder- und Müttersterblichkeit ist in Äthiopien drastisch gesunken, allerdings nicht erst seit Tedros im Amt warBild: picture-alliance/dpa/S. Morison

Tedros wird auch eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung von Mutter-Kind-Gesundheit zugeschrieben, für die er sich ab 2009 als Co-Vorsitzender des WHO-Programms "Partnership for Maternal, Newborn and Child Health" (PMNCH) engagierte. In dem WHO-gestützten Netzwerk setzen sich rund 700 Organisationen in 77 Ländern für die Gesundheit von Müttern und Kindern ein. Von 2012 bis 2016 dann war Tedros Außenminister Äthiopiens. Weder die WHO, noch die Welt der Diplomatie sind ihm also fremd.

Unterstützung aus Afrika

Nun soll er die Weltgesundheitsorganisation leiten. Mit 133 von 186 Stimmen setzte sich Tedros bei der Abstimmung in Genf gegen den britischen UN-Diplomaten David Nabarro und die pakistanische Kardiologin und Aktivistin Sania Nishtar durch.

Große Unterstützung erhielt er von den Delegierten der 55 afrikanischen UN-Nationen, in denen die Wahl weitgehend mit Zustimmung aufgenommen wurde: In sozialen Medien  - wie hier bei einem Twitter-Nutzer aus Burundi - spiegelte sich die Freude darüber wider, dass erstmals ein Afrikaner in dieses Amt gewählt wurde.

Shimeles Bezabih, Sprecher der äthiopischen Gemeinde in der Schweiz, begrüßte Tedros' Ernennung: "Als Gesundheitsminister hat er Äthiopien als erstes Land zum Erreichen der Millenniumsziele in Sachen Kinder- und Müttersterblichkeit geführt", sagte Bezabih der DW. Auch als Außenminister sei Tedros erfolgreich gewesen und habe Äthiopiens Beziehungen zu anderen Ländern verbessert.

Kritische Stimmen

Doch nicht alle Landsleute beurteilen Tedros' Amtsführung so positiv. Insbesondere Angehörige der Amharen und Oromo, der größten Bevölkerungsgruppen Äthiopiens, kamen aus mehreren europäischen Ländern vor den WHO-Sitz in Genf und protestierten gegen Tedros, der zur ethnischen Minderheit der Tigray gehört. Die stellt zwar nur etwa sechs Prozent der äthiopischen Bevölkerung, dominiert jedoch die seit 1991 regierende Koalition der "Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker" (EPRDF).

Äthiopier demonstrieren in Genf gegen ihren Landsmann Tedros, den künftigen Generaldirektor der WHOBild: Reuters/P. Albouy

Der Aktivist Kassahun Adefris von der "Äthiopischen Taskforce für Menschenrechte und Demokratie" (EHRDTF) sagte der DW, er sei besorgt über Tedros Ernennung: "Während er Gesundheitsminister war, verloren viele Menschen ihr Leben, weil er Cholera-Epidemien vertuschte", so Adefris. "Aus meiner Sicht ist es sehr fragwürdig, jemanden für diese Posten zu nominieren, der solche Fehler begeht."

Auf Twitter gibt es einen Account mit dem Namen: "@NoDrTedros4WHO‏", also etwa "KeinDrTedrosFürWHO". Dort wirft man Tedros fehlenden Respekt vor Menschenrechten vor und nennt seine Wahl zum WHO-Chef ein Desaster und ein Zeugnis der Vetternwirtschaft in der WHO.

Auch Human Rights Watch kritisierte Tedros während seiner Kampagne für den neuen Posten dafür, dass er für einen autoritären Staat arbeitete, der repressiv gegen politische Gegner und Journalisten vorgehe.

WHO erneuern

Zu einem seiner vorrangigen Ziele hat der neu gewählte Generaldirektor eine sichere Finanzierung der WHO erklärt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass US-Präsident Donald Trump eine Reduzierung des US-Beitrags angekündigt hat, wolle er die Geber-Basis verbreitern, um finanzielle Schocks zu vermeiden: "Wenn so viele Länder wie möglich etwas beitragen, egal welchen Betrag, würde das helfen", so Tedros.

Vor allem aber werden von Tedros Reformen erwartet, die es der WHO künftig erlauben, schneller auf humanitäre Gesundheitskrisen wie bei der Ebola-Epidemie 2013/2014 in Westafrika zu reagieren. Genau deswegen war die WHO unter Führung seiner Vorgängerin, der Chinesin Margaret Chan, massiv in die Kritik geraten. Tedros sagt dazu, er habe die Versorgung in seinem Land umgekrempelt, er könne auch die WHO erneuern. 

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