Draft - Talentbörse im US-Profisport
20. Dezember 2024Welche US-Ligen veranstalten einen Draft?
In den USA veranstalten mehrere große Sportligen während der Saisonpause einen Draft. Die wichtigsten sind die American-Football-Liga NFL, die Basketball-Liga NBA, die Eishockey-Liga NHL und die Major League Baseball (MLB). Daneben gibt es auch in der Major League Soccer (MLS), der Women's NBA (WNBA), der National Women's Soccer League (NWSL) und einigen kleineren Ligen einen Draft.
Was ist der Draft und wie funktioniert er?
Der Draft ist eine Talentbörse, bei dem die Teams neue Spieler auswählen dürfen, um ihre Kader zu verstärken. Er findet in der Saisonpause statt. Die Teams wählen nacheinander Spieler aus einem Pool verfügbarer Talente aus.
Dabei handelt es sich normalerweise um Spieler, die bisher auf dem College gespielt haben oder ausländische Profis, die in eine der US-Profiligen wechseln möchten. In Ausnahmefällen, wie bei Basketball-Superstar LeBron James, kommen die Kandidaten auch direkt von der Highschool.
Der Draft selbst besteht aus mehreren Runden, in denen theoretisch jedes Team genau einen "Pick" pro Runde hat, also einmal pro Runde einen neuen Spieler auswählen darf. Allerdings sind die Picks oft auch Teil von Spielertransfers (Trades), die in der Sommerpause oder während der Saison stattfinden. Daher gibt es in der Regel in jeder Draft-Runde Teams, die mehrere Picks haben, während andere leer ausgehen, weil sie ihren Pick zuvor "getraded" haben.
Die Reihenfolge, in der die Teams Spieler auswählen dürfen, wird grundsätzlich durch die Platzierung der vorherigen Saison bestimmt. Teams, die schlechter abgeschnitten haben, dürfen früher wählen, um die Liga ausgeglichener zu gestalten. Um jedoch zu verhindern, dass schlechtere Mannschaften mit Absicht verlieren, um sich damit garantiert den besten Draft-Pick zu sichern, wurde in der NBA, NHL und MLB eine Zufallskomponente eingebaut: die Draft Lottery, bei der die endgültige Reihenfolge ausgelost wird.
An der Lottery, die teilweise nach recht komplizierten Verfahren abläuft, nehmen in allen Sportarten in der Regel die Teams teil, die die Playoffs im vorherigen Jahr verpasst haben. Bei der NFL geht es jedoch ohne Zufallsfaktor streng nach der Reihenfolge der Vorsaison: Das schlechteste Team hat die erste Wahl, der aktuelle Super-Bowl-Champion wählt an 32. und letzter Stelle jeder Runde.
Nicht immer spielen die Spieler anschließend auch für das Team, dass sie ausgewählt hat. So wurde Deutschlands Basketballlegende Dirk Nowitzki nicht von den Dallas Mavericks gedraftet, für die er anschließend seine gesamte NBA-Karriere über 21 Jahre aktiv war. Er wurde von den Milwaukee Bucks an neunter Stelle der 1. Runde ausgewählt.
Die Bucks tauschten Nowitzki aber umgehend gemeinsam mit Pat Garrity (19. Pick der 1. Runde) gegen Robert Traylor (6. Pick der 1. Runde), den die Mavericks zuvor ausgewählt hatten. Der Deal war vorher so zwischen den Verantwortlichen der Mavs und Bucks vereinbart worden. Absprachen wie diese sind am Draft-Day der US-Profiligen gang und gäbe.
Warum gibt es das Draft-System überhaupt?
Das Draft-System wurde eingeführt, um Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Die US-Profiligen sind geschlossene Systeme, in denen es keinen Auf- und Abstieg gibt wie beispielsweise in der deutschen Fußball-Bundesliga. Daher sollen Monopole verhindert werden, bei denen ein Team das meiste Geld und die besten Spieler besitzt und daher fast immer Meister wird, während andere nie die Möglichkeit bekommen, um den Titel mitzuspielen.
Durch das Draft-System bekommen schwache Teams die Möglichkeit, einen sehr talentierten Spieler zu verpflichten und um ihn herum ein starkes Team aufzubauen. Bestes Beispiel dafür sind Michael "Air" Jordan und die Chicago Bulls im Basketball.
Nach der Ankunft Jordans im Jahr 1984 entwickelten sich die zuvor nur durchschnittlichen Bulls zum dominierenden Team der Liga - auch wenn es einige Jahre dauerte. Zwischen 1991 und 1998 gewannen sie sechs NBA-Meisterschaften. Nach dem Abschied Jordans versank das Team dann mehr oder weniger wieder in der Versenkung.
Gibt es die Möglichkeit, auch ohne den Draft in eine US-Profiliga zu kommen?
Spieler, die beim Draft nicht ausgewählt worden sind, nennt man "Undrafted Free Agents". Direkt nach Draft-Ende können interessierte Teams mit ihnen verhandeln und sie verpflichten. Zudem gibt es vor der Saison bei vielen Teams sogenannte Tryouts - Ausscheidungstrainings, bei denen Profi-Kandidaten vorspielen und sich einen Vertrag erarbeiten können.
Wer auch hier keinen Vertrag bekommt, kann in den USA unterhalb der Profiligen (Major Leagues) in einer der kleineren Ligen (Minor Leagues) auf professionellem Niveau spielen und mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen.
Dort haben im Grunde alle Profi-Mannschaften sogenannte "Farm-Teams" mit einer Art B-Kader, aus dem sie Spieler nach oben ziehen können, wenn jemand besonders gut ist oder es im Profi-Team zu viele Verletzte gibt.
Welche deutschen Sportlerinnen und Sportler wurden an höchster Position gedraftet?
Basketballerin Satou Sabally wurde 2020 im WNBA-Draft an zweiter Position der 1. Runde von den Dallas Wings ausgewählt. Ihre Schwester Nyara war 2022 auf Position fünf. Nyara Saballys Teamkollegin Leonie Fiebich, die beim Titelgewinn 2024 eine der entscheidenden Spielerinnen war, wurde im Jahr 2020 auf Rang 22 von den Los Angeles Sparks ausgewählt. Sie wechselte allerdings erst 2024 zu den New York Liberty in die WNBA. Ihre Transferrechte waren in der Zwischenzeit, in der Fiebich in Frankreich und Spanien spielte, von den Sparks über die Chicago Sky (2021) nach New York (2023) weitergetauscht worden.
Bei den Männern führt Eishockey-Profi Leon Draisaitl die Rangliste an: Er wurde 2014 an dritter Stelle von den Edmonton Oilers ausgewählt. Draisaitls Nationalmannschaftskollege Moritz Seider ging 2019 an sechster Stelle zu den Detroit Red Wings. Basketball-Weltmeister Franz Wagner wurde 2021 als achter Spieler seines Draft-Jahrgangs von den Orlando Magic ausgewählt. Einen Number One Pick aus Deutschland gab es bislang noch nicht.