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Keine schnelle Lösung

Andreas Becker2. August 2012

Die Erwartungen waren enorm vor der Sitzung der Europäischen Zentralbank. Von unbegrenzter Feuerkraft und Rettung ohne Limit war die Rede. Was EZB-Chef Draghi dann verkündete, musste viele enttäuschen.

President of the European Central Bank Mario Draghi attends a conference at University of Rome 'La Sapienza' in Rome, Thursday, May 24, 2012. (Foto:Andrew Medichini/AP/dapd)
Präsident der Europäischen Zentralbank Mario DraghiBild: dapd

Der Leitzins bleibt unverändert. Das beschloss der Rat der Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag (02.08.2012) in Frankfurt am Main. Überrascht hat das niemanden, denn der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen können, war erst im Juli auf den historischen Tiefstand von 0,75 Prozent gesenkt worden.

Diesmal waren diese Zinsen gar nicht das Thema, das die Finanzwelt interessierte. Viel wichtiger war die Frage, was die EZB gegen die hohen Zinsen tun will, die angeschlagene Euroländer wie Spanien oder Italien derzeit für neue Schulden zahlen müssen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte die Erwartungen in der vergangenen Woche selbst angeheizt. "Die EZB ist bereit, alles für die Rettung des Euro zu tun", hatte er gesagt und hinzugefügt: "Glauben sie mir, es wird ausreichen."

Das waren deutliche Worte, die Entschlossenheit signalisierten - ganz anders als die verklausulierten Sätze, für die Notenbankchefs sonst bekannt sind. Doch sie ließen viel Raum für Spekulationen, und so kannten die Fantasien der Märkte und der Medien keine Grenzen.

Erlösungsfantasien

Die EZB werde auf dem Markt bald selbst Staatsanleihen kaufen, hieß es. Weil ihre Statuten es verbieten, Staaten direkt Geld zu leihen, kommt in diesem Gedankenspiel auch der zukünftige Rettungsfonds ESM zum Einsatz: Ausgestattet mit einer Banklizenz und endlosem Kredit bei der Zentralbank, werde er den angeschlagenen Euroländern ihre Anleihen direkt abkaufen. Mit dieser Doppelstrategie werde es gelingen, die hohen Zinsen für spanische oder italienische Anleihen auf ein erträgliches Maß zu senken.

Soweit die Fantasien der Märkte und Medien. Es mag sein, dass auch Draghi diese Fantasien teilt. Doch angesichts der Realitäten musste er am Donnerstag wieder so sprechen, wie Notenbanker das normalerweise tun: nüchtern, verklausuliert und enttäuschend vage: "Im Rahmen seines Mandats, die Preisstabilität mittelfristig sicherzustellen, und unter Berücksichtigung seiner Unabhängigkeit bei der Festlegung der Geldpolitik, könnte der Gouverneursrat der EZB direkt auf den Märkten aktiv werden, und zwar in einem Umfang, der ausreicht, um seine Ziele zu erreichen."

Mit anderen Worten: Die EZB könnte eventuell Staatsanleihen kaufen, die bereits auf dem Markt sind. Ob und wann sie es wirklich macht, ließ Draghi offen. Denn der Ansatz ist höchst umstritten. Schon einmal hat die EZB für rund 200 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft, seit dem Frühjahr ruht das Programm.

Widerstand der Deutschen

Vor allem der deutsche Vertreter im Rat der EZB, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, ist strikt gegen solche Ankäufe. Sein Argument: Eine solche Finanzierung von Staaten durch die Hintertür sei der EZB durch die EU-Verträge nicht erlaubt. Außerdem würde die Notenbank so massenhaft Geld in den Markt spülen und die Gefahr einer Inflation erhöhen. Dabei ist der Kampf gegen die Geldentwertung die Hauptaufgabe der Notenbank.

Draghi machte am Donnerstag keinen Hehl daraus, dass die Deutschen gegen den Kauf von Staatsanleihen sind. Auch betonte er mehrfach, dass er auf absehbare Zeit keine Inflationsgefahren sehe. Seine vage Formulierung, die EZB könne aktiv werden, ist offensichtlich die Kompromissformel, auf die sich der Gouverneursrat der Bank einigen konnte.

Alles Weitere - die Anleihenkäufe durch den Rettungsschirm ESM, die unbegrenzte Feuerkraft durch eine Banklizenz für den ESM - steht nicht in Draghis Macht. So blieb ihm nur ein Aufruf an die Politiker der Eurozone. "Regierungen müssen bereit sein, den Rettungsfonds auf dem Anleihemarkt zu aktivieren, wenn außergewöhnliche Umstände und Risiken für die finanzielle Stabilität dies erfordern - aber mit strengen Auflagen."

Nicht in Draghis Macht

Man könnte diese Worte so interpretieren, dass auch Draghi eine Doppelstrategie aus EZB und Rettungsfonds befürwortet. Aber entschieden wird das nicht von der EZB, sondern von den nationalen Regierungen. Und auch vom deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das wird am 12. September sein Urteil verkünden, ob der Rettungsfonds ESM überhaupt der deutschen Verfassung entspricht. Vorher kann der Fonds nicht in Kraft treten.

Und selbst wenn Karlsruhe und Berlin zustimmen und grünes Licht für den ESM geben, wäre noch einiges zu tun, bis die Fantasien von einem ESM mit unbegrenzter Feuerkraft Realität werden könnten. In der Theorie würde der Rettungsfonds mit einer Banklizenz ausgestattet, angeschlagenen Staaten ihre Schuldscheine abkaufen, diese an die EZB weiterreichen und dafür von der Notenbank neues Geld bekommen, mit dem er wieder aktiv werden könnte. Die Idee dahinter ist: Wenn niemand Italien oder Spanien zu vernünftigen Konditionen Geld leihen will, machen wir es eben selbst. Und zwar so massiv, dass es sich für Spekulanten nicht lohnt, dagegen zu wetten.

Schön und gut, scheint Draghi zu glauben. Doch auch hier liegen Welten zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Nicht die EZB, sondern die Staaten müssten eine Banklizenz für den ESM ausstellen. Die Notenbank habe dann zu entscheiden, ob sie einen solchen Fonds als Geschäftspartner akzeptiert, den sie über Kredite finanziert. "Die derzeitige Konstruktion des ESM erlaubt es uns nicht, ihn als angemessenen Geschäftspartner anzusehen", so Draghi. "Darüber hat die EZB schon im Februar ein Rechtsgutachten erstellt."

Der große Traum von einer schnellen Lösung der Schuldenkrise ist damit vorerst geplatzt - realistisch war er ohnehin nie. Doch über die Doppelstrategie von Anleihekäufen durch die Notenbank und den Rettungsfonds wird sicher noch viel diskutiert und auch gestritten werden.

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